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Robbie Robertson ist tot

Gestern starb der kanadische Ausnahmemusiker und Songwriter Robbie Robertson mit 80 Jahren. Am 5. Juli 1943 in Toronto als Sohn eines jüdischen Immigranten und einer Mowak-Cayuga-Indianerin geboren, ließ er sich früh von der Musik inspirieren, die er im Six-Nations-of-the-Grand-River-Reservat kennenlernte. Ab 1960 spielte er Gitarre bei The Hawks, die sich später zu der legendären The Band umbenannte.

1965 war The Band die Band, die Bob Dylan auf dem Newport Folkfestival bei der Elektrifizierung seiner Musik unterstützte. Eine Zeit lang galten sie gar als die lauteste Band der Welt. Das stieß damals nicht überall auf Gegenliebe, wird aber musikhistorisch heute als ein kaum zu überschätzender Wendepunkt betrachtet.

Ich persönlich liebe die Alben aus der Kollaboration von Dylan & The Band ganz besonders. Der von Martin Scorsese gedrehte Film über das Abschiedskonzert von The Band – The Last Waltz zu Thanksgiving 1976 (der Film erschien 1978) gehört für mich zu den besten Konzertfilmen bzw. Bandporträts überhaupt.

Ich finde gerade nicht die richtigen Worte, um meinen Respekt und meine Bewunderung für Robbie Robertson auszudrücken; deshalb muss eine einfache Top-Five-Liste seiner besten Songs reichen:

  • The Shape I’m In – Der Song von 1970 war auch auf dem gemeinsam mit Dylan herausgebrachten Livealbum Before the Flood von 1974. So habe ich das Lied auch kennengelernt.
  • The Night They Drove Old Dixie Down – Für einen aufmerksamen deutschen Beobachter der Populärmusik ist dieses Lied eingefärbt von Juliane Werdings Umdichtung Am Tag als Conny Kramer starb oder die Parodie der Goldenen Zitronen, in der Thomas Anders sein Leben lässt. In den USA überdeckte Joan Baez mit ihrer poppigeren Version das Original, weshalb die Band selbst ihr Lied nicht mehr so recht spielen wollten. Heute wird der Text kritisiert, da er aus der Sicht eines Südstaatensoldaten geschrieben ist und sich nicht eindeutig gegen die Sklaverei stellt.
  • Up on Cripple Creek – Vom zweiten Album 1969 ist es ein typischer Band-Song, verwurzelt im US-amerikanischen Süden, geschrieben dennoch von einem Kanadier.
  • The Weight – Das erste Album 1968 hieß Music from Big Pink. So wurde das Haus genannt, in dem Dylan & The Band viele ihrer gemeinsamen Songs aufgenommen hatte. The Basement Tapes erhielten ihren Namen vom selben Gebäude. Der Rolling Stone platziert diesen Song auf 41 von 500 Greatest Songs of All Time.
  • Dry Your Eyes – 1976 war nicht nur das – vorläufige – Ende von The Band, es war auch das Erscheinungsdatum des besten Albums von Neil Diamond, das Robbie Robertson produziert hat. Dry Your Eyes haben sie für das Album gemeinsam geschrieben und auch beim Abschiedskonzert The Last Waltz gemeinsam vorgestellt.

Rest in Peace, Robbie Robertson!

Gordon Lightfoot ist tot

Gestern ist der kanadische Singer/Songwriter Gordon Lightfoot gestorben. Geboren wurde er am 17. November 1938 in der Kleinstadt Orillia in der ostkanadischen Provinz Ontario. Lightfoot begann seine Karriere als Songwriter für Künstler wie Elvis Presley sowie Peter, Paul and Mary, bevor er 1966 sein erstes eigenes Album herausbrachte.

