Archiv der Kategorie: Veröffentlichung

Geburtstag von Jakob van Hoddis

Mit dem Namen Jakob van Hoddis verbindet sich deutschunterrichtswirksam die Geburtsstunde des literarischen Expressionismus. Sein Gedicht Weltende traf den Puls seiner Zeit und hat, das wollen wir gleich durch die Wiedergabe des Textes zeigen, in unserer internetgestützten Nachrichtenwelt nicht an Aktualität verloren:

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei,
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Am 16. Mai 1887 wurde Jakob van Hoddis in Berlin als Hans Davidsohn geboren. 1911 erschien Weltende erstmalig in der Berliner Zeitschrift Der Demokrat. Seit 1912 ist sein Lebensweg geprägt durch seelische Krisen bis hin zur geistigen Umnachtung. In einem anderen Gedicht von 1911 schreibt er prophetisch: All meine Pfade rangen mit der Nacht. Nach vielen Klinikaufenthalten und Vormundschaft kam er 1933 in die Israelitischen Heil- und Pflegeanstalten in Bendorf-Sayn. 1942 wurden die Patienten mit dem Pflegepersonal verschleppt und ermordet. Wahrscheinlich starb van Hoddis im Vernichtungslager Sobibor an der heutigen polnisch-ukrainischen Grenze. Er wurde 55 Jahre alt.

55 Jahre nach der Veröffentlichung von Weltende und genau am Geburtstag dieses ersten Expressionisten erschien mit Pet Sounds nicht nur das wohl beste Album der Beach Boys sondern ein unverrückbarer Meilenstein der Rock- und Popmusik. Ewiger Konkurrent Paul McCartney sagte über das Album: Ich glaube, niemand weiß wirklich was über Musik, solange er dieses Album nicht gehört hat. Die Frustration über die folgende Beatles-Veröffentlichung (Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band), der steigende Drogenkonsum, Probleme bei der Kommunikation seiner Vision gegenüber seinen Mitmusikern und nicht zuletzt eine psychische Erkrankung verhinderten die weitere Karriere des Brian Wilson. Was wir bis heute von ihm hören, ist ein Wundenlecken. Auch darin ist er noch groß, aber nicht mehr olympisch.

Todestag von Magnus Hirschfeld

Heute ist der Geburts- und Todestag von Magnus Hirschfeld (1868–1935), dem Arzt und Sexualforscher, dem die heutige LGBT-Bewegung viel zu verdanken hat. Es bemühte sich, die Sexualwissenschaften zu einer eigenständigen Wissenschaft im Netz von Medizin und Psycholgie werden zu lassen. Sein in Berlin privat gegründetes Institut für Sexualwissenschaft wurde von den Nazis geschlossen.

Von ihm stammt der Begriff Drittes Geschlecht, den er später zugunsten des Begriffs der Zwischenstufen aufgab. Diese Aufhebung der geschlechtlichen Dualität ist einer der erste Schritte zu den Queer- und Genderstudies der letzten Jahre. Er prägte außerdem den Begriff Transvestit.

Auf seinem Grabstein in Nizza steht sein Lebensmotto: Per Scientiam ad Justitiam (Durch die Wissenschaft zur Gerechtigkeit). Er kämpfte darum, die Homosexualität aus dem Bereich des Strafgesetzbuches herauszuhalten. Aber er ging dabei einen vorsichtigen, besonnenen Weg, den manche Kritiker auch für einen Pakt mit den teuflischen Mächten hielten. So war er als Sachverständiger zu Fragen der Homosexualität auch immer wieder vor Gericht tätig, u.a. während der Harden-Eulenburg-Affäre vor dem ersten Weltkrieg, in der Hirschfeld beurteilen sollte, ob das Verleihen einen Stofftaschentuches Ausdruck von inniger aber heterosexueller Freundschaft sei oder Zeichen einer homosexuellen Beziehung. Der Kabarettist Otto Reutter (1870–1931) dichtete dazu das Couplet Der Hrischfeld kommt:

Herr Dr. Magnus Hirschfeld ist ein Sachverständiger,
ja dieser Herr ist in Berlin jetzt riesig populär.
Der Hirschfeld hat, das geb ich zu, in manchen Punkten recht,
jedoch mir scheint beinah, er glaubt, die ganze Welt sei schlecht.
Er wittert überall Skandal.
Er hält fast keinen für normal.
Drum sieht man täglich in Berlin
Herrn Hirschfeld durch die Straßen ziehn.

