Nach meiner Lobeshymne auf den Film Slow West keimte in mir die Idee einer Top-Five-Liste von Kinder- oder Jugendstars, die im Erwachsenenalter weiterhin erfolgreich und vor allem auch an anspruchsvollen Produktionen beteiligt sind. Ironischer Weise fällt die Verwirklichung dieser Idee auf den 12. Februar, der seit 2002 als Red Hand Day international bekannt ist. Im Deutschen lautet der Name etwas sperrig: Internationale Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten.
Doch so unpassend ist der Zeitpunkt auf den zweiten Blick gar nicht. Zum einen führt das umso deutlicher vor Augen, welche Luxusprobleme die westliche Welt im Gegensatz zu den Krisenherden unserer Zeit entwickelt hat. Andererseits sind die Schicksale mancher ehemaliger Kinderstars in ihrer Traurigkeit und Grausamkeit denen der Kindersoldaten nicht ganz unähnlich. Allzu oft endet der scheinbar glückliche Weg in Drogenabhängigkeit und Selbstmord. Corey Haim durfte immerhin 38 werden. Jonathan Brandis nahm sich mit 27 das Leben. Und ob das Leben eines Macaulay Culkin wirklich ein beneidenswertes ist, lassen wir mal dahingestellt.
Trotzdem ist der Vergleich von Leid aus zwei sehr verschiedenen Welten immer etwas anrüchig. Es bleibt wohl doch der Begriff des Luxusproblems an den Kinder- und Jugendstars haften, wenn wir sie neben die Kindersoldaten aus Afrika stellen. Und ich habe mich mit meinem Eintrag kräftig verrannt.
Hier nun meine kleine Top-Five-Liste von Schauspielern, die mir als Kinder oder Jugendliche zum ersten Mal aufgefallen sind, die aber als Erwachsene immer noch oder jetzt erst recht in anspruchsvollen Produktionen mitwirken. Leonardo DiCaprio ist nicht mit in der Liste, obwohl ich seine Filme sehr schätze; aber der wird ja nun in diesem Jahr – genauer in gut zwei Wochen – sicherlich seinen Oscar erhalten. Dann braucht er keine Nennung auf einer meiner Top-Five-Listen:
- Paul Dano (*1984) – Die Hauptrolle in L.I.E. – Long Island Expressway (2001) neben Brian Cox war der Startschuss für eine großartige Karriere. In The Emperor’s Club war er 2002 in einer Nebenrolle im Kreise vieler junger Schauspieler zu sehen. Little Miss Sunshine (2006), There Will Be Blood (2007), The Good Heart (2009) und Taking Woodstock (2009) sind weitere Filme mit Dano, die man gesehen haben sollte. 2015 sah ich ihn in Youth, der auf deutsch Ewige Jugend betitelt wurde.
- Jamie Bell (*1986) – Im Jahr 2000 war wohl jeder verzaubert von Billy Elliot. Mittlerweile produziert in London das von Elton John geschaffene Musical neue Kinderstars im Jahrestakt. Die Filme Undertow (2004), Dear Wendy (2005), The Chumscrubber (2005) hätten mehr Beachtung verdient als der im gleichen Jahr erschienene King Kong von Peter Jackson, in dem Bell eine Nebenrolle hatte. Hallam Foe (2007) und Eagle (2011) sind die letzten Filme, die ich mit ihm gesehen habe. Das heißt aber nicht, dass Jamie Bell untätig war.
- Keir Gilchrist (*1992) – 2003 ein kleiner Auftritt in der dritten Staffel von Queer as Folk (US) und 2004 eine Nebenrolle in Saint Ralph sind mir damals gar nicht aufgefallen. Die Serie United States of Tara (2009-2011) war meine erste bewusste Begegnung mit Gilchrist. Danach habe ich noch gesehen: It’s Kind of a Funny Story (2010), It Follows (2014) und The Stanford Prison Experiment (2015), was wieder eine Ansammlung junger hoffnungsvoller Schauspieler ist.
- Will Poulter (*1993) – Son of Rambow (2007) hieß der erste Kinofilm mit Poulter. Ein herrlicher Kinderfilm, der sehr gut auch in erwachsenen Runden geschaut werden kann. Dann war er im britischen Fernsehen mit der School of Comedy zu sehen, bevor er in den Kreis der Narnia-Schauspieler erhoben wurde. We’re the Millers von 2013 steht noch in meinem DVD-Regal. Und 2015 steht er gemeinsam mit Leonardo DiCaprio für The Revenant vor der Kamera.
- Kodi Smit-McPhee (*1996) – Für ihn ist es eigentlich noch zu früh. Erst im Sommer wird er dem Teenager-Alter entwachsen sein. Ich habe ihn 2010 in Let Me In und Matching Jack gesehen, dann 2013 in A Birder’s Guide to Everything. Dass er auch mal Geld verdient mit einer Nebenrolle im Dawn of the Planet of the Apes, möchte ich ihm nicht vorwerfen. Bisheriges Highlight ist auf jeden Fall der nun schon mehrfach erwähnte Slow West (2015).
Kaum bin ich fertig mit der Liste, fällt mir auf, wie unfair ich bin gegenüber deutschen Schauspielern. Keine Angst, an die Ochsenknechts habe ich nicht gedacht. Aber Marek Harloff, Kostja Ullmann und – Trommelwirbel – Tom Schilling gehören natürlich auch auf Spitzenplätze. Das schreit ja fast nach einer neuen Liste allein für deutsche Schauspieler.
Links
redhandday.org
aktion-rote-hand.de
child-soldiers.org
kindersoldaten.info
childreninfilm.com
spiegel.de/…/vergessene-kinderstars