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Todestag von Klaus Mann

Heute ist der Todestag eines meiner absoluten Lieblingsschriftsteller: Klaus Mann. An meinem Schreibtisch sitzend habe ich immer seine Werke im Regal gegenüber im Blick. Ich habe sie demütig unter die Werke seines Vaters und Nobelpreisträgers Thomas und seines Onkels Heinrich gestellt. Das sagt schon viel über seine schwierige Position.

Geboren wurde Klaus Mann am 18. November 1906 in München als zweites Kind von Thomas und Katia Mann. Sein vollständiger Name lautet Klaus Heinrich Thomas Mann. Das ist so platt wie beschreibend. Drei äußerst schwierige Startbedingungen prägen sein Literarisches Schaffen wie sein selbst verkürztes Leben: Der berühmte Vater, die zur vollständigen Auslebung drängende Homosexualität und sein Kampf gegen den Faschismus und für ein geeintes Europa. Am 21. Mai 1949 nahm sich Klaus Mann in Cannes das Leben.

Klaus Mann hätte sicherlich einen ganz langen und ausführlichen Artikel verdient. Aber ich fühle mich heute nicht danach. Aber ein paar Empfehlungen möchte ich aussprechen in Form einer Top-Five-Liste der für mich wichtigsten Bücher von Klaus Mann.

  1. Mephisto (1936) – Viele kennen von ihm nur dieses Werk. Und es ist auf jeden Fall eines seiner besten Bücher. Überdeckt wird es immer wieder von der einfachen Gleichung: Hendrik Höfgen im Roman = Gustaf Gründgens im Leben. Doch Klaus selbst wies immer wieder darauf hin, dass Mephisto nicht als Schlüsselroman zu lesen sei. Wir machen es uns mit dieser Lesart auch wirklich zu einfach; denn solche Typen wie Hendrik Höfgen gibt es viele. Die sind nicht alle mit Gründgens gestorben.
  2. Alexander. Roman einer Utopie (1929) – Die Geschichte Alexander des Großen. Mir kommt es vor, als hätte Klaus sich hier ein wenig am Verständnis eines Stefan Zweig orientiert. Natürlich ist aus dem Autor nicht schnell ein fundierter Historiker geworden. Trotzdem ist dieses Buch für an der griechischen Antike Interessierten wie auch träumenden Weltbürgern immer noch lesenswert.
  3. Symphonie Pathétique (1935) – Es geht um Tschaikowsky, wie er seine 6. Symphonie komponiert und die unglückliche Liebe zu seinem Neffen Wladimir. Klaus setzt diesem großen Komponisten aus dem Reigen homosexueller Künstler eine sehr empfindsames Denkmal.
  4. Der fromme Tanz. Das Abenteuerbuch einer Jugend (1926) – Mit 19 Jahren schrieb Klaus Mann das Buch, was einer (wenn nicht der) der erste Homosexuellen-Romane in deutscher Sprache. Davon ausgenommen sind wilhelminische Schoßbüchlein und andere Schundliteratur. Hier wurde das Thema Homosexualität auf die Agenda des Feuilletons gehoben. Schon dafür gebührt Klaus Ruhm und Ehre.
  5. Der Wendepunkt. Ein Lebensbericht (1942, 1952) – Bereits 1932 als 26-Jähriger veröffentlichte Klaus Mann eine Autobiografie heraus. Das brachte ihm viel Häme ein, er litte doch wohl entschieden an Selbstüberschätzung. Heute liefern seine drei Autobiografien – The Turning Point erschien 1942 in den USA, Der Wendepunkt, von ihm überarbeitet, postum 1952 – ein gutes Bild das Lebens eines denkenden und fühlenden deutschen junge Mannes zu Zeiten der Weimarer Republik, des Faschismus und der frühes Nachkriegszeit.