Und jeder kriegt ’nen Schreck,
kommt Hirschfeld um die Eck!
Der Hirschfeld kommt!
Der Hirschfeld kommt!
Dann rücken alle aus.
Er holt aus allen Dingen sich noch was Verdecktes raus.
Der Hirschfeld sagt, selbst die Natur blamiert sich kolossal,
denkt an den letzten Sommer nur: Auch der war nicht normal!

Zur Köchin geht der Grenadier mit traurigem Gesicht.
Sie sagt zu ihm: Was ist mit dir? Du isst ja heute nicht!
Er sagt: Es schimpfen manche jetzt auf unser deutsches Heer.
So schlimm stehts doch noch lange nicht mit unserm Militär.
Das stimmt, sagt sie da inniglich,
für dich da garantiere ich!
Sei wieder froh, gib mir ’nen Kuß!
Heut nicht, sagt er da voll Verdruß.

In dem Moment, oh Schreck,
kommt Hirschfeld um die Eck.
Der Hirschfeld kommt!
Der Hirschfeld kommt!
Nun schwindet sein Verdruß.
Er geht auf seine Köchin los und gibt ihr einen Kuß.
Zum Hirschfeld sagt er ich bewies: Ich bin noch ganz normal!
Und Sie sagt Fritz, er zweifelt noch, beweis es schnell noch mal.

Wer heut nicht jedes Mädchen küsst, der kommt gleich in Verdacht,
bleibt heut ’ne Ehe kinderlos, dann wird er ausgelacht,
wer einen Buckel heutzutag, wer etwas lang und schmal
oder wer so dick ist als wie ich, der ist schon nicht normal.
Meinen kleinen Neffen Friederich,
den traf ich heut, dem schenkte ich,
’ne Zuckertüte, welche Pracht.
Doch grad, als er sie aufgemacht,

in dem Moment, oh Schreck,
kommt Hirschfeld um die Eck.
Der Hirschfeld kommt!
Der Hirschfeld kommt!
Steck schnell die Tüte ein!
Das Süße in der Tüte könnte sehr verdächtig sein.
Friß ganze Zuckertüten auf, das ist dem Mann egal,
aber pust nicht in die Tüte, sonst biste nicht normal.

’ne alte Jungfer sitzt vergnügt auf einer Bank im Freien,
hat auf dem Schoß ihren Mops, der schaut phlegmatisch drein,
er ist gesättigt und gepflegt, das Asthma plagt ihn sehr,
was sonst ein Hundeherz bewegt, das rührt ihn gar nicht mehr.
Zwei Hunde stelln sich zu ihm ran,
doch er schaut nur die Herrin an,
als wollte sagen er zu ihr:
Sei unbesorgt, ich bleib bei dir!

In dem Moment, oh Schreck,
kommt Hirschfeld um die Eck.
Der Hirschfeld kommt!
Der Hirschfeld kommt!
Nun springt der Mops vom Schoß,
jetzt läuft er wie der Deibel gleich auf beide Hunde los.
Den einen, den erwischt er noch, an ’nem Laternenpfahl.
Sonst schreibt ihn Hirschfeld auf und sagt: Der Mops ist nicht normal.

Ich hab mal früher nen Freund gehabt, jetzt sehn wir uns fast nie.
Wir haben früher „Du“ gesagt, jetzt sagen wir wieder „Sie“.
Wir gingen als Freunde Hand in Hand, das tun wir jetzt nicht mehr.
Nur kürzlich, an nem Regentag, kam er mir in die Quer.
Er war verschnupft und sprach:
Ich such vergebens nach ’nem Taschentuch!
Ich sprach: Nimm meins! Du tust mir leid.
Nimms schnell, es wird die höchste Zeit.

