Archiv für den Tag: 12. Januar 2022

Top-Five-Liste von Geburtstagskindern

Vor einigen Jahren habe ich meinen Blog mit Top-Five-Listen geflutet. Mittlerweile besteht er hauptsächlich aus Kalenderblättern und Fußballbildern. Da wird es wohl Zeit für eine neue Liste, um das Mischungsverhältnis wieder aufzuwerten.

Ich beginne zaghaft mit einer gemischten Liste von Geburtstagskindern, die – mal mehr, mal weniger – mir in meinem Leben begegnet sind (in zeitlicher Reihenfolge der Geburt):

  • Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) – Mein Erstkontakt mit Pestalozzi war kein rühmlicher. In meiner Heimatstadt gibt es eine Förderschule, die seinen Namen trägt. Und auf dem Pausenhof meiner Grundschule war Pestalozzischüler ein gängiges Schimpfwort.
  • Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848) – Die Vergeltung gehört für mich zu den schönsten Balladen in deutscher Sprache. Auf dem Lehrter Gymnasium habe ich sie auswendig gelernt. Einige Strophen habe ich bis heute im Kopf. Unter dieser Liste habe ich sie aber doch nicht getippt, sondern kopiert und eingefügt.
  • Jack London (1876–1916) – Ich war in meiner Jugend kein Karl-May-Fan. Aber die Erzählungen Jack Londons habe ich sehr gern gelesen. Als junger Erwachsener hat mich sein literarischer Umgang mit seinem Alkoholismus fasziniert.
  • David Wechsler (1896–1981) – Der rumänisch-stämmige Psychologe hat die Intelligenzforschung entscheidend voran gebracht. Er schlug vor, den IQ als eine Abweichung vom Mittelwert zu beschreiben. Bis heute ist sein Einfluss auf gängige Intelligenztests spürbar.
  • Maharishi Mahesh Yogi (1918–2008) – Der Begründer der Transzendentalen Meditation wurde in der westlichen Welt vor allem dadurch bekannt, dass u.a. die Beatles ihm nach Indien folgten, nur kurz zwar, aber ausreichend, um der Hippie-Bewegung deutliche Impulse zu geben.

Die Vergeltung.
I.
Der Kapitän steht an der Spiere,
Das Fernrohr in gebräunter Hand,
Dem schwarzgelockten Passagiere
Hat er den Rücken zugewandt.
Nach einem Wolkenstreif in Sinnen
Die Beiden wie zwei Pfeiler sehn,
Der Fremde spricht: „was braut da drinnen?“
„Der Teufel,“ brummt der Kapitän.

Da hebt von morschen Balkens Trümmer
Ein Kranker seine feuchte Stirn,
Des Aethers Blau, der See Geflimmer,
Ach, Alles quält sein fiebernd Hirn!
Er läßt die Blicke, schwer und düster,
Entlängs dem harten Pfühle gehn,
Die eingegrabnen Worte liest er:
„Batavia. Fünfhundert Zehn.“

Die Wolke steigt, zur Mittagsstunde
Das Schiff ächzt auf der Wellen Höhn,
Gezisch, Geheul aus wüstem Grunde,
Die Bohlen weichen mit Gestöhn.
„Jesus, Marie! wir sind verloren!“
Vom Mast geschleudert der Matros‘,
Ein dumpfer Krach in Aller Ohren,
Und langsam löst der Bau sich los.

Noch liegt der Kranke am Verdecke,
Um seinen Balken fest geklemmt,
Da kömmt die Fluth, und eine Strecke
Wird er in’s wüste Meer geschwemmt.
Was nicht geläng‘ der Kräfte Sporne,
Das leistet ihm der starre Krampf,
Und wie ein Narwal mit dem Horne
Schießt fort er durch der Wellen Dampf.

Wie lange so? er weiß es nimmer,
Dann trifft ein Stral des Auges Ball,
Und langsam schwimmt er mit der Trümmer
Auf ödem glitzerndem Kristall.
Das Schiff! — die Mannschaft! — sie versanken.
Doch nein, dort auf der Wasserbahn,
Dort sieht den Passagier er schwanken
In einer Kiste morschem Kahn.

Armselge Lade! sie wird sinken,
Er strengt die heisre Stimme an:
„Nur grade! Freund, du drückst zur Linken!“
Und immer näher schwankt’s heran,
Und immer näher treibt die Trümmer,
Wie ein verwehtes Mövennest;
»Courage!« ruft der kranke Schwimmer,
„Mich dünkt ich sehe Land im West!“

Nun rühren sich der Fähren Ende,
Er sieht des fremden Auges Blitz,
Da plötzlich fühlt er starke Hände,
Fühlt wüthend sich gezerrt vom Sitz.
„Barmherzigkeit! ich kann nicht kämpfen.“
Er klammert dort, er klemmt sich hier;
Ein heisrer Schrei, den Wellen dämpfen,
Am Balken schwimmt der Passagier.

Dann hat er kräftig sich geschwungen,
Und schaukelt durch das öde Blau,
Er sieht das Land wie Dämmerungen
Enttauchen und zergehn in Grau.
Noch lange ist er so geschwommen,
Umflattert von der Möve Schrei,
Dann hat ein Schiff ihn aufgenommen,
Viktoria! nun ist er frei!

II.
Drei kurze Monde sind verronnen,
Und die Fregatte liegt am Strand,
Wo Mittags sich die Robben sonnen,
Und Bursche klettern über’n Rand,
Den Mädchen ist’s ein Abentheuer
Es zu erschaun vom fernen Riff,
Denn noch zerstört ist nicht geheuer
Das gräuliche Corsarenschiff.

Und vor der Stadt da ist ein Waten,
Ein Wühlen durch das Kiesgeschrill,
Da die verrufenen Piraten
Ein Jeder sterben sehen will.
Aus Strandgebälken, morsch, zertrümmert,
Hat man den Galgen, dicht am Meer,
In wüster Eile aufgezimmert.
Dort dräut er von der Düne her!

Welch ein Getümmel an den Schranken! —
„Da kömmt der Frei — der Hessel jetzt —
Da bringen sie den schwarzen Franken,
Der hat geläugnet bis zuletzt.“
„Schiffbrüchig sey er hergeschwommen,“
Höhnt eine Alte: „Ei, wie kühn!
Doch Keiner sprach zu seinem Frommen,
Die ganze Bande gegen ihn.“

Der Passagier, am Galgen stehend,
Hohläugig, mit zerbrochnem Muth,
Zu jedem Räuber flüstert flehend:
„Was that dir mein unschuldig Blut!
Barmherzigkeit! — so muß ich sterben
Durch des Gesindels Lügenwort,
O mög‘ die Seele euch verderben!“
Da zieht ihn schon der Scherge fort.

Er sieht die Menge wogend spalten —
Er hört das Summen im Gewühl —
Nun weiß er, daß des Himmels Walten
Nur seiner Pfaffen Gaukelspiel!
Und als er in des Hohnes Stolze
Will starren nach den Aetherhöhn,
Da liest er an des Galgens Holze:
„Batavia. Fünfhundert Zehn.