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Jazz in der St.-Canisius-Kirche

Letztes Wochenende war ich in Berlin, um den Entwicklungsstand meines kleinen Neffen zu begutachten, aber auch um Freunde in Berlin zu besuchen, die leider demnächst nach Süddeutschland ziehen werden. Wenn ich bei ihnen in Berlin war, haben wir oft die halbe Nacht Scrabble gespielt – bei Wein und Knabberkram und natürlich mit vielen Gesprächen und guter Laune. Man sagt das daher: gute Laune. Tatsächlich fühle ich mich selten so wohl wie in diesem Kreis.

Zu unserem letzten gemeinsamen Berlinwochenende luden mich meine Freunde zu einem Konzert in der St.-Canisius-Kirche in Berlin-Charlottenburg ein. Die Kirche wurde erst 2002 geweiht. Der Neubau war notwendig geworden, weil der Vorgängerbau von 1957 am 30. April 1995 durch ein Feuer zerstört wurde. An die alte Kirche erinnert lediglich ein Christuskorpus von Gerhart Schreiter, der den Brand leicht lädiert überstanden hatte. Insgesamt zeichnet sich die Canisiuskirche durch eine schlichte, sparsame aber gut akzentuierte Einreichtung aus, einen hohen Raum und eine wirklich gute Akustik. Bevor ich mir nun aber einen abbreche beim Beschreiben des Sakralbaus, verweise ich lieber auf die 360-Grad-Panoramen auf der Website der Gemeinde.

Wir waren aber nicht wegen der Architektur an diesen gekommen. Joachim Gies, der sich selbst ein Schamane des Saxophons nennt, gab ein Konzert, begleitet von Gerhard Kubach (Kontrabass) und Denis Stilke (Perkussion). Gies spielt aber nicht nur Saxophon, er ist außerdem ein Sammler – und Nutzer – exotischer Instrumente. Ich muss gestehen, ich braucht etwas Zeit, um mich in das Konzert hineinzuhören. Aber beim dritten Lied, das Zartes Rütteln hieß, war ich drin. Tiefrot, Kreis und Zeichen, Erdnah. Das waren die nächsten Kompisitionen von Joachim Gies, die das Trio intonierte. Die gefielen mir auch am besten an diesem Abend. Von Erdnah habe ich bei YouTube eine Aufnahme gefunden, von einem anderen Konzert, ebenfalls in der St.-Canisius-Kirche.

Links
st.canisius-berlin.de
joachimgies.de

Greg Ash und wie ich auf ihn gekommen bin

Auch wenn im letzten Beitrag gleich zwei Kinofilme genannt sind, muss ich mir wohl langsam eingestehen, dass ich zu der Gruppe der Kinoverweigerer gehöre. Ich schaue Filme erst, wenn sie etwas älter sind. Dann gibt es sie auf DVD oder auf archive.org, weil der Film bereits gemeinfrei ist. Das liegt nicht daran, dass ich Angst vor großen Menschenansammlungen hätte oder es mir das Eintrittsgeld zu schade wäre. Es liegt an der Synchronisation. Jetzt kann man vieles einwänden, z.B. dass es ja auch manchmal irgendwo einen Film OmU gäbe. Ja, das stimmt – manchmal und irgendwo. Und in der Zwischenzeit habe ich mir die Kinobesuche abgewöhnt. Im Urlaub (z.B. in London) gehe ich dann ganz gern wieder.

Doch ich wollte heute gar nicht meckern. Ich wollte nur rechtfertigen, dass Grand Budapest Hotel erst gestern Abend gesehen habe. Ich habe die DVD von meiner Tante zu Weihnachten bekommen. Wer unter meinen Freunden mal Lust auf einen gemeinsamen Filmabend hat, darf mich gerne ansprechen. Der Film ist eine Wucht!

Wes Anderson drehte diesen Film mit einem bunten Strauß an Darstellerprominenz, denen man die Freude an der Arbeit ansieht: F. Murray Abraham, Mathieu Amalric, Adrien Brody, Willem Dafoe, Ralph Fiennes, Jeff Goldblum, Harvey Keitel, Jude Law, Bill Murray, Edward Norton, Tilda Swinton, Tom Wilkinson, Owen Wilson und da habe ich schon einige weggelassen. Anderson schrieb auch das Drehbuch nach Lektüre mehrerer Werke von Stefan Zweig. Die Studios in Babelsberg waren Produktionsort. Gedreht wurde unter anderem in Görlitz. Premiere hatte er zu den Filmfestspielen in Berlin 2014, wo er auch den silbernen Bären gewann.

Ralph Fiennes spielt Gustave, den Concierge des Grand Budapest Hotel, der den staatenlosen Flüchtling Zéro Moustafa als Lobby Boy (gespielt von Tony Revolori) unter seine Fittiche nimmt. Ich erzähle die Geschichte jetzt nicht weiter. Ich kann aber sagen, dass der Hauptteil des Films, in der Zeit zwischen den Kriegen angesiedelt in einem fantastischen, osteuropäischen Land, die Gratwanderung schafft, eine rasante Komödie zu sein, die nicht respektlos mit den Opfern umgeht. Stefan Zweig wird als Ideengeber benannt, der auch immer viel Verständnis für Täter und Opfer aufbrachte, bis er selbst an sich beides wurde. Komödiantisch war er für mich aber nicht. Die frühen John-Irving-Romane, z.B. Lasst die Bären los oder Hotel New Hampshire (sic!) kommen mir da eher in den Sinn.