In dem Moment, oh Schreck,
kommt Hirschfeld um die Eck.
Der Hirschfeld kommt!
Der Hirschfeld kommt!
Das Tuch schnell wieder her!
Denn so ein Taschentuch vom Freund, das ist verdächtig sehr.
Das Taschentuch wird nicht benutzt, laß loofen, ’s ist egal,
wenn du dir jetzt die Neese putzt, dann biste nicht normal!

Meine liebsten dunklen Bands

In Leipzig hat das Wave-Gotik-Treffen hat begonnen – zum 25. Mal. Das erste habe ich 1992 gerade verpasst; denn ich bin erst im Sommer nach Leipzig gezogen. Von da an war ich aber auf immer wieder unterschiedliche Art mit der VILLA und dem WERK II verbunden, die ja zu den Keimzellen des WGT gehören.

Ich bin niemals ein Gruft im klassischen Sinn gewesen, hatte aber Gruft-Freunde. Und ich interessiere mich für Fantasy und klassischen Horror. Das ist auch wieder ein Berührungspunkt. Zur Feier des 25. WGT möchte ich mein CD-Regal durchgehen und eine Top-Five-Liste meiner liebsten dunklen Bands präsentieren, inklusive Anspieltipp. Natürlich wieder ohne Anspruch auf Vollständigkeit und völlig undogmatisch und in zufälliger Reihenfolge.

  1. Nick Cave & the Bad Seeds – Auf Nick Cave bin ich in meinen letzten zwei Schuljahren gestoßen. Der Ship Song war gerade als Single erschienen. Die Entwicklungen der letzten Jahre habe ich nicht mehr so verfolgt. Aber rückwärts bis zu seinen Anfängen ist er für mich interessant geblieben. Anspieltipp: People ain’t no good
  2. The Cure – Ich weiß tatsächlich überhaupt nicht, was Robert Smith in den letzten 10 bis 15 Jahren gemacht hat. Die Bloodflowers hatte ich noch einmal gehört, aber die haben mich nicht überzeugt. Die frühen „punkigen“ Cure sind auf jeden Fall die besseren. Die erste Single: Killing an Arab
  3. In the Nursery – Sie tauchten recht früh als eine der vielen Gruftbands auf Mixtapes auf. Dann hatte ich sie aus den Augen verloren. Jahre später sind sie mir mit Filmmusik zu klassischen Stummfilmen wieder begegnet. Der Anspieltipp ist daher auch gleich ein Filmtipp: Man with a Movie Camera
  4. Joy Division – Eigentlich war das gar nicht meine Musik. Und trotzdem hat sie mich bis heute nicht mehr losgelassen. Wie viel Frust kann man in ein Lied packen? Joy Division haben da Maßstäbe gesetzt. Anspieltipp: Iceage
  5. The Sisters of Mercy – Ich habe sie immer als die Popstars der Gruftszene empfunden. Mir gefielen die Anspielungen auf Leonard-Cohen-Texte. Ich habe sie lange nicht gehört. Gerade bin ich erstmal zu Wikipedia gegangen, um zu checken, ob es Andrew Eldritch überhaupt noch gibt. Anspieltipp: Something Fast

Pfingsten vorbereiten – Geist für alle

Am kommenden Wochenende ist Pfingsten, das WGT in Leipzig, der ESC in Stockholm usw. usf.

Das christliche Fest geht ein wenig unter; zumal es in seinem Inhalt auch viel zu abstrakt daherkommt. Das Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes. Was soll das sein? – Es ist vor allem das, was man in Stoßgebeten gerne mal Richtung Himmel schickt: Oh, Herr, lass Hirn regnen!

Um in diesem Bild zu bleiben: Ich habe eine witzige Website gefunden, die man als säkulare künstliche Bewässerung verstehen kann. Philosophische Thesen in Comicform. Absolute Leseempfehlung!!!

existentialcomics.com

John Stuart Mill und die Freiheit

Am 8. Mai 1873 starb der liberale Ökonom und Philosoph John Stuart Mill. Er war ein früher Verfechter der Emanzipation der Frau, überzeugter Anhänger des Utilitarismus und Schöpfer des Wortes Dsytopie zur Bezeichnung einer negativen Utopie.