Geburtstag von Jakob van Hoddis

Mit dem Namen Jakob van Hoddis verbindet sich deutschunterrichtswirksam die Geburtsstunde des literarischen Expressionismus. Sein Gedicht Weltende traf den Puls seiner Zeit und hat, das wollen wir gleich durch die Wiedergabe des Textes zeigen, in unserer internetgestützten Nachrichtenwelt nicht an Aktualität verloren:

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei,
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Am 16. Mai 1887 wurde Jakob van Hoddis in Berlin als Hans Davidsohn geboren. 1911 erschien Weltende erstmalig in der Berliner Zeitschrift Der Demokrat. Seit 1912 ist sein Lebensweg geprägt durch seelische Krisen bis hin zur geistigen Umnachtung. In einem anderen Gedicht von 1911 schreibt er prophetisch: All meine Pfade rangen mit der Nacht. Nach vielen Klinikaufenthalten und Vormundschaft kam er 1933 in die Israelitischen Heil- und Pflegeanstalten in Bendorf-Sayn. 1942 wurden die Patienten mit dem Pflegepersonal verschleppt und ermordet. Wahrscheinlich starb van Hoddis im Vernichtungslager Sobibor an der heutigen polnisch-ukrainischen Grenze. Er wurde 55 Jahre alt.

55 Jahre nach der Veröffentlichung von Weltende und genau am Geburtstag dieses ersten Expressionisten erschien mit Pet Sounds nicht nur das wohl beste Album der Beach Boys sondern ein unverrückbarer Meilenstein der Rock- und Popmusik. Ewiger Konkurrent Paul McCartney sagte über das Album: Ich glaube, niemand weiß wirklich was über Musik, solange er dieses Album nicht gehört hat. Die Frustration über die folgende Beatles-Veröffentlichung (Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band), der steigende Drogenkonsum, Probleme bei der Kommunikation seiner Vision gegenüber seinen Mitmusikern und nicht zuletzt eine psychische Erkrankung verhinderten die weitere Karriere des Brian Wilson. Was wir bis heute von ihm hören, ist ein Wundenlecken. Auch darin ist er noch groß, aber nicht mehr olympisch.

Todestag von Magnus Hirschfeld

Heute ist der Geburts- und Todestag von Magnus Hirschfeld (1868–1935), dem Arzt und Sexualforscher, dem die heutige LGBT-Bewegung viel zu verdanken hat. Es bemühte sich, die Sexualwissenschaften zu einer eigenständigen Wissenschaft im Netz von Medizin und Psycholgie werden zu lassen. Sein in Berlin privat gegründetes Institut für Sexualwissenschaft wurde von den Nazis geschlossen.

Von ihm stammt der Begriff Drittes Geschlecht, den er später zugunsten des Begriffs der Zwischenstufen aufgab. Diese Aufhebung der geschlechtlichen Dualität ist einer der erste Schritte zu den Queer- und Genderstudies der letzten Jahre. Er prägte außerdem den Begriff Transvestit.

Auf seinem Grabstein in Nizza steht sein Lebensmotto: Per Scientiam ad Justitiam (Durch die Wissenschaft zur Gerechtigkeit). Er kämpfte darum, die Homosexualität aus dem Bereich des Strafgesetzbuches herauszuhalten. Aber er ging dabei einen vorsichtigen, besonnenen Weg, den manche Kritiker auch für einen Pakt mit den teuflischen Mächten hielten. So war er als Sachverständiger zu Fragen der Homosexualität auch immer wieder vor Gericht tätig, u.a. während der Harden-Eulenburg-Affäre vor dem ersten Weltkrieg, in der Hirschfeld beurteilen sollte, ob das Verleihen einen Stofftaschentuches Ausdruck von inniger aber heterosexueller Freundschaft sei oder Zeichen einer homosexuellen Beziehung. Der Kabarettist Otto Reutter (1870–1931) dichtete dazu das Couplet Der Hrischfeld kommt:

Herr Dr. Magnus Hirschfeld ist ein Sachverständiger,
ja dieser Herr ist in Berlin jetzt riesig populär.
Der Hirschfeld hat, das geb ich zu, in manchen Punkten recht,
jedoch mir scheint beinah, er glaubt, die ganze Welt sei schlecht.
Er wittert überall Skandal.
Er hält fast keinen für normal.
Drum sieht man täglich in Berlin
Herrn Hirschfeld durch die Straßen ziehn.

Und jeder kriegt ’nen Schreck,
kommt Hirschfeld um die Eck!
Der Hirschfeld kommt!
Der Hirschfeld kommt!
Dann rücken alle aus.
Er holt aus allen Dingen sich noch was Verdecktes raus.
Der Hirschfeld sagt, selbst die Natur blamiert sich kolossal,
denkt an den letzten Sommer nur: Auch der war nicht normal!