Eine Szene zeigt Zéro bei seiner Morgentoilette. Er malt sich einen hauchdünnen Schnurrbart a la Clark Gable auf die Oberlippe, um distinguierter und älter zu wirken. Mir hat Tony Revolori in der Rolle des Lobby Boy Zéro sehr gefallen, dass ich gleich Wikipedia bemühte, um nachzuschlagen, ob er denn schon in weiteren Filmen zu sehen sei. Da wurde der Kurzfilm Special Delivery genannt. Der Film ist vom britischen Filmemacher Greg Ash und frei auf seiner Website und seinem YouTube-Kanal We Like Laughter zu sehen. Special Delivery wurde kurz nach Grand Budapest Hotel gedreht. In einer Szene wird Tonys Charakter von seinem Freund gebeten, sich einen Schnurrbart zu malen. Jeder würde jetzt einen Clark-Gable-Bart als Zitat oder Hommage an den großen Kinofilm erwarten; stattdessen malt er sich den für Charlie Chaplin und Adolf Hitler typischen Zwei-Finger-Bart. Das nennt man wohl eine Humorage.

Links
gregash.co.uk – Website von Greg Ash
gregash.wordpress.com – Gregs Blog Make Laugh, Not War
scottslookalikes.com – eine weitere Serie von Greg Ash

Verfassungstag der Weimarer Republik

Am 11. August 1919 wurde die am 31. Juli des gleichen Jahres vom Reichstag verabschiedete Verfassung der sogenannten Weimarer Republik vom sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert unterzeichnet. Drei Tage später trat sie in Kraft. Viele Artikel sind der Paulskirchenverfassung von 1849 entnommen und fanden nach der Niederschlagung des Faschismus auch wieder Eingang in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Diesen Traditionsstrang sollten alle aufrechten deutschen Demokraten nicht aus dem Blick verlieren. Er kann Kraft und Mut spenden, gerade in unseren Zeiten.

Als Nationalfeiertag wurde der 11. August ab 1921 begangen. Er war aber nicht im gesamten Reich ein gesetzlicher Feiertag. Das Foto zeigt die letzte Verfassungsfeier am 11. August 1932 vor dem Reichstag in Berlin. Das Bild ist vom Bundesarchiv (Bild 102-13744 / CC-BY-SA).

Die grosse Verfassungsfeier der Reichsregierung am 11. August 1932 in Berlin ! Blick von der Siegessäule auf den flaggengeschmückten Platz vor dem Reichstag während der Verfassungsfeier.
Die große Verfassungsfeier der Reichsregierung am 11. August 1932 in Berlin.

Moschee DE in der Friedenskirche

Gestern war ich mit einem Freund in einer Vorstellung von Moschee DE in der Friedenskirche in Gohlis. Das Stück handelt von dem Moschee-Neubau in Berlin-Heinersdorf, der seit der Baugenehmigung im Frühjahr 2006 bis zu seiner Fertigstellung im Herbst 2008 und darüberhinaus die Anwohner spaltet. Der Journalist Kolja Mensing (taz, Deutschlandradio Kultur) hat gemeinsam mit dem Regisseur (2004 Debütfilm Netto) und Rosa-von-Praunheim-Schülers Robert Thalheim Interviews mit Vertretern der unterschiedlichen Interessensgruppen geführt und deren Aussagen zu fünf Rollen im Theaterstück verdichtet.

Wir begegnen im Stück den fünfeinhalb Personen:

  • der Imam der Ahmadiyya Muslim-Gemeinde
  • der Pfarrer der örtlichen Kirchengemeinde
  • der Vorsitzende der Bürgerinitiative gegen den Moscheebau
  • eine aus Stuttgart zugezogene Frau
  • ein Konvertit
  • die stumme Braut des Konvertiten

Das Stück besitzt keinen klassischen Spannungsbogen und hat mit seinen 90 Minuten ohne Pause durchaus Längen. Aber das Thema ist gerade in Gohlis besonders wichtig, wo bei einem geplanten Moscheebau der gleichen Muslim-Gemeinschaft ganz ähnliche Prozesse in Gang gesetzt wurden. Für mich verschwammen die Bezüge. In manchen Augenblicken dachte ich, das Stück sei über Leipzig und nicht Berlin geschrieben worden.

Mir hat ein Lied sehr gefallen, welches in der Produktion Verwendung fand: Wonder von Soap&Skin. Als die fünf Handelnden dieses Lied sangen, hatten sie Gelegenehit für ihr Abschlussstatement. Der Titel ist wunderbar gewählt! Und deshalb möchte ich ihn auch gleich hier zitieren:

Moschee DE wurde am 27. Februar 2010 am Schauspielhaus Hannover uraufgeführt. Am 17.05.2015 hatte die Produktion von David Perlbach in Kooperation mit Friedenskirche Leipzig-Gohlis e.V. Premiere. Am 05.06.2015 ist die letzte geplante Vorstellung.

Links
moschee-de.org
friedenskirche-gohlis.de
ahmadiyya.de Website der Moschee-Gemeinde in Berlin