Heute, am Tag der Befreiung, der, wie Richard von Weizsäcker 1984 sagte, auch ein Tag der Befreiung für Deutschland vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft war, möchte ich einen wichtigen Satz von Mill herausheben. Er ist aus seinem Werk On Liberty (1859):

That the only purpose for which power can be rightfully exercised over any member of a civilized community, against his will, is to prevent harm to others.

J. S. Mill nennt dies ein wirklich einfaches Prinzip (one very simple principle). Doch heute reiben wir uns die Schläfen wund, wann und wie denn nun die Freiheit eines Individuums eingeschränkt werden kann, bzw. wann auf offiziellem Weg ermittelt werden darf, ob ein solcher Fall eingetreten sei.

Ich spiele selbstverständlich auf Jan Böhmermann an, dessen Interview in der Wochenzeitung „Die Zeit“ gerade in aller Munde ist. Dem manchmal geistreichen Unterhaltungskünstler hat die große Öffentlichkeit nicht gut getan. Er versteigt sich zu einer Merkel-Kritik, die nur zeigt, dass er – wie viele – den eigentlichen Kern der Sache nicht verstanden hat. Von großen Teilen der Bevölkerung erwarte ich ja nichts anderes. Aber Böhmermann hätte die letzten Tage zum Nachdenken nutzen können.

Filetiert habe die Kanzlerin den Moderator und einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert. Na, das klingt jetzt aber dramatisch. Frau Merkel bekannte, dass das eigentliche Schmähgedicht für sie bewusst verletzend sei. Sie sagte dies dem Präsidenten der Türkei, aber sie sprach doch nicht ex cathedra. Ein solcher Satz hat, auch aus dem Munde der Bundeskanzlerin, keine konstituierende Wirkung. Und dass die Regierung letztendlich ein Verfahren zur Prüfung zulässt, so wie es in geltenden Gesetzen vorgesehen ist, lässt sich in meinen Augen schwer zu einem haltbaren Vorwurf nutzen.

Einen deutschen Ai Weiwei habe Angela Merkel aus ihm gemacht, sagt Böhmermann weiter. Da kann ich ihn beruhigen. Es gibt wohl nichts, was die Kanzlerin machen oder sagen könnte, um Böhmermanns Niveau zu heben, schon gar nicht auf das des großen Ai Weiwei. Selbstverständlich ist eine Voruntersuchung und ein letztendliches Strafverfahren keine angenehme Sache. Und über die menschliche Not Böhmermanns möchte ich mich nicht erheben. Ich glaube aber, Ai Weiwei wäre deutlich glücklicher, wenn er all seine gegen ihn gerichteten Ermittlungen und Verfahren in Deutschland und nach deutschem Recht erdulden müsste. Das sollten wir nicht vergessen.

Wir leben nicht in einer Welt der unbegrenzten Freiheit, die persönliche Freiheit ist genau so beschränkt wie die Presse- und die Kunstfreiheit. Und das ist gut so. Denn die Freiheit, die wir haben, soll für alle gelten.

Eins möchte ich noch sagen: Ich hoffe, dass Jan Böhmermann freigesprochen wird. Ich denke, dass er diese Nummer mit dem Schmähgedicht recht geschickt eingefädelt hat. Ihm liegt – und da muss ich eine Polemik zum Niveau Böhmermanns leicht revidieren – fast etwas Faustisches inne. Wir erinnern uns an der Tragödie zweiten Teil. In seinem letzten Monolog sagt Faust:

Solch ein Gewimmel möcht ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.
Zum Augenblicke dürft ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!

Diese letzten Worte lassen Mephisto an den Sieg der Wette glauben. Doch der Teufel hat nicht genau hingehört; Faust hat im Konjunktiv gesprochen. Ähnlich verhält es sich mit dem Schmähgedicht. Natürlich kann man nicht unter der Überschrift „Ich zeige euch mal, was man nicht machen darf“ ungestraft einen Mord begehen. Aber auf der verbalen Ebene ist ein solches Verfahren statthaft. Sonst befinden wir uns in einer von Monty Python beschriebenen Szene: „Es ist verboten, Jehova zu sagen!“ – Na, wer hat jetzt „Jehova“ gesagt?