Zur Köchin geht der Grenadier mit traurigem Gesicht.
Sie sagt zu ihm: Was ist mit dir? Du isst ja heute nicht!
Er sagt: Es schimpfen manche jetzt auf unser deutsches Heer.
So schlimm stehts doch noch lange nicht mit unserm Militär.
Das stimmt, sagt sie da inniglich,
für dich da garantiere ich!
Sei wieder froh, gib mir ’nen Kuß!
Heut nicht, sagt er da voll Verdruß.

In dem Moment, oh Schreck,
kommt Hirschfeld um die Eck.
Der Hirschfeld kommt!
Der Hirschfeld kommt!
Nun schwindet sein Verdruß.
Er geht auf seine Köchin los und gibt ihr einen Kuß.
Zum Hirschfeld sagt er ich bewies: Ich bin noch ganz normal!
Und Sie sagt Fritz, er zweifelt noch, beweis es schnell noch mal.

Wer heut nicht jedes Mädchen küsst, der kommt gleich in Verdacht,
bleibt heut ’ne Ehe kinderlos, dann wird er ausgelacht,
wer einen Buckel heutzutag, wer etwas lang und schmal
oder wer so dick ist als wie ich, der ist schon nicht normal.
Meinen kleinen Neffen Friederich,
den traf ich heut, dem schenkte ich,
’ne Zuckertüte, welche Pracht.
Doch grad, als er sie aufgemacht,

in dem Moment, oh Schreck,
kommt Hirschfeld um die Eck.
Der Hirschfeld kommt!
Der Hirschfeld kommt!
Steck schnell die Tüte ein!
Das Süße in der Tüte könnte sehr verdächtig sein.
Friß ganze Zuckertüten auf, das ist dem Mann egal,
aber pust nicht in die Tüte, sonst biste nicht normal.

’ne alte Jungfer sitzt vergnügt auf einer Bank im Freien,
hat auf dem Schoß ihren Mops, der schaut phlegmatisch drein,
er ist gesättigt und gepflegt, das Asthma plagt ihn sehr,
was sonst ein Hundeherz bewegt, das rührt ihn gar nicht mehr.
Zwei Hunde stelln sich zu ihm ran,
doch er schaut nur die Herrin an,
als wollte sagen er zu ihr:
Sei unbesorgt, ich bleib bei dir!

In dem Moment, oh Schreck,
kommt Hirschfeld um die Eck.
Der Hirschfeld kommt!
Der Hirschfeld kommt!
Nun springt der Mops vom Schoß,
jetzt läuft er wie der Deibel gleich auf beide Hunde los.
Den einen, den erwischt er noch, an ’nem Laternenpfahl.
Sonst schreibt ihn Hirschfeld auf und sagt: Der Mops ist nicht normal.

Ich hab mal früher nen Freund gehabt, jetzt sehn wir uns fast nie.
Wir haben früher „Du“ gesagt, jetzt sagen wir wieder „Sie“.
Wir gingen als Freunde Hand in Hand, das tun wir jetzt nicht mehr.
Nur kürzlich, an nem Regentag, kam er mir in die Quer.
Er war verschnupft und sprach:
Ich such vergebens nach ’nem Taschentuch!
Ich sprach: Nimm meins! Du tust mir leid.
Nimms schnell, es wird die höchste Zeit.

In dem Moment, oh Schreck,
kommt Hirschfeld um die Eck.
Der Hirschfeld kommt!
Der Hirschfeld kommt!
Das Tuch schnell wieder her!
Denn so ein Taschentuch vom Freund, das ist verdächtig sehr.
Das Taschentuch wird nicht benutzt, laß loofen, ’s ist egal,
wenn du dir jetzt die Neese putzt, dann biste nicht normal!

John Stuart Mill und die Freiheit

Am 8. Mai 1873 starb der liberale Ökonom und Philosoph John Stuart Mill. Er war ein früher Verfechter der Emanzipation der Frau, überzeugter Anhänger des Utilitarismus und Schöpfer des Wortes Dsytopie zur Bezeichnung einer negativen Utopie.