1974 gelang ihm mit dem Lied Sundown ein Nummer-Eins-Hit in den USA. Seit den 1980er Jahren war er aber selbst nicht mehr in den Top-50 vertreten. Seine Songs wurden aber von anderen Künstlern immer wieder interpretiert. 1986 wurde Lightfoot in die Canadian Music Hall of Fame aufgenommen. Kein geringerer als Bob Dylan war es, der die Laudatio hielt. Lighfoot wurde in den 1960er Jahren von einigen Kritikern der kanadische Dylan genannt.

Bis ins hohe Alter war Lightfoot auf Bühnen musikalisch aktiv. Sein letztes Album Solo nahm er 2019 auf und brachte es im Folgejahr heraus. Es bekam gute Kritiken, setzte sich am Markt aber nicht durch. Im Frühjahr 2023 musste Lightfoot aus geseundheitlichen Gründen seine Tour abbrechen. Am 01. Mai starb er im KRankenhaus in Toronto. Gordon Lighfoot wurde 84 Jahre alt.


Ihm zu Ehren möchte ich eine Top-Five-Liste meiner Liebslingssongs von Gordon Lightfoot aufstellen. Ich habe nicht jeden der ganz großen Singlehits mit aufgenommen, sondern sie eher persönlich gehalten:

  • Early Morning Rain (1966) – Sein erstes Album Lightfoot! ist angefüllt mit hervorragenden Songs. Dieser sticht für mich auch deshalb so hervor, weil ich ihn zuerst von Bob Dylan auf seinem Album Selfportrait (1970). Außerdem hege ich den Verdacht, dass Reinhard Mey dieses Lied im Ohr hatte, als er Über den Wolken schrieb.
  • Walls (1967) – Ein zugleich geistreiches und charmantes Liebeslied vom zweiten Album The Way I Feel. Vor allem die schelmisch drangehängte letzte Strophe hat mich verzaubert.
  • If You Could Read My Mind (1970) – Vom Album Sit Down Young Stranger, das später dann doch noch den Titel dieses Superhits erhielt. Das Lied wurde schon so oft gecovert. Heute kennt man wohl vor allem Johnny Cash’s Version, die er in seinem Todesjahr bereits erblindet und im Rollstuhlsitzend einsang. Sie wurde 2006 auf den American Recordings V postum veröffentlicht.
  • Cold on the Shoulder (1975) – Der Titelsong seines siebten Albums ist der Song eines Paares, das sich wieder zusammenrauft. Die kälte an der Schulter bleibt. Es war das Album, mit dem ich Gordon Lightfoot kennenlernte. Die erwähnte Kälte habe ich beim Hören immer empfunden.
  • Rainy Day People (1975) – Vom gleichen Album, aber mit einem ganz anderen Zungenschlag. Im Gegensatz zu den Sonnenscheinfreunden, die sich in Problemzeiten zurückziehen, bleiben Regentagfreunde stets bei dir.

Nicht mit in die Reihe gehört The First Time vom ersten Album 1966; denn dies ist nciht von Gordon Lightfoot geschrieben. Es stammt aus der Feder von James Henry Miller (1915–1989), den man eher unter seinem Künstlernamen Ewan MacColl kennt. Seine Tochter Kirsty MacColl hatte nicht nur seinen Künstlernamen übernommen, sondern auch seine linke Gesinnung und die Musikalität. 1957 hat Ewan MacColl es für Peggy Seeger geschrieben.

1972 nahm Roberta Flack den Song auf und machte ihn weltberühmt. Heute kennt man außerdem das Lied von Johnny Cash, der es 2002 für sein Album American Recordings IV – The Man Comes Around einsang. Gerade Gordon Lightfoot und Johnny Cash stehen da in einem interessanten Spanungsverhältnis: Der eine sang es für sein erstes Album ein, der andere für das letzte, das zu seinen Lebzeiten veröffentlicht wurde. Was meinen sie und welchen Zeitraum überbrücken sie, wenn sie sich an ein erstes Mal erinnern?

