Schlagwort-Archive: Geschichte

Deutsche Digitale Bibliothek

Heute vor fünf Jahren ging die Betaversion der Deutschen Digitalen Bibliothek online. Die Idee war, bei der Digitalisierung von Bibliotheksbeständen ein Gegengewicht zur Arbeit von Google zu schaffen, da Google als international agierendes Wirtschaftsunternehmen nicht zwingend und verlässlich dem deutschen Gemeinwohl dient. Apropos Gemeinwohl: Heute ist auch der Geburtstag von Friedrich Engels.

Link:
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/

 

Volkstrauertag und Gettysburg Address

Heute ist Volkstrauertag. Seit 1952 ist der vorletzte Sonntag des Kirchenjahres dem Gedenken von Kriegstoten und Opfern von Gewaltherrschaft. Wichtig ist hier, dass es nicht um eine Verherrlichung vermeintlicher deutscher Heldentaten geht. Alle Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft stehen gemeinsam im Zentrum.

Genau heute jährt sich die Einweihung des Soldatenfriedhofs auf dem Schlachtfeld von Gettysburg in Pennsylvania. Dort hielt Präsident Abraham Lincoln eine Rede, die heute zu den berühmtesten von US-Präsidenten gehaltenen Reden zählt. Martin Luther King wählte bspw. als Einstieg in seine I-have-a-dream-Rede eine ganz ähnliche Satzkonstruktion. Hier die Rede in ganzer Länge:

Four score and seven years ago our fathers brought forth on this continent, a new nation, conceived in Liberty, and dedicated to the proposition that all men are created equal.

Now we are engaged in a great civil war, testing whether that nation, or any nation so conceived and so dedicated, can long endure. We are met on a great battle-field of that war. We have come to dedicate a portion of that field, as a final resting place for those who here gave their lives that that nation might live. It is altogether fitting and proper that we should do this.

But, in a larger sense, we can not dedicate – we can not consecrate – we can not hallow – this ground. The brave men, living and dead, who struggled here, have consecrated it, far above our poor power to add or detract. The world will little note, nor long remember what we say here, but it can never forget what they did here. It is for us the living, rather, to be dedicated here to the unfinished work which they who fought here have thus far so nobly advanced. It is rather for us to be here dedicated to the great task remaining before us – that from these honored dead we take increased devotion to that cause for which they gave the last full measure of devotion – that we here highly resolve that these dead shall not have died in vain – that this nation, under God, shall have a new birth of freedom – and that government of the people, by the people, for the people, shall not perish from the earth.

Abraham Lincoln
November 19, 1863

Der Begriff „score“ meint eine Einheit von zwanzig, also vor 87 Jahren (4 × 20 + 7 = 87). Die Bewertung von Lincolns Rede war durchaus unterschiedlich. Er selbst hielt sie für schwach. Sein mit zwei Stunden Redezeit ausführlicherer Vorredner Edward Everett schrieb in einem Brief an Lincoln:

I should be glad if I could flatter myself that I came as near to the central idea of the occasion, in two hours, as you did in two minutes.

Die Chicago Times kannte 1863 Präsident Trump noch nicht. Daher goss sie ihre Häme über Abraham Lincoln aus:

The cheek of every American must tingle with shame as he reads the silly, flat and dishwatery utterances of the man who has to be pointed out to intelligent foreigners as the President of the United States

Links
http://www.volkstrauertag.de/
http://www.abrahamlincolnonline.org/
http://www.loc.gov/exhibits/gettysburg-address/
https://en.wikipedia.org/wiki/File:Gettysburg_Address_Bliss_copy.jpg

Namenstag der Hll. Maria und Martha

Heute ist der Namenstag der Schwestern Maria und Martha von Bethanien. Im Evangelium nach Johannes wird von ihnen erzählt und im Evangelium nach Lukas. Dort ist über die beiden Schwestern folgende Passage zu lesen (Lukas 10, 38–42):

Sie zogen zusammen weiter und er kam in ein Dorf. Eine Frau namens Martha nahm ihn freundlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Martha aber war ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen. Sie kam zu ihm und sagte: „Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!“ Der Herr antwortete: „Martha, Martha, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.“

Es geht hier nicht darum, dass müßig rumzusitzen besser sei als einen Gast zu bewirten. Wir kennen das von manchen Menschen, die sich mit Haushaltsarbeiten beschäftigen, ablenken, um nur nicht über etwas Wichtiges nachdenken zu müssen oder sich einem bestimmten Menschen zuzuwenden. Zu vergleichen ist das vielleicht mit den ersten beiden Vorübergehenden im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Pünktlicher Tempeldienst ist bestimmt nichts Schlechtes. Aber einem anderen Menschen in einer empfindlichen Notsituation zu helfen, ist dann doch dringlicher und vor allem wichtiger.