Heute, am Tag der Befreiung, der, wie Richard von Weizsäcker 1984 sagte, auch ein Tag der Befreiung für Deutschland vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft war, möchte ich einen wichtigen Satz von Mill herausheben. Er ist aus seinem Werk On Liberty (1859):

That the only purpose for which power can be rightfully exercised over any member of a civilized community, against his will, is to prevent harm to others.

J. S. Mill nennt dies ein wirklich einfaches Prinzip (one very simple principle). Doch heute reiben wir uns die Schläfen wund, wann und wie denn nun die Freiheit eines Individuums eingeschränkt werden kann, bzw. wann auf offiziellem Weg ermittelt werden darf, ob ein solcher Fall eingetreten sei.

Ich spiele selbstverständlich auf Jan Böhmermann an, dessen Interview in der Wochenzeitung „Die Zeit“ gerade in aller Munde ist. Dem manchmal geistreichen Unterhaltungskünstler hat die große Öffentlichkeit nicht gut getan. Er versteigt sich zu einer Merkel-Kritik, die nur zeigt, dass er – wie viele – den eigentlichen Kern der Sache nicht verstanden hat. Von großen Teilen der Bevölkerung erwarte ich ja nichts anderes. Aber Böhmermann hätte die letzten Tage zum Nachdenken nutzen können.

Filetiert habe die Kanzlerin den Moderator und einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert. Na, das klingt jetzt aber dramatisch. Frau Merkel bekannte, dass das eigentliche Schmähgedicht für sie bewusst verletzend sei. Sie sagte dies dem Präsidenten der Türkei, aber sie sprach doch nicht ex cathedra. Ein solcher Satz hat, auch aus dem Munde der Bundeskanzlerin, keine konstituierende Wirkung. Und dass die Regierung letztendlich ein Verfahren zur Prüfung zulässt, so wie es in geltenden Gesetzen vorgesehen ist, lässt sich in meinen Augen schwer zu einem haltbaren Vorwurf nutzen.

Einen deutschen Ai Weiwei habe Angela Merkel aus ihm gemacht, sagt Böhmermann weiter. Da kann ich ihn beruhigen. Es gibt wohl nichts, was die Kanzlerin machen oder sagen könnte, um Böhmermanns Niveau zu heben, schon gar nicht auf das des großen Ai Weiwei. Selbstverständlich ist eine Voruntersuchung und ein letztendliches Strafverfahren keine angenehme Sache. Und über die menschliche Not Böhmermanns möchte ich mich nicht erheben. Ich glaube aber, Ai Weiwei wäre deutlich glücklicher, wenn er all seine gegen ihn gerichteten Ermittlungen und Verfahren in Deutschland und nach deutschem Recht erdulden müsste. Das sollten wir nicht vergessen.

Wir leben nicht in einer Welt der unbegrenzten Freiheit, die persönliche Freiheit ist genau so beschränkt wie die Presse- und die Kunstfreiheit. Und das ist gut so. Denn die Freiheit, die wir haben, soll für alle gelten.

Eins möchte ich noch sagen: Ich hoffe, dass Jan Böhmermann freigesprochen wird. Ich denke, dass er diese Nummer mit dem Schmähgedicht recht geschickt eingefädelt hat. Ihm liegt – und da muss ich eine Polemik zum Niveau Böhmermanns leicht revidieren – fast etwas Faustisches inne. Wir erinnern uns an der Tragödie zweiten Teil. In seinem letzten Monolog sagt Faust:

Solch ein Gewimmel möcht ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.
Zum Augenblicke dürft ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!

Diese letzten Worte lassen Mephisto an den Sieg der Wette glauben. Doch der Teufel hat nicht genau hingehört; Faust hat im Konjunktiv gesprochen. Ähnlich verhält es sich mit dem Schmähgedicht. Natürlich kann man nicht unter der Überschrift „Ich zeige euch mal, was man nicht machen darf“ ungestraft einen Mord begehen. Aber auf der verbalen Ebene ist ein solches Verfahren statthaft. Sonst befinden wir uns in einer von Monty Python beschriebenen Szene: „Es ist verboten, Jehova zu sagen!“ – Na, wer hat jetzt „Jehova“ gesagt?

Aber das gerichtlich untersuchen zu lassen, muss erlaubt bleiben. Wir leben in einem Rechtsstaat. Der wirkt manchmal etwas schwerfällig. Der Lynchmob ist da deutlich agiler. Möchte jemand tauschen?