Aber das gerichtlich untersuchen zu lassen, muss erlaubt bleiben. Wir leben in einem Rechtsstaat. Der wirkt manchmal etwas schwerfällig. Der Lynchmob ist da deutlich agiler. Möchte jemand tauschen?

Die Freiheit jedes Einzelnen zu bewahren und vor ausufernden Handlungen anderer zu schützen, ist ein fortwährender Aushandlungsprozess. Jan Böhmermann ist dieser Tage zu einem prominenten Beispiel geworden, einen tragischen Helden macht ihn das aber noch lange nicht. Der, nämlich Faust, sagte kurz vor den oben zitierten Worten noch den Satz, mit dem ich meinen Eintrag abschließen möchte:

Das ist der Weisheit letzter Schluss:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muss.

Kämpfen am 1. Mai

Als Freiberufler über die Rechte der Arbeitnehmer zu schwadronieren, ist wohl doch eher unpassend. Nun soll aber der 1. Mai ein Kampftag sein. Wäre heute nicht Sonntag, hätten wir ja trotzdem frei. Wofür kann man kämpfen? Da fallen mir sofort die LGBT-Rechte ein. Der US-amerikanische Singer/Songwriter Tom Goss kämpft ganz charmant für die Gleichstellung Homosexueller. Und seine Lieder kann man sich auch noch gut anhören.

Das Lied Son of a preacher man hat ja schon seit der Aufnahme von Dusty Springfield etwas Schlüpfriges. Nun wird es – meines Wissens erstmalig – in einem schwulen Kontext verwendet. War eigentlich schon länger fällig. Toll! Vielen Dank, Tom Goss!

Macha, ein Alphabet und die Selbstwirksamkeit

Seit Jahren und Jahrzehnten bin ich im Internet. Gehöre ich auch nicht zu der Generation der digital natives, habe ich als Student wichtige Phasen der Computerisierung und der Geburt des Internet mitverfolgen können. Ich habe auch schon seit zwei Jahrzehnten eigene Websites, die ersten noch voller Hochachtung mit fremder Hilfe, die späteren bis heute selbst erstellt.

Ich muss gestehen, ein wenig unzufrieden bin ich mit der Wirksamkeit meiner Aktivitäten. Man schreibt und rackert, aber häufig hat man den Eindruck, es interessiere praktisch niemanden. Doch dann passieren so besondere Dinge, die einen wieder mit dem eigenen Schicksal versöhnen.

Auf der Suche nach einer englischen Übersetzung des Gedichts Mai vom tschechischen Romantiker Karel Hynek Mácha stieß ich auf einen deutschen Blogeintrag aus dem Jahre 2012, in dem ein Alphabet vorgestellt wird, welches wiederum vom mährischen Grafiker Jakub Konvica nach Motiven aus dem Gedicht Máchas entworfen wurde. Und ganz nebenbei steht da, dass man das Gedicht auf Deutsch auf der Website vatermoerder.de lesen könne – mit Link.

Schön!

http://seite360.de/2012/03/13/handgezeichnetes-alphabet/
http://kyuu.eu/may.htm

Terezin/Theresienstadt im Frühling

Ich bin dieser tage ein wenig blogschreibfaul geworden. Auch heute wird es keinen langen Eintrag geben, nur eine kurze Wasserstandsmeldung. Am Wochenende war ich in Tschechien gemeinsam mit dem neuseeländischen Dichter David Howard, der sich für zwei Monate in Prag aufhält. Ich habe ihm zwei Orte zeigen dürfen, die ich für wichtige Stätten der tschechischen Geschichte halte: Litoměřice (Leitmeritz) und Terezín (Theresienstadt).

In Litoměřice besuchten wir eine Kunstausstellung. Arbeiten von Josef Lada (1887–1957). Den Namen werden wohl nur sehr wenige kennen. Einige seiner Bilder sind aber recht bekannt. Tschechische Kinderbücher wurden von ihm geschrieben und gemalt, z.B. die Geschichte vom Kater Mikesch. Und von ihm stammen auch die sehr bekannten Bilder zu den Abenteuern des braven Soldaten Schwejk von Jaroslav Hašek.