Übrig blieb von dieser Passage eine jahrhundertelange Gleichsetzung von Maria mit der namenlosen Sünderin der Fußsalbung und Maria Magdalena einerseits und die Einsetzung der Hl. Martha als Schutzpatronin der Kellner. DA ist mal wieder am Kern vorbei gehandelt worden; aber genau darum geht es ja in der Geschichte.

Das Evangelium nach Lukas ist übrigens das weiblichste der vier Evangelien. Manche meinen sogar, es sei dem Evangelisten von Maria Magdalena diktiert worden. Viele weibliche Personen kommen in diesem Evangelium vor, an prominenten Stellen. So sind es beispielsweise Frauen, die als erste den Auferstandenen am Ostermorgen sehen.

Über die Rollen von Männern und Frauen wird heute wieder viel gestritten. Mittlerweile unterscheiden wir biologisches und soziales Geschlecht, untersuchen die angestrebte Gleichbehandlung im Arbeitsleben und diskutieren die Einrichtung von Unisex-Toiletten. Manchem dröhnt davon der Schädel. Mit Begriffen wie Genderwahn und Gendergaga werden solche Fragen von konservativen und weniger flexiblen Kreisen abgetan.

Dies ist auch der marketingwirksame Titel, unter dem Professor Thorsten Dietz einen Video-Vortrag hält, der von der evangelischen Organisation Worthaus auf YouTube bereitgestellt wurde. Das Bob-Dylan-T-Shirt soll uns nicht in die Irre führen; Prof. Dietz ist ein seriöser Wissenschaftler, der seinen Forschungsgegenstand fundiert bearbeitet hat. Aber er kann, wie auch andere Redner bei Worthaus, seine Erkenntnisse locker und verständlich rüberbringen. Die Worthaus-Beiträge sind zwischen einer und anderthalb Stunden lang. Die Zeit lohnt sich.

Link
http://worthaus.org/

Quasi Top-Five-Listen von Schriftstellern mit heutigem Geburts- oder Todestag

Heute ist mal wieder ein besonders wichtiger Tag für die Welt der Dichter und Denker und für die der Leser. Wenn ich mir meine letzten (und die heute aufgestellten) Top-Five-Listen so anschaue, drängt sich mir das GEfühl auf, dass ich mich stärker disziplinieren muss. Warum heißen diese Listen wohl Top Five? Nichtsdestotrotz hier eine auf sieben aufgestockte Top-Five-Liste der Schriftsteller, die heute, am 02. Juli, Geburtstag haben:

  • Abraham a Sancta Clara (1644–1709) – Über 600 Schriften hinterließ uns dieser Ordensmann und ist damit einer der bedeutendsten Dichter des deutschsprachigen katholischen Barock. Ich lernte ihn durch Judas Der Ertz-Schelm kennen, ein Werk, das den Verräter Christi in eine Ecke mit dem Vatermörder Oidipus stellt.
  • Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803) – Aufklärung, Empfindsamkeit – mit diesen Worten verbindet man Klopstock. Er träumte von einer deutschen Gelehrtenrepublik und einem deutschen Nationalepos, das von ihm zu schaffen sei, der Messias. Ich kann beim Lesen seiner Texte heute keine große Freude empfinden. Seiner Bedeutung in der Literaturgeschichte tut dies keinen Abbruch.
  • Lily Braun (1865–1916) – Die stolze Frauenrechtlerin und Sozialdemokratin ist bestimmt einen langen Eintrag wert. Tatsächlich habe ich mich noch nicht lang und intensiv genug mit ihr beschäftigt. Ich kam zu ihr über ihren Sohn, den Hochbegabten 1918 mit 20 Jahren gefallenen Otto Braun. Auf meiner ewig langen Leseliste stehen die Memoiren einer Sozialistin.
  • Hermann Karl Hesse (1877–1962) – Er überstrahlt heute alle anderen Jubilare; denn dies ist mit 130 Jahren ein runder Geburtstag. Außerdem gelingt es seinen Texten bis heute, sowohl bei Deutschlehrern als auch pubertierenden Schülern beliebt zu sein. Allein dafür hätte er in meinen Augen seinen Literaturnobelpreis (1946) bereits verdient.
  • Hans Günther Adler (1910–1988) – Er promoviert über Klopstock und arbeitete bei der Urania für die Volksbildung. Er geriet in die Fänge der Nationalsozialisten und überlebte das Grauen. Er schrieb sowohl Belletristik als auch Sachbücher zu den sein Leben prägenden Ereignissen. Als Standardwerk gilt bis heute: Theresienstadt 1941–1945, Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft.
  • Josef Guggenmos (1922–2003) – Guggenmos ist ein wichtiger Vertreter der Literatur für Kinder. Ich bin mit Texten von ihm aufgewachsen. Mittlerweile tragen einige Grundschulen seinen Namen, der irgendwie zu Kinderlyrik besonders gut zu passen scheint.
  • Wisława Szymborska (1923–2012) – Die polnische Literaturnobelpreisträgerin (1996) habe ich in diesem Jahr schon einmal erwähnt. Am 1. Februar war ihr fünfter Todestag. Zum Eintrag inklusive einem Gedicht von ihr.