Die Freiheit jedes Einzelnen zu bewahren und vor ausufernden Handlungen anderer zu schützen, ist ein fortwährender Aushandlungsprozess. Jan Böhmermann ist dieser Tage zu einem prominenten Beispiel geworden, einen tragischen Helden macht ihn das aber noch lange nicht. Der, nämlich Faust, sagte kurz vor den oben zitierten Worten noch den Satz, mit dem ich meinen Eintrag abschließen möchte:

Das ist der Weisheit letzter Schluss:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muss.

Geburtstag von Gottfried Benn

Heute würde Gottfried Benn 130 Jahre alt. Das sagt man ja so, wenn eine historisch bedeutsame Person Geburtstag hat. Man nimmt den Konjunktiv, als stünde zwischen dem Menschen und diesem Jubiläum nur eine kleine Bedingung, die in diesem Fall einmal nicht erfüllt wurde. Eigentlich soll man diese Formulierung nur gebrauchen nach einem unzeitigen Tod.

70 Jahre wurde Benn. 1956 starb er in Berlin. Er war Arzt, Essayist und Dichter. In meiner Schulzeit ergötzte ich mich an seinen frühen Morgue-Gedichten. Das waren auch für uns noch Schocker. Heute bevorzuge ich seine späten Werke: Jena vor uns im lieblichen Tale …

Kämpfen am 1. Mai

Als Freiberufler über die Rechte der Arbeitnehmer zu schwadronieren, ist wohl doch eher unpassend. Nun soll aber der 1. Mai ein Kampftag sein. Wäre heute nicht Sonntag, hätten wir ja trotzdem frei. Wofür kann man kämpfen? Da fallen mir sofort die LGBT-Rechte ein. Der US-amerikanische Singer/Songwriter Tom Goss kämpft ganz charmant für die Gleichstellung Homosexueller. Und seine Lieder kann man sich auch noch gut anhören.

Das Lied Son of a preacher man hat ja schon seit der Aufnahme von Dusty Springfield etwas Schlüpfriges. Nun wird es – meines Wissens erstmalig – in einem schwulen Kontext verwendet. War eigentlich schon länger fällig. Toll! Vielen Dank, Tom Goss!

Todestag fünf völlig verschiedener Menschen

Selbstverständlich sind schon an jedem Tag, den der Kalender für uns bereithält, Tausende gestorben. Ich interessiere mich dann für bestimmte Häufungen. Diese müssen in keiner Weise wissenschaftlichen Untersuchungen standhalten. Ich gehe mal davon aus, dass gemeinsame Todestage über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg Zufall sind, wenn sie nicht durch Anschläge,Selbst- oder Ritualmorde bewusst herbeigeführt wurden. Aber ich schweife ab.

Tatsächlich kommt mir die Liste antiker und mittelalterlicher Persönlichkeiten für diesen Tag ein wenig dünn vor. Heute möchte ich in einer (wieder nur zeitlich sortierten) Top-Five-Liste fünf [sic!] Personen ehren, die aus unterschiedlichen Gebieten kommen und doch jeder für sich eine nachhaltige Wirkung auf uns haben.

