Archiv für den Monat: April 2016

Todestag fünf völlig verschiedener Menschen

Selbstverständlich sind schon an jedem Tag, den der Kalender für uns bereithält, Tausende gestorben. Ich interessiere mich dann für bestimmte Häufungen. Diese müssen in keiner Weise wissenschaftlichen Untersuchungen standhalten. Ich gehe mal davon aus, dass gemeinsame Todestage über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg Zufall sind, wenn sie nicht durch Anschläge,Selbst- oder Ritualmorde bewusst herbeigeführt wurden. Aber ich schweife ab.

Tatsächlich kommt mir die Liste antiker und mittelalterlicher Persönlichkeiten für diesen Tag ein wenig dünn vor. Heute möchte ich in einer (wieder nur zeitlich sortierten) Top-Five-Liste fünf [sic!] Personen ehren, die aus unterschiedlichen Gebieten kommen und doch jeder für sich eine nachhaltige Wirkung auf uns haben.

  1. Ferdinand Magellan (1480–1521) – Er gilt als der erste Weltumsegler, obwohl er sie nicht abgeschlossen hat. Er wurde auf der philippinischen Insel Mactan getötet. Seine Matrosen, die das großartige Projekt ohne Magellan beendeten, wurden die ersten Weltumsegler, allen voran Enrique Melaka, der Sklave und Dolmetscher Magellans. Er stammte von den philippinischen Inseln und kam im April 1521 von seiner Weltumrundung wieder in der Heimat an.
  2. Ferdinand Reich (1799–1882) – Der aus Bernburg stammende Chemiker und Physiker wirkte vor allem an der Bergakademie in Freiberg. Bei spektralanalytischen Untersuchungen der schwarzen Zinkblende entdeckte und benannte er das chemische Element Indium, das uns heute in Flachbildschirmen und Touchscreens begegnet.
  3. Montgomery Rufus Karl Siegfried Straube (1873–1950) – Der Thomaskantor und 11. Bachnachfolger ist meist nur als Karl Straube bekannt. Den Lebensdaten entnimmt man bereits eine zeitliche Nähe zum Faschismus. 1926 trat er das erste Mal der NSDAP bei. Unter seiner Leitung trat der Thomanerchor in HJ-Uniformen auf. Nun kann man natürlich sagen, dass das Amt des Thomaskantors sich nicht für den Widerstand eignet. Doch als ein moralischer Kompass sollte uns sein Leben wohl nicht dienen. Technisch brach unter ihm aber eine wirklich neue Zeit an. Von 1931 bis 1937 führte er nicht nur sämtliche Bachkantaten zu den Sonntagen auf, es wurde auch der erste im Rundfunk übertragene Kantatenzyklus.
  4. Ruth Handler (1916–2002) – Sie machte aus einer Mannequin-Puppe ein Kinderspielzeug für ihre Tochter Barbara. Der Name der Tochter ist im Diminutiv heute der ganzen Welt bekannt: Barbie. Die unrealistischen Maße werden häufig kritisiert, da sie den Kindern ein falsches Bild vermittelten. Man kann dem entgegenhalten, dass aus den Prinzessinnen der Kinderspiele auch äußerst selten reale Königinnen werden. Ruth Handler erkrankte in den 70er Jahren an Brustkrebs. Das nahm die Unternehmerin zum Anlass, neben Mattel die Firma Nearly Me zu gründen, um Brustkrebspatientinnen mithilfe von Brustprothesen ein neues Selbstwertgefühl zu geben. Beide Unternehmen gibt es heute noch.
  5. Dorothee Sölle (1929–2003) – Den Namen kennen viele aus dem Religionsunterricht. Sie steht für eine diesseitige Theologie, inklusive Emanzipation und Ökologie, wie kaum eine andere. Sie sagt: „Theologisches Nachdenken ohne politische Konsequenzen kommt einer Heuchelei gleich. Jeder theologische Satz muss auch ein politischer sein.“ Mit diesen Gedanken verknüpft ist auch die Theologie nach dem Tode Gottes.

Rom, Bangkok, Brasília

Am 21. April im Jahre 753 v. Chr. soll Romulus auf sieben Hügeln am Tiber die Stadt Rom begründet haben. Selbstverständlich ist das Datum nur Legende. Aber heute ist ein guter Tag, um sich ihrer zu erinnern. Romulus war nicht nur der erste König Roms, er war auch der erste Brudermörder der römischen Geschichte. Aber der Brudermord scheint bei vielen Geschichten eine Art Anfang zu markieren.

Ebenfalls an einem 21. April, nämlich 1782, wurde Bangkok zur Hauptstadt Siams (heute Thailand) erhoben. 15 Tage vorher hatte Rama I. den Thron bestiegen. Feierlich krönen ließ er sich erst 1785, nachdem er das Land durch erste Reformen konsolidiert sah. Rama I. begründete die Chakri-Dynastie, die bis heute in Thailand herrscht.