Der 2. Juli ist aber auch der Todestag bedeutender Autoren. Daher gleich noch eine sieben Namen umfassende Top-Five-Liste (sortiert nach Todesjahr):

  • Nostradamus (1503–1566) – Ich gestehe, seine Schriften nicht tatsächlich gelesen zu haben. Immer wieder hört man, er habe das eine oder andere vorhergesagt. In dieser Liste steht er vor allem, um zu zeigen, dass sein Werk zur Dichtung gezählt werden muss.
  • Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) – Sein Leben könnte eher aus einem Schundroman stammen. Seine Werke haben die europäische Geisteswelt nachhaltig verändert. Sie sind das Fundament der Aufklärung. Bis heute kann man zumindest Anregungen aus seinen Schriften zu wirtschaftlichen, sozialen und pädagogischen Fragen ziehen. Heute mag ich einen Satz aus seinem Buch Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen (1755) besonders gern, den ich am Ende dieses Eintrags wiedergebe.
  • Ernest Miller Hemingway (1899–1961) – Über Literaturnobelpreisträger (1954) muss ich wohl nicht so viel schreiben. Die sind meist bekannt. Hemingway ist übrigens mehr als Der alte Mann und das Meer.
  • Vladimir Nabokov (1899–1977) – Nabokov gehört noch stärker als Hemingway zu den Künstlern, deren Gesamtwerk hinter dem Ruhm eines einzelnen Werkes zurücktritt; zumal es in seinem Falle auch noch ein pikantes ist. Lolita ist sogar genrebildend geworden. Wer kennt einen weiteren Text von Nabokov?
  • Josef Mühlberger (1903–1985) – Der Sudetendeutsche schrieb 1934 den Roman Die Knaben und der Fluss. Unser heutiges Geburtstagskind Hesse schrieb darüber, es sei wie eine Vogelmelodie, die schönste und einfachste junge Dichtung, die [er] seit langer Zeit gelesen habe.
  • Mario Gianluigi Puzo (1920–1999) – Wahrscheinlich kennt man eher die Verfilmungen seiner Bücher. Für Der Pate und Der Pate, Teil II erhielt er je einen Oscar; denn die Drehbücher hatter Puzo ebenfalls erarbeitet. Ich glaube aber, dass der Ruhm doch eher dem Regisseur Francis Ford Coppola und natürlich den unvergleichlichen Marlon BRando und Al Pacino zu verdanken ist.
  • Elie Wiesel (1928–2016) – Wiesel ist ein Holocaust-Überlebender und wichtiger Zeitzeuge, der in Romanen und Sachbüchern den Faschismus damals thematisiert und der Fratze der Unmenschlichkeit auch in unseren Tagen die Maske herunterriss. 1986 erhielt er den Friedensnobelpreis für seine Vorbildfunktion im Kampf gegen Gewalt, Unterdrückung und Rassismus.

Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen: dies ist mein und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Gründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Not und Elend und wie viele Schrecken hätte derjenige dem Menschengeschlecht erspart, der die Pfähle herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: „Hütet euch, auf diesen Betrüger zu hören; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, das die Früchte allen gehören und die Erde niemandem.“
aus: „Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“
von: Jean-Jacques Rousseau

Spanisch ist die Sprache der Liebe

Bob Dylan, Literaturnobelpreisträger, veröffentlichte in meinem Geburtsjahr eine Aufnahme unter dem Titel Spanish is the Loving Tongue, die in ihrer Stilistik eine Ausnahme in seinem Schaffen darstellt, für mich allerdings prägend war, weil sie sich auf meiner zweiten eigenen Bob-Dylan-Platte befand.

Die Grundlage für dieses Lied bildet das Gedicht A Border Affair des amerikanischen Dichters Clark Badger (1883–1957), das 1919 in der Sammlung Sun and Saddle Leather veröffentlicht wurde. Badger ist einer der großen Cowboy-Dichter Amerikas. Er lebte sogar einige Zeit im berühmt-berüchtigten Tombstone in Arizona, nahe der mexikanischen Grenze, bis er schließlich zum offiziellen Staatsdichter von South Dakota ernannt wurde. In dem Buch Sun and Saddle Leather findet sich auch ein anderes, heute weit verbreitetes Gedicht: A Cowboy’s Prayer. Ein Gebet, das Gott nicht in amtskirchlichen Organisationseinheiten sondern vielmehr in der Natur sucht.

Doch zurück zum eigentlichen Thema: A Border Affair erzählt die Geschichte eines Mannes, der aus den USA stammend einer Frau in Mexiko begegnet. Von ihr lernt er die Sprache der Liebe, zu der zumindest die zwei spanischen Ausdrücke mi amor (meine Liebe) und mi corazon (mein Herz) gehören. Wegen eines Kampfes nach verlorenem Pokerspiel muss der liebende Mann über die Grenze fliehen. Da er nicht mehr zurück nach Mexiko kann, wird er seine Geliebte nie wieder sehen. Aber Spanisch ist ihm zur Sprache der Liebe geworden.

Spanish is the lovin‘ tongue,
Soft as music, light as spray.
Twas a girl I learnt it from,
Livin‘ down Sonora way.
I don’t look much like a lover,
Yet I say her love words over
Often when I’m all alone—
„Mi amor, mi corazon.“

Nights when she knew where I’d ride
She would listen for my spurs,
Fling the big door open wide,
Raise them laughin‘ eyes of hers
And my heart would nigh stop beatin‘
When I heard her tender greetin‘,
Whispered soft for me alone—
„Mi amor! mi corazon!“

Moonlight in the patio,
Old Señora noddin‘ near,
Me and Juana talkin‘ low
So the Madre couldn’t hear—
How those hours would go a-flyin‘!
And too soon I’d hear her sighin‘
In her little sorry tone—
„Adios, mi corazon!“

But one time I had to fly
For a foolish gamblin‘ fight,
And we said a swift goodbye
In that black, unlucky night.
When I’d loosed her arms from clingin‘
With her words the hoofs kep‘ ringin‘
As I galloped north alone—
„Adios, mi corazon!“

Never seen her since that night.
I kaint cross the Line, you know.
She was Mex and I was white;
Like as not it’s better so.
Yet I’ve always sort of missed her
Since that last wild night I kissed her,
Left her heart and lost my own—
„Adios, mi corazon!“

Viele Folk- und Countrysänger haben diese Strophen mal mehr mal minder originalgetreu gesungen: Judy Collins, Bob Dylan, Marianne Faithfull, um nur einige zu nennen. Für einen YouTube-Link habe ich eine Version von Emmylou Harris ausgewählt. Ich hoffe, sie gefällt.

Aber warum schreibe ich das heute? Es ist weder Bob Dylans, Clark Badgers noch Emmylou Harris‘ Geburts- oder Todestag. Heute ist mein Lieblingsliebesbuch auf Spanisch erschienen. Wenn du nicht da bist … heißt ab heute auch Cuando no estás cerca … Vielen Dank an Fabian Esteban Osorio für die Übersetzung!

Folie1Ich möchte an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, dass dieses in mittlerweile sechs Sprachen erhältliche Buch als eine eindeutige Liebeserklärung verschenkt werden kann. Seine Originalität erkennt man daran, dass kein einziges Mal der Satz „Ich liebe dich.“ darin vorkommt.

