Jesus-Filme

Jesus Christus aus Nazaret ist nicht nur die zentrale und namensgebende Person des Christentums, er ist auch als literarische Person von kaum zu überschätzender Bedeutung. Dann ist es wohl nur folgerichtig, dass sich das Kino ebenfalls und bereits seit seinen Anfängen mit Jesus auseinandersetzt.

Zum Karfreitag möchte ich daher eine Top-Five-Liste erstellen mit Jesus-Filmen, die mir viel bedeuten, die mich nicht nur einmal, sondern immer wieder stark ergreifen. Da ich aus einer so übergroßen Fülle schöpfen kann/muss, möchte ich die Auswahl noch vorher etwas einschränken.

Nicht zur Wahl stehen Filme, in denen Jesus nur eine Nebenrolle oder einen kurzen Gastauftritt hat, wie z.B. Ben Hur, Das Gewand oder auch Das Leben des Brian, der im Übrigen keine Verballhornung Jesu ist, sondern seiner und anderer übereifrigen Nachfolger. Ich kann ein gläubiger Christ sein und diesen Film mögen. Trotzdem kommt er nun nicht in meine Top-Five-Liste. Fernsehserien lasse ich grundsätzlich weg, so dass Southpark bereits aus zwei Gründen nicht aufgeführt sein wird.

Auch Endzeitfilme lasse ich raus. Der wiederkehrende Christus wie ihn Jürgen Prochnow in Das siebte Zeichen spielt, ist selbstverständlich auch ein interessanter Betrachtungsgegenstand. In der heutigen Liste zum Karfreitag soll aber die Passion im Mittelpunkt stehen. Das Leiden, die Kreuzigung also der Opfertod Jesu für die Sünden der Menschheit muss im Film thematisiert sein, damit er hier Aufnahme finden kann.