Notker Babulus

Die Gedenk- und Namenstage von Heiligen und anderen historischen Persönlichkeiten habe ich in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt. Aber gerade heute am Gründonnerstag lese ich einen kurzen Text von Notker I. von St. Gallen, den man auch Babulus, den Stammler nannte. Beim Lesen seiner Lebensdaten fällt mir ins Auge, dass genau heute sein 1111. Todestag ist. Das sollte reichen, um einen neuen Beitrag zu schreiben.

Um 840 in Elgg oder Jonschwil auf dem Gebiet der heutige Schweiz geboren, kam er als Waise ins Kloster St. Gallen, in dem er am 6. April 912 starb. Seinen Beinamen Babulus/Stammler verdankt er wahrscheinlich einem Zahnfehler, der sein Sprechen erschwerte. Er war als Lehrer, Urkundenschreiber und Dichter aktiv.

Ich stieß auf ihn bei der Lektüre von Ausschnitten seines Hauptwerks, der Gesta Karoli Magni (Die Taten Karls des Großen), was man wohl als sein Hauptwerk bezeichnen kann. Ihm wird auch der gregoriansiche Choral Media vita in morte sumus zugeschrieben, was übersetzt zur Karwoche und ihren religiösen Themen passt: Mitten im Leben sind wir im Tod.

Martin Luther übeersetzte und ergänzte das Werk zu einem dreistrophigen Lied, das sich heute im Evangelischen Gesangbuch, Nr. 518 findet.

Mitten wir im Leben sind
mit dem Tod umfangen.
Wer ist, der uns Hilfe bringt,
dass wir Gnad erlangen?
Das bist du, Herr, alleine.
Uns reuet unsre Missetat,
die dich, Herr, erzürnet hat.
Heiliger Herre Gott,
heiliger starker Gott,
heiliger barmherziger Heiland,
du ewiger Gott:
lass uns nicht versinken
in des bittern Todes Not.
Kyrieleison.

Mitten in dem Tod anficht
uns der Hölle Rachen.
Wer will uns aus solcher Not
frei und ledig machen?
Das tust du, Herr, alleine.
Es jammert dein Barmherzigkeit
unsre Klag und großes Leid.
Heiliger Herre Gott,
heiliger starker Gott,
heiliger barmherziger Heiland,
du ewiger Gott:
lass uns nicht verzagen
vor der tiefen Hölle Glut.
Kyrieleison.

Mitten in der Hölle Angst
unsre Sünd’ uns treiben.
Wo solln wir denn fliehen hin,
da wir mögen bleiben?
Zu dir, Herr Christ, alleine.
Vergossen ist dein teures Blut,
das g’nug für die Sünde tut.
Heiliger Herre Gott,
heiliger starker Gott,
heiliger barmherziger Heiland,
du ewiger Gott:
lass uns nicht entfallen
von des rechten Glaubens Trost.
Kyrieleison.

Martin Luther

Taha Duymaz ist tot

Das Erdbeben in der Türkei und Syrien im Februar 2023 hat schreckliche Folgen für viele Familien in einer großen Region. Es gibt deutlich Berufenere, um darüber zu schreiben und die Inplikationen einzuordnen, sowohl geologisch als auch soziologisch. Während ich dies schreibe, nähert sich die Zahl der Toten der 50.000 und die Verletzte soll es mehr als 125.000 gegeben haben. Die Zahlen werden sicherlich in den nächsten Wochen noch nach oben korrigiert.

Das Leid der Vielen ist für Menschen andernorts schwer greifbar. Auch ich habe die Bilder in den Nachrichten gesehen und die Menschen bedauert. Doch gestern Abend haben mich der Schrecken und die Trauer richtig erreicht, als ich erfahren habe, dass Taha Duymaz unter den Opfern dieses Erdbebens ist.