  1. Ferdinand Magellan (1480–1521) – Er gilt als der erste Weltumsegler, obwohl er sie nicht abgeschlossen hat. Er wurde auf der philippinischen Insel Mactan getötet. Seine Matrosen, die das großartige Projekt ohne Magellan beendeten, wurden die ersten Weltumsegler, allen voran Enrique Melaka, der Sklave und Dolmetscher Magellans. Er stammte von den philippinischen Inseln und kam im April 1521 von seiner Weltumrundung wieder in der Heimat an.
  2. Ferdinand Reich (1799–1882) – Der aus Bernburg stammende Chemiker und Physiker wirkte vor allem an der Bergakademie in Freiberg. Bei spektralanalytischen Untersuchungen der schwarzen Zinkblende entdeckte und benannte er das chemische Element Indium, das uns heute in Flachbildschirmen und Touchscreens begegnet.
  3. Montgomery Rufus Karl Siegfried Straube (1873–1950) – Der Thomaskantor und 11. Bachnachfolger ist meist nur als Karl Straube bekannt. Den Lebensdaten entnimmt man bereits eine zeitliche Nähe zum Faschismus. 1926 trat er das erste Mal der NSDAP bei. Unter seiner Leitung trat der Thomanerchor in HJ-Uniformen auf. Nun kann man natürlich sagen, dass das Amt des Thomaskantors sich nicht für den Widerstand eignet. Doch als ein moralischer Kompass sollte uns sein Leben wohl nicht dienen. Technisch brach unter ihm aber eine wirklich neue Zeit an. Von 1931 bis 1937 führte er nicht nur sämtliche Bachkantaten zu den Sonntagen auf, es wurde auch der erste im Rundfunk übertragene Kantatenzyklus.
  4. Ruth Handler (1916–2002) – Sie machte aus einer Mannequin-Puppe ein Kinderspielzeug für ihre Tochter Barbara. Der Name der Tochter ist im Diminutiv heute der ganzen Welt bekannt: Barbie. Die unrealistischen Maße werden häufig kritisiert, da sie den Kindern ein falsches Bild vermittelten. Man kann dem entgegenhalten, dass aus den Prinzessinnen der Kinderspiele auch äußerst selten reale Königinnen werden. Ruth Handler erkrankte in den 70er Jahren an Brustkrebs. Das nahm die Unternehmerin zum Anlass, neben Mattel die Firma Nearly Me zu gründen, um Brustkrebspatientinnen mithilfe von Brustprothesen ein neues Selbstwertgefühl zu geben. Beide Unternehmen gibt es heute noch.
  5. Dorothee Sölle (1929–2003) – Den Namen kennen viele aus dem Religionsunterricht. Sie steht für eine diesseitige Theologie, inklusive Emanzipation und Ökologie, wie kaum eine andere. Sie sagt: „Theologisches Nachdenken ohne politische Konsequenzen kommt einer Heuchelei gleich. Jeder theologische Satz muss auch ein politischer sein.“ Mit diesen Gedanken verknüpft ist auch die Theologie nach dem Tode Gottes.

Rom, Bangkok, Brasília

Am 21. April im Jahre 753 v. Chr. soll Romulus auf sieben Hügeln am Tiber die Stadt Rom begründet haben. Selbstverständlich ist das Datum nur Legende. Aber heute ist ein guter Tag, um sich ihrer zu erinnern. Romulus war nicht nur der erste König Roms, er war auch der erste Brudermörder der römischen Geschichte. Aber der Brudermord scheint bei vielen Geschichten eine Art Anfang zu markieren.

Ebenfalls an einem 21. April, nämlich 1782, wurde Bangkok zur Hauptstadt Siams (heute Thailand) erhoben. 15 Tage vorher hatte Rama I. den Thron bestiegen. Feierlich krönen ließ er sich erst 1785, nachdem er das Land durch erste Reformen konsolidiert sah. Rama I. begründete die Chakri-Dynastie, die bis heute in Thailand herrscht.

Die dritte Hauptstadt, die mit dem 21. April verbunden bleibt, ist Brasília. Sie wurde 1960 gegründet, nachdem der Bau der Planstadt vier Jahre zuvor von Lúcio Costa und Oscar Niemeyer begonnen wurde. Dieser Neubau einer Stadt mitten im brasilianischen Regenwald wurde sehr unterschiedlich bewertet. Niemeyer selbst bezeichnete 2001 in einem Interview das Experiment als gescheitert. 1987 wurde die Stadt in die Liste des UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen.

Todestag wichtiger Mathematiker und Physiker

Immer mal wieder, wenn ich mir die Liste von Geburts- und Todestagen auf der Wikipedia anschaue, fällt mir eine Häufung auf, die selbstverständlich eine zufällige ist, die in mir aber trotzdem das Gefühl der Besonderheit des Tages für ein bestimmtes Themenfeld entstehen lässt. Heute ist ein solcher Tag, nämlich ein Tag der Mathematik und Physik. Das liegt selbstverständlich vor allem am Todestag Albert Einsteins vor nunmehr 61 Jahren. Aber seht selbst in meiner Top-Five-(+4)-Liste bedeutender Mathematiker und Physiker, die an einem 18. April starben (aufsteigend in zeitlicher Reihenfolge):