20160402_155125David und mich hat die Besichtigung des KZ Theresienstadt sehr bedrückt. Auf dem Bild sind Pappurnen zu sehen, in denen die Asche der verbrannten Insassen aufbewahrt wurden. Theresienstadt war eine besondere Perversion der Nationalsozialisten. Es wurde als Muster-Anlage sogar der internationalen Öffentlichkeit vorgeführt. Eine Delegation des Roten Kreuzes inspizierte 1944 das Lager, ohne jedoch mit den Häftlingen zu sprechen. Die Nazis machten daraus einen Propagandafilm über das KZ: Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet. Bekannt ist daraus der schäbige Satz: „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt.“

Es ist so passend, gerade heute darüber zu schreiben. Heute vor 75 Jahren wurde der NS-Propagandafilm Ohm Krüger in Berlin uraufgeführt. Darin werden die südafrikanischen Buren als edle Opfer britisch-imperialistischer Gewaltherrschaft stilisiert. Emil Jannings spielt die Titelfigur Paul Krüger. Der Film wird im Rahmen von Bildungsveranstaltungen heute noch gezeigt. Vor 25 Jahren verstarb Max Frisch, der sich in seinem Stück Biedermann und die Brandstifter mit unserem Verhalten bei vorhersehbarem Unheil beschäftigt. Man sollte das Stück in Sachsen mal wieder inszenieren.

20160403_135414

Dann fuhren wir weiter nach Prag. Ich habe es genossen, mit dem Dichter, den ich auch schon übersetzt habe, endlich ganz entspannt einen Wein zu trinken und über Gott und die Welt – und natürlich die Lyrik – zu reden. Ein gutes und volles Wochenende war das.

 

 

Links
http://www.litomerice-info.cz/de/
http://galerie-ltm.cz/
http://www.terezin.cz/
http://www.bookcouncil.org.nz/writers/howarddavid.html

Jonas

Heute habe ich über epubli.de das Buch Jonas – Eine Text- und Bilder-Collage veröffentlicht. Geschrieben, gemalt und geklebt habe ich es für meinen Neffen, der eben diesen Namen trägt und im letzten Sommer geboren wurde. Zu seiner Taufe im November habe ich es ihm als Sonderausgabe geschenkt. Jetzt dürfen auch andere Menschen dieses Buch besitzen.

Jonas Cover

In wenigen Wochen wird das Buch über den Buchhandel erhältlich sein. Auch über Amazon kann man das Buch bestellen. Heute ist es bereits im Epubli-Shop verfügbar.

http://www.epubli.de/shop/buch/Jonas-Fabian-Williges-9783737597791/50598

Lyrik zum Sonntag

Die Lyrik, an sich das sonnigste Musenkind, führt in unserer Zeit ein Schattendasein. Wann ist der richtige Zeitpunkt, ein Gedicht zu lesen? Und wie liest man es? Tatsächlich kann ein Gedicht beim ersten Lesen seine volle Schönheit nicht entfalten. Ich glaube, ein Gedicht muss auswendig aufgesagt werden, um auch für den Sprecher ein Genuss zu werden. Wir kennen das von Pop-Songs, die wir mitsingen wollen oder gar allein unter der Dusche singen.

Der Sprecher und Schauspieler Fritz Stavenhagen hilft uns beim Rezipieren von lyrischen Werken. Er spricht sie ein, und wir können den Text lesen und gleichzeitig von einer geübten und nebenbei bemerkt wohlklingenden Stimme vorgelesen bekommen. Den Namen werden viele nicht kennen. Seine Stimme mag man aber schon im Fernsehen gehört haben, u.a. in Werbeclips. Doch diese Arbeit an den deutschen Gedichten ist ungleich verdienstvoller. Vielen Dank, Fritz Stavenhagen!

Empfehlen möchte ich zwei sehr unterschiedliche Gedichte, die mich heute aber beide sehr berühren. Die Zusammenhänge darf man selber erahnen.

Bitte weiter schmökern und lesen! Wir sollten alle viel mehr Gedichte lesen – und vortragen, proklamieren.

Links
deutschelyrik.de – die Startseite des Projekts Deutsche Lyrik
fritzstavenhagen.de – der Mann hinter dem Projekt (und vor dem Mikrophon)