  1. Das 1. Evangelium – Matthäus (1964 von Pier Paolo Pasolini)
    Als der atheistische, sozialistische und homosexuelle Pasolini das Leben Jesu verfilmte, waren viele Kreise aus unterschiedlichen Gründen verwundert, skeptisch und brüskiert. Doch der späte italienische Neorealist zeigt mit dem Laiendarsteller Enrique Irazoqui als Jesus einen Kämpfer für die sozial Benachteiligten, „sanft im Herzen, aber nie im Denken“. Nach einer Vorführung im Vatikan soll der Applaus 40 Minuten angedauert haben. Unter dem Kreuz sieht man Pasolinis Mutter als Maria.
  2. Die Passion Christi (2004 von Mel Gibson)
    Ich möchte sofort und entschieden drauf hinweisen, dass ich mit der Aufnahme dieses Films in meine Liste keine Aussage über die Qualität anderer Filme von und mit Mel Gibson  treffe. Auch seine persönlichen Aussagen sollen hier nicht zur Diskusson stehen. Die Passion Christi aber ist ein Meisterwerk! Unsynchronisiert erleben wir die letzten Tage Jesus auf Latein, Aramäisch und Hebräisch. Dem Film wird vorgeworfen,  Gewaltexzess und Blutorgie zu sein. Das Gesicht James Caviezels ist fast den gesamten Film über blutig und nach der Geißelung ist sein Rücken so zerfurcht, dass man kaum noch Haut erkennen kann. Dem möchte ich aber entgegen halten, dass Jesus tatsächlich gefoltert wurde und für die Sünden der Welt gestorben ist. Wenn uns beim Zuschauen ein wenig mulmig wird, ist das wohl ein vergleichsweise niedriger Preis. Gibson verneigt sich übrigens still vor Pasolini, indem er seinen Film im süditalienischen Matera dreht, welches auch schon 1964 als Kulisse diente.
  3. Die letzte Versuchung Christi (1988 von Martin Scorsese)
    Der dritte Film in der Reihe und der dritte Film mit einem italienischen Bezug, zumindest was die Wurzeln des Regisseurs angeht. Die literarische Vorlage lieferte 1951 der griechische Autor Nikos Kazantzakis, der auch für Alexis Sorbas verantwortlich zeichnet. Walter Jens nannte es ein interessantes und problematisches Buch. Papst Pius XII. setzte 1954 den Roman auf den Index der verbotenen Bücher. Mit der Musik von Peter Gabriel unterlegt sehen wir einen von Willem Dafoe gespielten Jesus, der als Zimmermann Kreuze für die Römer fertigt. Er zweifelt an seiner Berufung nimmt sie aber letztendlich doch an. Am Kreuz erscheint ihm ein vermeintlicher Engel, der ihm vom Kreuz hilft. Jesus heiratet Maria Magdalena und erlebt als alter Mann die Zerstörung Jerusalems. In einer Konfrontation seiner ehemaligen Jünger erkennt er, dass er am Kreuz hätte sterben müssen. Er erwacht, erneut am Kreuz hängend, und nimmt den Opfertod auf sich.
  4. Jesus Christ Superstar (1973 von Norman Jewison)
    Andrew Lloyd Webber ist bekannt für viele erfolgreiche Musicals. Tim Rice lieferte in den ersten Jahren das Libretto, so auch 1970 für Jesus Christ Superstar. Der kanadische Regisseur Jewison, von dem ich auch In der Hitze der Nacht von 1967 und Hurricane von 1999 sehr schätze, kommt in meiner Liste den Originalschauplätzen am nächsten. Er drehte in der Negev-Wüste in Israel. Allerdings nutzt er einen Verfremdungseffekt: Die Darsteller sind eine Hippie-Kommune, die zu Beginn mit einem Bus anreisen und mit teilweise hanebüchenen Requisiten (Maschinenpistolen, Stahlhelme, Regenschirme etc.) die Passion nachspielen. Auch Bezüge zur Zeitgeschichte (Panzer, Düsenjäger) fehlen nicht. Ted Neely spielt den von seiner Rolle auch immer mal überforderten Jesusdarsteller.
  5. Jesus von Montreal (1989 von Denys Arcand)
    Mit dem fünften Film dehne ich meine eigenen Vorgaben. Nach Jesus Christ Superstar ist aber der Schritt nicht mehr ganz so groß. Lothaire Bluteau spielt Daniel Coulombe. Daniel ist der Jesusdarsteller einer Passionsspielgruppe in Montreal. Im Laufe eines Handgemenges mit Polizei und Zuschauern stürzt der ans Kreuz gebundene Daniel. Ohne ärztliche Versorgung verlässt er das Krankenhaus. An seiner Sprache und seinem Verhalten wird ersichtlich, dass er die Jesusrolle vollständig verinnerlicht hat. In einer U-Bahn-Station bricht er zusammen und wird in ein jüdisches Krankenhaus gebracht, wo nur noch der Hirntod festgestellt werden kann. Sein Herz und seine Augen werden ihm als Organspende entnommen. Die anderen Schauspieler gründen nach seiner Beerdigung ihm zu Ehren eine neue Schauspielgruppe.

4 Gedanken zu „Jesus-Filme

  1. Jesus Christ Superstar habe ich vor kurzem mit einem Freund gesehen und bin begeistert. Seit Tagen geht mir die Melodie des Leitmotives nicht mehr aus dem Kopf. Sowohl schauspielerische Leistung als auch musikalischer Unterhaltungswert sind mir sehr positiv aufgefallen. Im Vergleich zu den stärker historischen Filmen stellt dieser eine spannende Abwechslung dar. Kennst du eigentlich auch interessante Theaterstücke/Bücher zu dem Thema?