Ich habe den jungen Mann durch einen Bericht im Weltspiegel kennengelernt. Er war ein Junge aus einfachen bis ärmlichen Verhältnissen in der Provinz Hatay im südlichsten Zipfel der Türkei. Was ihn auszeichnete und auch ins deutsche Fernsehen brachte, war, dass er zunächst einfache Rezepte in ungekünstelter dörflicher Umgebung zubereitete und die Videos auf Instagram und YouTube hochlud.

Er hatte den Charme, wenn ich das über einen kürzlich Verstorbenen sagen darf, eines hässlichen Entleins. Eine Verletzung hatte sein rechtes Auge entstellt, seine Nase war huckelig und schief, seine Ohren standen ab, er war dünn und leicht buckelig und seine Arme und Beine etwas zu lang und ungelenk. Aber er zeigte einen tiefen und aufrichtigen Ernst beim Zubereiten seiner Speisen und er zog dieses kleine Projekt konsequent durch, bis in der Türkei und international Menschen und Unternehmen auf ihn aufmerksam wurden.

Das brachte ihm und seiner Familie einen gewissen Wohlstand, der von manchen argwöhnisch beobachtet und hämisch kommentiert wurde. Er ließ seine Nase richten, die Ohren anlegen und begann ein Fitnesstraining. Seine Frisur wurde aufwendiger und seine Kleidung feiner. Kurz: das hässliche Entlein war drauf und dran, das Versprechen dieses Märchens einzulösen und ein schöner Schwan zu werden.

Am 6. Februar 2023 wurden Taha Duymaz und seine Schwester Melek verschüttet. Am zwölften Tag der Katastrophe wurden ihre Leichname geborgen. Taha Duymaz wurde 19 Jahre alt.

Links
https://www.dw.com/de/
https://www.instagram.com/tahaduymazz/
https://www.youtube.com/@tahaduymaz

Anschlag auf Betende in Christchurch, Neuseeland

Sie sagten zu ihm: Herr, komm und sieh!
Da weinte Jesus.
Johannes 11, 34b–35

KiwiMond_JesusWeint_Christchurch

Links
https://www.christchurchnz.com/
https://www.theguardian.com/world/video/2019/mar/15/mass-shooting-at-two-christchurch-mosques-video-report
https://edition.cnn.com/asia/live-news/new-zealand-christchurch-shooting-intl/index.html
http://www.spiegel.de/politik/ausland/christchurch-anschlag-auf-moschee-er-wollte-keine-ueberlebenden-a-1258021.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Anschlag_auf_zwei_Moscheen_in_Christchurch

Ewigkeitssonntag

Heute ist der letzte Sonntag im Kirchenjahr und trennt uns von der Adventszeit. Die Weihnachtsmärkte sind ja bereits aufgebaut. Wir warten ungeduldig, in den glühweinseligen Vorweihnachtstrubel zu gleiten. Aber zuvor kommt dieser etwas unbequeme Tag, der auch noch so einen düsteren Namen trägt: Totensonntag – oder etwas weniger düster aber schwerer: Ewigkeitssonntag.

Er symbolisiert für mich einen Kern der monotheistischen Religionen. An diesem Tag gedenken wir der Tatsache – für Agnostiker: der Möglichkeit –, dass es ein Regelsystem außerhalb unserer weltlichen Regeln gibt. Wir kennen uns in unserer Welt ganz gut aus. Wir wissen, was wir zu erwarten haben und was uns zusteht. Wir haben ein Gefühl für Gerechtigkeit. Nach diesem Leben wird aber ein anderer Maßstab an uns gelegt.

Im Evangelium nach Matthäus ist eine Weltgerichtsszene beschrieben, wo Jesus als König und Richter der Welt die Menschen einteilen wird, wie ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet. Dann wird er zu denen zu seiner Rechten sagen (Matthäus 25, 34–40):

Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen? Oder nackt und haben dich gekleidet? Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.