Links
https://www.epubli.de/shop/buch/cuando-no-est-s-cerca-fabian-williges-9783745069532/64663
http://www.gutenberg.org/ebooks/36770Sun and Saddle Leather als freies Ebook
https://archive.org/details/sun_saddle_leather_eh_1411_librivox/Sun and Saddle Leather als freies Hörbuch

Todestage von Weltveränderern

Die Welt verändern! Einen Anstoß geben, der die Kugel in eine andere – und hoffentlich zukunftsträchtigere – Richtung weiterrollen lässt. Das ist der Traum vieler Menschen. Ich muss gestehen, dass ich wohl auch in diese Gruppe gehöre; in die der Träumer. Nun ist nicht jede Veränderung gleich eine Verbesserung. Im Wandel der Zeit kann sich die Bewertung ändern. Und oft sind sich unterschiedliche Interessengruppen gar nicht einig über die Bewertung einer Veränderung. So oder so, die fünf Personen auf meiner Top-Five-Liste heutiger Todestage haben diese Welt verändert zurückgelassen.

  • Johann Baptist Strauss (1825–1899) – Der Walzerkönig von Wien. Sein gleichnamiger Vater zeichnet verantwortlich für den Radetzky-Marsch, er schrieb die großen Walzer wie An der schönen blauen Donau, Wiener Blut und den Kaiser-Walzer sowie Operetten: Die Fledermaus und Der Zigeunerbaron, um nur zwei zu nennen. Langezeit waren romantische Szenen in Filmen ohne seinen musikalischen Beitrag schier unmöglich.
  • Franz Kafka (1883–1924) – Seitdem Max Brod die Texte Kafkas veröffentlichte, ist der Deutschunterricht wieder spannend. Das stimmt so natürlich nicht; denn erstmal waren Kafkas Texte in Nazi-Deutschland verboten. Auch ohne Nobelpreis steht dieses Werk monolithisch in der Landschaft der Weltliteratur.
  • Johannes XXIII. (1881–1963) – Noch unter dem bürgerlichen Namen Angelo Giuseppe Roncalli setzte er sich für Christen in der neu gegründeten Türkei und Juden aus Nazideutschland ein. Als Papst berief er das Zweite Vatikanische Konzil ein, das unter seinem Nachfolger Paul VI. zum Abschluss kam. In seiner letzten Enzyklika Pacem in terris (Friede auf Erden) weist Johannes XXIII. die Akteure des Kalten Krieges daraufhin, dass Streitigkeiten nicht durch Waffengewalt, sondern durch Verträge und Verhandlungen beizulegen sind.

  • Nâzım Hikmet (1902–1963) – Der Dramatiker und Lyriker gilt als Begründer der modernen türkischen Lyrik. Das heißt nicht, dass er zu Lebzeiten in seiner Heimat wohlgelitten gewesen wäre. Er starb im russischen Exzil. 2009 bekam er postum die türkische Staatsbürgerschaft zurück. Die letzte Strophe aus seinem Gedicht Davet (Einladung) kennt man in Deutschland vor allem als Refrain des Liedes Leben einzeln und frei von Hannes Wader.

  • Ruhollah Musawi Chomeini (1902–1989) – Er ist die zentrale Figur der Islamischen Revolution, die 1979 zur Absetzung des Schahs Pahlavi in Persien und zur Gründung der Islamischen Republik Iran führte. Seitdem hieß er Ajatollah und ersetzte das alte Unrechtsregime durch ein neues. Ich persönlich bin ein religiöser Mensch; doch bin ich auch ein Verfechter der Gewaltenteilung. Chomeini sieht das anders. Bereits 1943 schrieb er: Die islamische Regierung ist die Regierung des göttlichen Rechts, und ihre Gesetze können weder gewechselt, noch geändert, noch angefochten werden.

Davet

Dörtnala gelip Uzak Asya’dan
Akdeniz’e bir kısrak başı gibi uzanan
bu memleket, bizim.

Bilekler kan içinde, dişler kenetli, ayaklar çıplak
ve ipek bir halıya benziyen toprak,
bu cehennem, bu cennet bizim.

Kapansın el kapıları, bir daha açılmasın,
yok edin insanın insana kulluğunu,
bu dâvet bizim.

Yaşamak bir ağaç gibi tek ve hür
ve bir orman gibi kardeşçesine,
bu hasret bizim!