Die dritte Hauptstadt, die mit dem 21. April verbunden bleibt, ist Brasília. Sie wurde 1960 gegründet, nachdem der Bau der Planstadt vier Jahre zuvor von Lúcio Costa und Oscar Niemeyer begonnen wurde. Dieser Neubau einer Stadt mitten im brasilianischen Regenwald wurde sehr unterschiedlich bewertet. Niemeyer selbst bezeichnete 2001 in einem Interview das Experiment als gescheitert. 1987 wurde die Stadt in die Liste des UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen.

Spendenrallye der VILLA 2016

Am letzten Sonntag hat das Soziokulturelle Zentrum Die VILLA ihre diesjährige Spendenrallye eröffnet. Zehn verschiedene Projekte, die unter dem Dach der VILLA entstehen sollen, werden kurz vorgestellt und werben um finanzielle Unterstützung. In vier Etappen schaut der Förderverein, welches Projekt:

a) die größte Spendensumme,
b) die höchste Einzelspende,
c) die meisten Spenden

erhalten hat. Diese Projekte werden dann jeweils mit noch einmal 150 EUR belohnt. Ich finde selbstverständlich alle aufgelisteten Projekte unterstützenswert. Aber mein Herz schlägt besonders für die Neuanschaffung zweier Gitarren für die OpenStage, die jeden Montag im Keller der VILLA stattfindet.

Es darf gespendet werden: http://villa-leipzig.de/spendenrallye/

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Todestag wichtiger Mathematiker und Physiker

Immer mal wieder, wenn ich mir die Liste von Geburts- und Todestagen auf der Wikipedia anschaue, fällt mir eine Häufung auf, die selbstverständlich eine zufällige ist, die in mir aber trotzdem das Gefühl der Besonderheit des Tages für ein bestimmtes Themenfeld entstehen lässt. Heute ist ein solcher Tag, nämlich ein Tag der Mathematik und Physik. Das liegt selbstverständlich vor allem am Todestag Albert Einsteins vor nunmehr 61 Jahren. Aber seht selbst in meiner Top-Five-(+4)-Liste bedeutender Mathematiker und Physiker, die an einem 18. April starben (aufsteigend in zeitlicher Reihenfolge):

  1. John Graunt (1620–1674) – Unter dem englischen König Charles II. versuchte der Kurwarenhändler, aus den Sterberegistern Londons eine Frühwarnsystem für Pestepedemien zu entwickeln. Das gelang ihm nicht. Aber er ist ein früher Vertreter der systematischen Datenauswertung, schlicht der modernen Statistik.
  2. Édouard Albert Roche (1820–1883) – Nach diesem französischen Mathematiker und Astronom ist unter anderem die Roche-Grenze benannt, das ist die Schwelle, an der die Gravitationskraft eines Himmelskörpers der Gezeitenkraft eines anderen erliegt.
  3. John Ambrose Fleming (1849–1945) – Auf den Erkenntnissen Edisons aufbauend ist der Brite Fleming der eigentliche Erfinder der Elektronenröhre. Mit dieser Erfindung begann das Elektronikzeitalter.
  4. Albert Einstein (1879–1955) – Fast berühmter als seine Arbeiten innerhalb der Physik sind heute wohl seine wirren Haare, seine herausgestreckte Zunge und ein paar Sätze über die Unendlichkeit der menschlichen Dummheit, die gerne immer wieder auf Facebook zitiert werden.
  5. Piet Hein (1905–1996) – Er studierte an der Kopenhagener Universität theoretische Physik. Seine wohl bekannteste Leistung hat allerdings eine ganz praktische Auswirkung: die Superellipse. Im Auftrag der Stadt Stockholm entwickelte er die Superellipse als Kompromiss zwischen Kreis und Quadrat, bzw. Ellipse und Rechteck beim Straßenbau. Der Kreisverkehr auf dem Sergels torg in Schwedens Haupstadt ist also rein mathematisch keiner …
  6. Gian-Carlo Rota (1932–1999) – Die moderne Kombinatorik ist von diesem US-Amerikaner italienischer Abstammung geprägt. Seitdem ist die Kombinatorik als mathematisches Fach anerkannt und nicht mehr nur eine Sammlung von Einzelproblemen. Das brachte ihm zahlreiche Ehrendoktorwürden ein. Die längste Zeit arbeitete er am berühmten MIT.
  7. István Vincze (1912–1999) – Vincze ging den beruflichen Umweg über eine Versicherungsgesellschaft und das Bildungsministerium, bevor er sich als Professor in Budapest mit Lehre und Forschung beschäftigte. Seine Themen waren u.a. die parameterfreie Statistik und die Informationstheorie.
  8. Edgar Frank Codd (1923–2003) – Der Brite leistete Entscheidendes für die heute allgegenwärtige Arbeit mit Datenbanken. Das System R stammt von ihm, das auch die Grundlage für SQL und Oracle lieferte. Mit 70 Jahren setzte er mit dem OLAP-Begriff noch einmal Maßstäbe. Er formulierte 12 (später 18) Regeln für ein On-Line Analytical Processing.
  9. Curt Meyer (1919–2011) – Bei Meyer tue ich mich ein wenig schwer, sein Schaffen in kurzen, griffigen Worten zu beschreiben, allein schon, weil ich es nicht verstehe. Es bleibt dabei, dass er ein Mathematiker mit Wikipedia-Eintrag ist. Und heute ist die fünfte Jährung seines Todestages.