Auf dem Totenbett interessiert nicht mehr, ob wir in unserem Leben ein hochrangiger Politiker waren, ein Wirtschaftsboss oder ein Hochschulprofessor. Auf dem Totenbett werden wir wieder gleich; Sterbliche. Und nach dem Tod werden wir gerichtet.

Wenn in der Kapuzinergruft in Wien ein Habsburger Kaiser beigesetzt wurde, gab es eine interessante Zeremonie. Ein Herold geht dem Trauerzug voran. Er klopft an die Tür zur Gruft. Ein Kapuzinermönch fragt von innen, wer Einlass begehre. Der Herold antwortet mit der Aufzählung aller weltlichen Titel und Ränge des Verstorbenen. Von drinnen heißt es: „Wir kennen ihn nicht!“ Dann klopft der Herold ein zweites Mal und beantwortet die Frage mit der Kurzform der Titel. Auch hier lautet die Erwiderung: „Wir kennen ihn nicht!“ Nach dem dritten Klopfen antwortet der Herold auf die Frage: „Ein sterblicher und sündiger Mensch.“ Nun erhält der Verstorbene Einlass in die Gruft.

Zum Tod von Leonard Cohen

Heute Morgen erreichte mich die Nachricht, dass gestern Leonard Cohen im Alter von 82 Jahren gestorben ist. In diesem Alter aus der Welt zu scheiden, ist kein schwerer Schicksalsschlag. Und ihn weiß ich mehr als alle anderen am Thron des Herrn stehend und singend. Aber ohne Cohen wird es in dieser Welt gleich noch bisschen kälter und einsamer.

Seine Lieder werden bleiben. Und was für Lieder! Ich könnte Top-Five-Listen für jedes einzelne Album erstellen und hätte das Gefühl, wichtige Lieder unterschlagen zu haben.

Statt eine solche Liste aufzustellen, möchte ich ein Prosagedicht aus dem 1984 erschienenen Book of Mercy zitieren, zu dem ich auch eine ganz persönliche Beziehung habe. Kerstin hieß meine beste Freundin in meinem Abiturjahrgang. Nach der Schule saßen wir manches Mal im Karstadt-Restaurant und unterhielten uns bei Bechern von Kaffee über Gott und die Welt, Literatur und Musik. Durch sie habe ich z.B. Billy Bragg kennengelernt. Bei einem dieser Treffen geschah es, dass wir uns gleichzeitig eine Neuentdeckung vorlesen wollten. Ich erhielt der Vortritt und las das folgende Prosagedicht von Cohen. Kerstin lächelte. Sie hatte dasselbe Gedicht ausgesucht.

I heard my soul singing behind a leaf, plucked the leaf, but then I heard it singing behind a veil. I tore the veil, but then I heard it singing behind a wall. I broke the wall, and I heard my soul singing against me. I built up the wall, mended the curtain, but I could not put back the leaf. I held it in my hand and I heard my soul singing mightily against me. This is what it’s like to study without a friend.

Vielen Dank, Leonard Cohen!

Slow West – die Moritat von Jay Cavendish

Welch ein Glück, dass die Welt rund ist! Diese Tatsache hat Kolumbus nicht nur Amerika entdecken lassen,sie gibt auch der Sehnsucht nach dem Westen immer mal wieder neuen Schwung. Denn im Gegensatz zu den Himmelsrichtungen Norden und Süden, gibt es für Ost und West keine definierten Extreme. Immer kommen unzivilisierte Horden aus dem Osten, immer fliehen die Träumer, die Visionäre, die Edelmütigen in den Westen. Das wusste auch schon der klassische Philologe J. R. R. Tolkien und ließ seine Elben sich nach dem Westen sehnen.

Aus dem ganz weiten Westen kam im vergangenen Jahr ein Film, der dem Genre des Western ein ganz neues Leben einhaucht: Slow West, Langfilmdebüt des Schotten John Maclean, der auch das Drehbuch schrieb. Gedreht wurde der Film in Neuseeland mit einer Reihe von neuseeländischen Schauspielern in den Nebenrollen und Michael Fassbender sowie Kodi Smit-McPhee in den beiden Hauptrollen.