Einladung

Dieses Land, das im Galopp aus dem fernen Asien kam
und sich wie ein Stutenkopf ins Mittelmeer streckt,
dieses Land ist unser.

Blutige Handgelenke, zusammengepresste Zähne, nackte Füße,
und die einem seidenen Teppich gleichende Erde,
diese Hölle, dieses Paradies sind unser.

Sich einem andern zu verdingen, damit soll Schluss, endlich Schluss sein,
schafft ab die Knechtschaft des Menschen durch den Menschen!
Diese Einladung ist unser.

Leben! Wie ein Baum, einzeln und frei
und brüderlich wie ein Wald,
diese Sehnsucht ist unser!

(Übersetzung von Helga Dagyeli-Bohne und Yildirim Dagyeli. In: Hikmet, Nazim; Die Luft ist schwer wie Blei. Hava Kursun Gibi Agir. Gedichte. Übersetzt und herausgegeben von Dagyeli-Bohne und Yildirim Dagyeli. Berlin 2000)

Drei weitere Todestage möchte ich nicht unerwähnt lassen, weil auch sie mir wie beim Tod Chomeinis zeigten, dass ich gerade das Ende einer Ära erlebe:

  • Anthony Quinn (1915–2001)
  • David Carradine (1936–2009)
  • Muhammad Ali (1942–2016)

Todestag bedeutende Schnurrbartträger

Gestern war der Geburtstag einer der schändlichsten Schnurrbartträger, dessen Lebensgeschichte mit der Deutschlands, Europas und der Welt verquickt ist, dass kein anständiger Mann heute noch seinen Bart in seinem Stil tragen würde. Lediglich eine Assoziation zum anderen, nämlich zu Charlie Chaplin, würde das Tragen eines Zweifingerbartes für mich rechtfertigen. Aber es gibt viele andere Schnurrbartformen. Und es gibt eine lange Reihe berühmter Bartträger. Fünf von ihnen haben heute ihren Todestag:

  • Friedrich Hermann Loew (1807–1879) – Er war Mathematiklehrer, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung und ein wichtiger Insektenforscher. Der größte Teil seiner Sammlung von 7.500 Arten befindet sich im Museum für Naturkunde in Berlin, der Rest in Harvard. Rund 4000 Arten beschrieb Loew zum ersten Mal. Sein GRab befindet sich in Halle an der Saale.
  • Carl Gustav Friedrich Hasselbach (1809–1882) – Über 30 Jahre war Hasselbach der (Ober-)Bürgermeister von Magdeburg. In seine Amtszeit fällt der Umbau der Stadt in eine moderne Großstadt. Der nach im benannte Hasselbachplatz ist Verkehrsknotenpunkt und wichtiger Bestandteil des Magdeburger Nachtlebens.
  • Samuel Langhorne Clemens (1835–1910) – Unter seinem bürgerlichen Namen kennt man ihn kaum. Clemens wurde als Mark Twain bekannt. Seine berühmtesten Figuren Tom Sawyer und Huckleberry Finn sind allerdings bartlos.
  • John Maynard Keynes (1883–1946) – Seine wirtschaftstheoretischen Überlegungen bildeten 1967 die Grundlage für das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz in der Bundesrepublik Deutschland, dessen „Magisches Viereck“ Teil meines WiSo-Unterrichts ist. Die originalen Theorien Keynes‘ sind zu komplex für den Unterricht.
  • Prince Rogers Nelson (1958–2016) – Wenn man weltweit nur mit seinem Vornamen bekannt ist, hat man es wohl besonders gut gemacht. Seit einem Jahr muss diese Welt ohne Prince auskommen. Seine Songs sind unvergessen.

Die Lage der Welt anhand einer Top-Ten-Liste

Wir befinden uns in der Karwoche oder auch Stillen Woche zwischen Palmsonntag und Gründonnerstag, Karfreitag und schließlich Ostern. Es ist die wichtigste Woche im christlichen Kalender. Mit Entsetzen und Bestürzung nehme ich die zwei Anschläge auf christliche Kirchen in Ägypten zur Kenntnis. Gotteshäuser jeder Glaubensrichtung sollten in jedem Wortsinne sakrosankt sein. Heute jährt sich jedoch auch bereits zum 15. Mal der Anschlag auf die Al-Ghriba-Synagoge auf der tunesischen Insel Djerba, zu dem sich damals Al-Qaida bekannten. 19 Touristen starben damals, 30 wurden zum Teil schwer verletzt.