    1. Als Theaterstücke könnte ich eine Reihe von Passionsspielen nennen. Sie wurden manchmal in Städten eingeführt, nachdem eine Pest überstanden war. Das bekannteste ist wohl das Donaueschinger Passionsspiel aus dem 15. Jahrhundert. Es gibt eine Ausgabe bei Reclam, Stuttgart, die 1985 von Antonius H. Touber herausgegeben wurde.
      Noch etwas historischer wird es bei meinem zweiten Buchtipp. Der jüdische Religionswissenschaftler David Flusser, der auch die Jesus-Biographie für Rowohlt besorgte, brachte 1982 im Calwer Verlag, Stuttgart das Buch Die letzten Tage Jesu in Jerusalem heraus.
      Der spätere Literaturnobelpreisträger Pär Lagerkvist veröffentlichte 1950 den Roman Barabbas. Lagerkvist schildert hier das Passionsgeschehen und die Nachwirkung aus der Sicht des Mannes, der von Pontius Pilatus zum Passahfest auf Wunsch der angestachelten Menschenmenge statt Jesus amnestiert wurde. Der Roman wurde bereits zweimal verfilmt. Aber die Filme habe ich nie gesehen.
      Einen Lesegenuss besonderer Art bietet das 1991 bei Hoffmann und Campe, Hamburg erschienene Buch Pontius Pilatus. Briefwechsel. Übersetzt, annotiert und eingeleitet von Jörg von Uthmann. Selbstverständlich ist dieses Werk rein fiktiv.
      Damit das keine Top-Five-Liste im Kommentar einer Top-Five-Liste wird, höre ich an dieser Stellen auf.

      1. Die Perspektiven von Pilatus und Barabbas finde ich durchaus sehr interessant. Das Handeln und Denken des Ersteren wird von den verschiedensten Parteien sehr unterschiedlich ausgelegt. Was ist Pilatus für dich?
        Da fällt mir auch noch ein weiterer ein, der eine interessante Blickweise ermöglicht: Judas. Wie interpretierst du diese Gestalt?

        1. Barabbas ist mit seiner Biographie ein Stellvertreter für uns, die wir von der Passion Jesu heute hören; denn er kann tatsächlich sagen, Jesus sei für ihn gestorben.
          Pilatus ist für mich ein zweifach Missverstandener. Erstens wird er nicht ausreichend belastet, wenn es immer heißt, die Juden hätten Jesus ans Kreuz geschlagen. Der einzige, der in Jerusalem das Todesurteil fällen konnte, war Pontius Pilatus. Also ist er doch der eigentliche Mörder an Jesus. Und es hätte eigentlich keine Rechtfertigung gegeben für die Verfolgung der vermeintlichen Christusmörder im Mittelalter. Andererseits bemüht er sich – vor allem im Johannesevangelium – darum, Jesus freizusprechen. Aber Jesus verhält sich wie ein trotziges Kind. Er will sich von Pilatus nicht helfen lassen, weil er ja den Kreuzestod erleiden muss für das Heilsgeschehen.
          Judas ist für mich auch ein sehr interessanter Mensch. 1990 habe ich zu Ostern mit meiner Mutter im NDR einen Beitrag des jungen Theologen Eckhard Etzold gehört, der die These vertrat, dass Petrus sich die Figur des Judas nur ausgedacht habe, um bei der Suche nach einem Schuldigen von sich abzulenken. Petrus habe mit seinem Übereifer und seiner Verehrung Jesu als Messias die jüdischen Glaubenswächter auf den Plan gerufen und ihn somit quasi verraten. Diesen Gedanken trage ich nun seit 25 Jahren mit mir herum und für diesen Kommentar habe ich einfach mal das Netz durchforstet. Tatsächlich habe ich den Text gefunden. Eckhard Etzold hat eine eigene Website, auf der er einige seiner Arbeiten veröffentlicht hat, auch: Hat es Judas je gegeben?
          Die letzte Versuchung Christi zeigt uns Judas als eigentlichen Vertrauten Jesu und nicht Petrus. Und in Jesus Christ Superstar ist es ja eigentlich auch so.

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