Dazu kämen jetzt eigentlich noch die Schachmeister: Rudolf Charousek, Leonid Iwanowitsch Kubbel, Klaus Junge. Auch der Chemiker Justus von Liebig starb an einem 18. April, sowie die Botaniker Léon Dufour und Nicolas-Théodore de Saussure. Aber irgendwo muss man ja die Grenze ziehen. Schließlich erwähne ich ja auch nicht den deutschen Barockdichter Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau oder den norwegischen Anthropologen Thor Heyerdahl.

Macha, ein Alphabet und die Selbstwirksamkeit

Seit Jahren und Jahrzehnten bin ich im Internet. Gehöre ich auch nicht zu der Generation der digital natives, habe ich als Student wichtige Phasen der Computerisierung und der Geburt des Internet mitverfolgen können. Ich habe auch schon seit zwei Jahrzehnten eigene Websites, die ersten noch voller Hochachtung mit fremder Hilfe, die späteren bis heute selbst erstellt.

Ich muss gestehen, ein wenig unzufrieden bin ich mit der Wirksamkeit meiner Aktivitäten. Man schreibt und rackert, aber häufig hat man den Eindruck, es interessiere praktisch niemanden. Doch dann passieren so besondere Dinge, die einen wieder mit dem eigenen Schicksal versöhnen.

Auf der Suche nach einer englischen Übersetzung des Gedichts Mai vom tschechischen Romantiker Karel Hynek Mácha stieß ich auf einen deutschen Blogeintrag aus dem Jahre 2012, in dem ein Alphabet vorgestellt wird, welches wiederum vom mährischen Grafiker Jakub Konvica nach Motiven aus dem Gedicht Máchas entworfen wurde. Und ganz nebenbei steht da, dass man das Gedicht auf Deutsch auf der Website vatermoerder.de lesen könne – mit Link.

Schön!

http://seite360.de/2012/03/13/handgezeichnetes-alphabet/
http://kyuu.eu/may.htm

Terezin/Theresienstadt im Frühling

Ich bin dieser tage ein wenig blogschreibfaul geworden. Auch heute wird es keinen langen Eintrag geben, nur eine kurze Wasserstandsmeldung. Am Wochenende war ich in Tschechien gemeinsam mit dem neuseeländischen Dichter David Howard, der sich für zwei Monate in Prag aufhält. Ich habe ihm zwei Orte zeigen dürfen, die ich für wichtige Stätten der tschechischen Geschichte halte: Litoměřice (Leitmeritz) und Terezín (Theresienstadt).

In Litoměřice besuchten wir eine Kunstausstellung. Arbeiten von Josef Lada (1887–1957). Den Namen werden wohl nur sehr wenige kennen. Einige seiner Bilder sind aber recht bekannt. Tschechische Kinderbücher wurden von ihm geschrieben und gemalt, z.B. die Geschichte vom Kater Mikesch. Und von ihm stammen auch die sehr bekannten Bilder zu den Abenteuern des braven Soldaten Schwejk von Jaroslav Hašek.

20160402_155125David und mich hat die Besichtigung des KZ Theresienstadt sehr bedrückt. Auf dem Bild sind Pappurnen zu sehen, in denen die Asche der verbrannten Insassen aufbewahrt wurden. Theresienstadt war eine besondere Perversion der Nationalsozialisten. Es wurde als Muster-Anlage sogar der internationalen Öffentlichkeit vorgeführt. Eine Delegation des Roten Kreuzes inspizierte 1944 das Lager, ohne jedoch mit den Häftlingen zu sprechen. Die Nazis machten daraus einen Propagandafilm über das KZ: Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet. Bekannt ist daraus der schäbige Satz: „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt.“

Es ist so passend, gerade heute darüber zu schreiben. Heute vor 75 Jahren wurde der NS-Propagandafilm Ohm Krüger in Berlin uraufgeführt. Darin werden die südafrikanischen Buren als edle Opfer britisch-imperialistischer Gewaltherrschaft stilisiert. Emil Jannings spielt die Titelfigur Paul Krüger. Der Film wird im Rahmen von Bildungsveranstaltungen heute noch gezeigt. Vor 25 Jahren verstarb Max Frisch, der sich in seinem Stück Biedermann und die Brandstifter mit unserem Verhalten bei vorhersehbarem Unheil beschäftigt. Man sollte das Stück in Sachsen mal wieder inszenieren.

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Dann fuhren wir weiter nach Prag. Ich habe es genossen, mit dem Dichter, den ich auch schon übersetzt habe, endlich ganz entspannt einen Wein zu trinken und über Gott und die Welt – und natürlich die Lyrik – zu reden. Ein gutes und volles Wochenende war das.

 

 

Links
http://www.litomerice-info.cz/de/
http://galerie-ltm.cz/
http://www.terezin.cz/
http://www.bookcouncil.org.nz/writers/howarddavid.html