Doch zu Entwicklungen aus jüngster Vergangenheit und Tagesgeschehen kann und will ich mich jetzt nicht ausführlich äußern. Stattdessen biete ich meinen werten Lesern einer doppelten Top-Five-Liste mit Ereignissen des 11. April, in denen sich die heutige Weltlage spiegelt:

  • Hl. Stanislaus, der Bischof von Krakau, hatte den polnischen König Boleslaus II. mehrfach für seinen Lebenswandel kritisiert und schließlich exkommuniziert. Dieser verurteilte den Bischof zum Tode. Doch kein Ritter wollte den König unterstützen. Schließlich erschlug der König 1079 selbst den Heiligen, während dieser die Messe las. Seinen Sieg über den Kirchenmann konnte er nicht feiern. Ein Volksaufstand zwang ihn ins ungarische Exil, wo er zwei Jahre später verstarb.
  • Die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach wurde Karfreitag 1727 in der Leipziger Thomaskirche uraufgeführt. Es gibt keine überlieferte Stellungnahme zu dieser Aufführung. Es scheint dieses Werk weitgehend ignoriert worden zu sein. Nach Bachs Tod geriet es fast vollständig in Vergessenheit. Felix Mendelssohn Bartholdy führte sie 1829 in gekürzter Fassung wieder auf und läutete damit die Bach-Renaissance ein. Heute ist die Bedeutung der Matthäus-Passion unbestritten.
  • 1814 überreichen die Siegermächte der Koalitionskriege Napoléon ein halbes Jahr nach der Völkerschlacht bei Leipzig ein Vereinbarung, die seine bedingungslose Abdankung zum Inhalt hat. Er unterschreibt zwei Tage später und geht in die Verbannung nach Elba.
  • Die Jungfernfahrt der Titanic begann bereits am 10. April 1912 in Southampton. Doch heute vor 105 Jahren machte sie sich vom irischen Queenstown auf die Reise nach New York, das sie niemals erreichen sollte.
  • Charlie Chaplins Stummfilm The Tramp hat 1915 Premiere. Die Filmfigur des Tramp gab es bereits ein Jahr vorher. Und sie begleitete Chaplin bis ins Jahr 1936, da er am Ende von Modern Times auf einem endlosen Highway ins Nirgendwo verschwindet.
  • Die Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora werden 1945 von US-amerikanischen Soldaten befreit. In Buchenwald hatten sich vorher schon Widerstandsgruppen gebildet, die bereits 125 SS-Männer gefangengenommen hatten. In den Folgetagen wurden die Einwohner Weimars durch Buchenwald geführt und mit den Gräueln konfrontiert. Niemand soll sagen, die KZs hätte es nicht gegeben!
  • 1961 hat Bob Dylan seinen ersten professionellen Auftritt in Gerde’s Folk City im New Yorker Greenwich Village. Er ist ein Teil des Vorprogramms von John Lee Hooker. Doch wichtiger an diesem Tag wird wohl der Beginn des Prozesses gegen den SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann in Israel gewesen sein.
  • In seiner Enzyklika Pacem in terris (Über den Frieden auf Erden) richtet sich mit Johannes XXIII. zum ersten Mal ein Papst nicht nur an alle Katholiken, sondern an alle Menschen guten Willens. Er schrieb, dass Konflikte nicht durch Waffengewalt, sondern durch Verträge und Verhandlungen beizulegen sind.
  • Der Studentenführer Rudi Dutschke wird 1968 Opfer eines Attentats durch den Hilfsarbeiter Josef Bachmann. Dutschke stirb Heiligabend 1979 an den Spätfolgen dieses Attentats. Bachmann lernte das Schießen bei einem NPD-Funktionär in Peine.
  • Bei der Oscarverleihung 1983 erhält der Film Gandhi von Richard Attenborough mit Ben Kingsley in der Titelrolle acht Oscars, darunter bester Film und bester Hauptdarsteller. Die Konkurrenz in jenem Jahr war äußerst prominent, nämlich unter anderem: Tootsie, E.T., Ein Offizier und Gentleman, Das Boot, Poltergeist, Blade Runner und Garp und wie er die Welt sah. Doch ein Film über gewaltlosen Widerstand tat den von Ronald Reagan geführten USA gut.