Schon 2007 wurde zur Veröffentlichung von No Country for Old Men von Coen-Brüdern über die Wiedergeburt des Western geschrieben. Für mich befinden sie sich allerdings in einer Phase des späten Post-Spät-Western, wenn man es so beschreiben mag. Slow West nun ist ein echter Neo-Western.

Er hat alle Bestandteile eines klassischen Western: Pferde; Revolver; Indianer, die von Weißen gemordet werden; ein Greenhorn; Kopfgeldjäger, die nach steckbrieflich Gesuchten fahnden; harter Alkohol; Lagerfeuer und Sternenhimmel; die Bewegung Richtung Westen und schließlich der Showdown, der in diesem Fall nicht versöhnlich, sondern ganz der Tradition der Spät-Western folgend tragisch endet. Und doch erinnert der Film mehr an die Geschichte, die uns ein Bänkelsänger auf einem europäischen Markt vorsingt. Später wird das Hausmädchen diese Moritat nun als Küchenlied an das restliche Personal weitergeben. Doch was ist denn nun passiert?

Wir begegnen dem jungen und verliebten Jay Cavendish. Durch Rückblenden erfahren wir, dass er, Neffe des schottischen Lord Cavendish, sich in ein einfaches Bauernmädchen verliebt hat. In einem Streit zwischen dem Vater des Bauernmädchens und dem Lord kommt es zu einem tragischen Unfall. Der Lord stirbt. Vater und Tochter fliehen aus Schottland nach Amerika. Nun hat sich der 16-Jährige nach Amerika aufgemacht, um sie zu suchen. Ein Kopfgeldjäger nimmt ihn unter seine Fittiche, erst für einen kleinen Zuverdienst, dann um durch ihn das Mädchen, auf dessen Kopf bereits 2.000 Dollar (im 19. Jahrhundert viel Geld) ausgesetzt sind, schnell zu finden, schließlich aber, um mit ihm zusammen, dem Mädchen zu helfen. Das Mädchen wird den großen Showdown überleben. Aber das streut dem Jungverliebten nur noch mehr Salz in die Wunde. Wer den Film gesehen hat, möge mir diesen Scherz verzeihen. Wie die kleine Holzhütte zusammengeschossen wird, ist eines der vielen Zitate aus klassischen und späten Western. Ich denke da an das Ende von The Wild Bunch (1969) oder auch eine frühe Szene aus Pat Garret & Billy the Kid (1973), beide von Sam Peckinpah. Slow West ist ein Film, den ich nicht verpasst haben möchte!

Über die Leistungen von Michael Fassbender muss ich wohl nichts schreiben: Allein im letzten Jahr haben wir ihn neben seiner Rolle als Kopfgeldjäger Silas noch als Lord Macbeth und Steve Jobs gesehen. Er hat mit Regisseuren wie Ridley Scott, Steve McQueen und Steven Soderbergh gearbeitet. Und seit 2011 gibt er in den X-Men-Filmen den Magneto.

Kodi Smit-McPhee ist ein australischer Jungschauspieler, der in diesem Jahr 20 werden wird. Mir ist er zum ersten Mal aufgefallen in Let me in (2010), dem US-amerikanischen Remake des schwedischen Horrorfilms Let the Right One In (2008), für den ich an dieser Stelle auch gleich eine Empfehlung aussprechen möchte. 2013 habe ich ihn in A Birder’s Guide to Everything gesehen. Auch ein wunderbarer Film. In diesem Jahr werden sich Smit-McPhee und Fassbender auf der Leinwand in X-Men: Apocalypse wieder begegnen. Ich glaube, wir werden noch einige Filme mit diesem Schauspieler zu sehen bekommen. Ich bin gespannt.

Link
slowwestmovie.com