  1. John Graunt (1620–1674) – Unter dem englischen König Charles II. versuchte der Kurwarenhändler, aus den Sterberegistern Londons eine Frühwarnsystem für Pestepedemien zu entwickeln. Das gelang ihm nicht. Aber er ist ein früher Vertreter der systematischen Datenauswertung, schlicht der modernen Statistik.
  2. Édouard Albert Roche (1820–1883) – Nach diesem französischen Mathematiker und Astronom ist unter anderem die Roche-Grenze benannt, das ist die Schwelle, an der die Gravitationskraft eines Himmelskörpers der Gezeitenkraft eines anderen erliegt.
  3. John Ambrose Fleming (1849–1945) – Auf den Erkenntnissen Edisons aufbauend ist der Brite Fleming der eigentliche Erfinder der Elektronenröhre. Mit dieser Erfindung begann das Elektronikzeitalter.
  4. Albert Einstein (1879–1955) – Fast berühmter als seine Arbeiten innerhalb der Physik sind heute wohl seine wirren Haare, seine herausgestreckte Zunge und ein paar Sätze über die Unendlichkeit der menschlichen Dummheit, die gerne immer wieder auf Facebook zitiert werden.
  5. Piet Hein (1905–1996) – Er studierte an der Kopenhagener Universität theoretische Physik. Seine wohl bekannteste Leistung hat allerdings eine ganz praktische Auswirkung: die Superellipse. Im Auftrag der Stadt Stockholm entwickelte er die Superellipse als Kompromiss zwischen Kreis und Quadrat, bzw. Ellipse und Rechteck beim Straßenbau. Der Kreisverkehr auf dem Sergels torg in Schwedens Haupstadt ist also rein mathematisch keiner …
  6. Gian-Carlo Rota (1932–1999) – Die moderne Kombinatorik ist von diesem US-Amerikaner italienischer Abstammung geprägt. Seitdem ist die Kombinatorik als mathematisches Fach anerkannt und nicht mehr nur eine Sammlung von Einzelproblemen. Das brachte ihm zahlreiche Ehrendoktorwürden ein. Die längste Zeit arbeitete er am berühmten MIT.
  7. István Vincze (1912–1999) – Vincze ging den beruflichen Umweg über eine Versicherungsgesellschaft und das Bildungsministerium, bevor er sich als Professor in Budapest mit Lehre und Forschung beschäftigte. Seine Themen waren u.a. die parameterfreie Statistik und die Informationstheorie.
  8. Edgar Frank Codd (1923–2003) – Der Brite leistete Entscheidendes für die heute allgegenwärtige Arbeit mit Datenbanken. Das System R stammt von ihm, das auch die Grundlage für SQL und Oracle lieferte. Mit 70 Jahren setzte er mit dem OLAP-Begriff noch einmal Maßstäbe. Er formulierte 12 (später 18) Regeln für ein On-Line Analytical Processing.
  9. Curt Meyer (1919–2011) – Bei Meyer tue ich mich ein wenig schwer, sein Schaffen in kurzen, griffigen Worten zu beschreiben, allein schon, weil ich es nicht verstehe. Es bleibt dabei, dass er ein Mathematiker mit Wikipedia-Eintrag ist. Und heute ist die fünfte Jährung seines Todestages.

Dazu kämen jetzt eigentlich noch die Schachmeister: Rudolf Charousek, Leonid Iwanowitsch Kubbel, Klaus Junge. Auch der Chemiker Justus von Liebig starb an einem 18. April, sowie die Botaniker Léon Dufour und Nicolas-Théodore de Saussure. Aber irgendwo muss man ja die Grenze ziehen. Schließlich erwähne ich ja auch nicht den deutschen Barockdichter Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau oder den norwegischen Anthropologen Thor Heyerdahl.

Todestag von Leo Fender

Heute vor 25 Jahren starb Clarence Leonidas Fender. 1909 wurde Leo geboren.1950 baute er die erste Gitarre mit angeschraubtem Hals, der dadurch sehr leicht austauschbar wurde. Im Folgejahr baute er seinen ersten E-Bass. Im Februar 2009 wurde ihm postum für sein die gesamte Rock- und Pop-Musik prägendes Lebenswerk ein Grammy verliehen.

Leo Fender konnte übrigens nicht Gitarre spielen.

Und jetzt gehe ich zur OpenStage in der VILLA. Das passt ja auch irgendwie zu mindestens einem der oben genannten Tatsachen.