Musikalische Geburtstage

Der Frühling liegt in der Luft. Immer wieder erwischt sich auch der Herr im grauen Anzug mit einer gesummten Melodie auf den Lippen. Es kann kein Zufall sein, dass heute der Geburtstag einiger großartiger Musiker ist, die ich hier in einer der gewohnten Top-Five-Listen versammeln möchte:

  • Céline Marie Claudette Dion (* 1968) – Die Kanadierin gehört zu den erfolgreichsten Popsängerinnen der Welt. Ich habe keine CD von ihr, aber ich müsste das Radio auch nicht ausstellen, wenn ihre Stimme zu hören ist.
  • Tracy Chapman (* 1964) – Diese Singer-Songwriterin ist dann schon eher nach meinem Geschmack. Aber auch hier muss ich gestehen, dass ich zumindest bei den neueren Veröffentlichungen nicht auf dem Laufenden bin.
  • MC Hammer (* 1962) – Der Rapper steht für die schrill-bunten 90er wie kaum ein Zweiter. Aber so sehr man auch schmunzeln mag, seine Songs blieben mir bis heute im Gedächtnis.
  • Wolfgang Niedecken (* 1951) – Jetzt wird er schon 66 Jahre. Da ist seine Geburt schon verdamp lang her. Zumindest länger als mein letzter schlechter Wortwitz.
  • Eric Patrick Clapton (* 1945) – Mister Slowhand hat wohl bald jeden Rekord gebrochen, den es im Musikalischen gibt. Nun gehört er bald zu den letzten Überlebenden Großen. Wer wird eigentlich bei seiner Beerdigung spielen?

Heute wird außerdem noch der evangelische TV-Pfarrer Jürgen Fliege glatte 70 Jahre, während der bayerische Landesbischof und EKD Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm heute erst 57 Jahre alt ist.

Der wichtigste Geburstag heute ist aber wohl der von Vincent Willem van Gogh (1853–1890). Viele seiner Bilder zeigen besonders die hellen Jahreszeiten. Für die berühmten Sonnenblumen ist es allerdings noch etwas zu früh im Jahr. Heute vor genau 30 Jahren wurde ein Bild aus dieser Serie für den Rekordpreis von 24,75 Millionen Pfund versteigert.

Dark Creature und die Buchmesse

Dieses Wochenende steht ganz im Zeichen der Leipziger Buchmesse. Ich bin die letzten zwei Tage über das Messegelände getigert. Heute tun mir die Füße weh, so dass ich einen Schreibtischtag einlege, bevor ich abends der Lesung einer guten Freundin beiwohnen werde.

Zu dieser Messe ist beim Verlag Romantruhe in der Anthologie Dark Creature (ISBN 978-3-86473-277-5) der Horror-Website Geisterspiegel.de meine Ballade Der Knappe von Schloss Champtocé erschienen. Die Sammlung enthält Horror-Erzählungen, die nicht ausschließlich fantastisch sind, sondern vielmehr eine historische Grundlage besitzen.

Buchcover Dark-Creature

In meiner Ballade geht es um den hundertfachen Kindermörder Gilles de Rais, der im 15. Jahrhundert erst ein Volksheld des Hundertjährigen Krieges gewesen war. Ich habe mich bemüht, die Ballade ganz im Sinne der klassischen Regeln und Formen zu verfassen. Zum Anfüttern hier zwei der 37 Strophen:

„Ein Fürst ist einem Bauern gleich,
Der baut am Feldrand Schanzen,
Damit sein Volk gedeiht im Reich.
Sein Volk, das sind die Pflanzen.
Hier pflügt er kreuz und quer das Land
Und bildet rohe Häufel.
Das ist kein Mensch mehr mit Verstand
Den lenkt nicht Gottes milde Hand;
Den lenkt ein finstrer Teufel!

Wenn nun der Fürst des Teufels ist
Und tötet statt zu schützen,
Dann darf man, wie man’s wohl ermisst,
Nicht seine Herrschaft stützen.“
Sein Fatum brachte Pierre zum Ort;
Er kann sich nicht verkriechen.
Nun gilt nur eins, ein einzig Wort:
Verübe den Tyrannenmord!
– Wie dereinst bei den Griechen.

Links
http://www.geisterspiegel.de/
http://www.romantruhe.de/
http://www.leipziger-buchmesse.de/