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Ein Wochenende im Sommer

Der Sommer ist über Deutschland hereingebrochen. Und ich wollte dieses Wochenende besonders begehen. Ich möchte es nun nicht gleich einen Kurzurlaub nennen. Aber einiges ist schon gewesen, was nicht zu jedem Wochenende passiert.

Der Freitag begann mit einer Autotour nach Potsdam; denn dort besuchte ich die Hauptversammlung der Studio Babelsberg AG. Ich bin alles andere als ein Großaktionär, aber ich erwerbe gern einzelne Aktien von interessanten Unternehmen aus der Umgebung, um an deren Hauptversammlungen teilzunehmen und über wirtschaftliche Entwicklungen auf dem Laufenden zu sein. Mehr mag ich jetzt nicht dazu schreiben. Nach vier Stunden in einem klimatisierten Kino hat mich das Nachmittagswetter schier erschlagen.

Ich fuhr mit weit geöffneten Fenster über Land nach Coswig in Anhalt. Bisher kannte ich nur den Namen und war noch nie dort gewesen. Sofort fiel mir die St.-Nicolai-Kirche auf, die ich dann auch aufsuchte, schon allein um Kühlung zu erfahren. St. Nicolai ist 1272 als Nonnenkloster erbaut worden und wird nach der Auflösung des Klosters im Zuge der Reformation seit 1527 als Stadtkirche genutzt. Sie ist das älteste Bauwerk in Coswig. Sofort fällt dem Besucher das barocke Gestühl inklusive Doppelemporen im Chor ins Auge. Der besondere Schatz von St. Nicolai sind aber zwei Werke Lucas Cranachs des Jüngeren sowie ein Abendmahlsbild aus der Cranach-Werkstatt (s.u.).

Abendmahl von einem Cranach-SchülerWährend ich die Kirche besichtigte, arbeitete noch eine Restauratorin am Epitaph für Ritter von Pogk aus dem Jahre 1577, der in seiner Üppigkeit durchaus eine Bseonderheit im reformatorischen Kirchenschmuck darstellt, wie mir die Restauratorin in einer kleinen Pause erklärte. Leider kann ich die Details gar nicht mehr wiedergeben.

Epitaph für Otto von Pogk (1578) von Lucas Cranach dem JüngerenIn Vorbereitung auf das große Reformationsjubiläum 2017 ist die Landesausstellung Sachsen-Anhalts in diesem Jahr Cranach dem Jüngeren gewidmet. Die Region um die Lutherstadt Wittenberg hat viele sogenannter Cranach-Kirchen. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.

2002 kürte die Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler St. Nicolai zur Kirche des Jahres. St. Nicolai ist außerdem eine der Radwegekirchen, über die ich vor kurzem geschrieben habe. Die Radwanderroute 12 – Flämingtour beginnt in Coswig. Die 32 km lange Strecke auf der Mitteldeutschen Kirchenstraße wollte ich aber ungeübt und bei diesen Temperaturen nicht auf mich nehmen. Coswig liegt außerdem am Lutherweg, der in den Bundesländern Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen alle wichtigen Stätten reformatorischen Schaffens und Lebensstationen Luthers verbindet.

 St. Nicolai in Coswig (Anhalt) St. Nicolai in Coswig (Anhalt) St. Nicolai in Coswig (Anhalt)
  Blick auf St. Nicolai Blick auf das Schloss in Coswig Gierfähre auf der Elbe

Das Schloss, das Rathaus und den Marktplatz von Coswig ließ ich links liegen und fuhr an die Elbe hinab zur Fähre. Für 3,50 EUR brachte der Fährmann mein Auto und mich auf das gegenüberliegende Ufer, wo ich auf der Elbterasse Wörlitzer Winkel ein Eis mit heißen Kirschen und dazu einen Eiskaffee genoss. Doch ich überstürze mich. Zunächst war ich noch von der Fähre ganz beeindruckt, die ich von der Terasse aus auch weiter beobachten konnte. Sie ist eine sogenannte Gierfähre. Eine Gierfähre ist an einem Seil fixiert und wird durch Schrägstellung im Fluss allein von der Strömung auf die andere Seite getrieben. So einfach wie genial. Ich frage mich, warum es überhaupt noch Fähren an Flüssen gibt, die mit Diesel betrieben werden.

Den Abschluss des Freitags bildete ein Spaziergang durch Teile des Parks in Wörlitz. Da blieb ich aber nicht mehr so lang. Ich wollte in die heimischen Vier Wände, um mich von der Last der Hitze zu befreien. Da ahnte ich noch nicht, dass mir der folgende Sonnabend – immerhin der Unabhängigkeitstag der USA – zeigen sollte, wie wenig unabhänig ich von so etwas Banalem wie dem Wetter wirklich bin. Ich war nämlich am Sonnabend zu jeder Tat absolut unfähig.

Erst in der Nacht, als es allmählich kühler wurde und sich unsere Fußballnationalmannschaft der Frauen die Niederlage bereits eingestehen musste, ging ich mit einem guten Freund in Die VILLA zu einer schönen Tanzveranstalltung mit düsterer Musik aus den 80er Jahren. In den Grüften soll es ja auch recht kühl sein.

Am Sonntag schaute ich den Film Zimt & Koriander, der das Schicksal einer griechischen Familie aus Istanbul während der Hochphase des Zypernkonflikts beleuchtet. Ich dachte, einen griechischen Film zu gucken, könnte irgendwas bewirken, aber das Ergebniss des Referendums in Griechenland belehrt mich eines Besseren.

Links
cranach2015.de – Landesausstellung Sachsen-Anhalt
mitteldeutsche-kirchenstrasse.de
lutherweg.de
kirchedesjahres.de
kirchenkreis-zerbst.de

Radwegekirchen

Es ist schon einige Zeit her, dass ich auf einem Fahrrad saß, geschweige denn regelmäßig auf zwei Rädern von Muskelkraft getrieben den Weg zwischen einem A und einem B überbrückte. Aber Richtung Sommeranfang ist zumindest die Vorstellung einer Radtour relativ verlockend.

Bei der Lektüre des aktuellen ZEIT-Magazins bin ich auf die Deutschlandkarte mit den Radwegekirchen gestoßen. Sie liegen an ausgewiesenen Radwanderwegen und sind geöffnet für kurze Andachten. Außerdem haben sie Toiletten und manchmal sogar Fahrradflickzeug. Besonders stark verbreitet ist die Idee der Radwegekirchen in Sachsen-Anhalt. Und in dem Bundesland liegt auch die Straße der Romanik. So ist zum Beispiel der Dom in Merseburg auch eine Radwegekirche.

Wenn es auch an diesem Wochenende des Sommeranfangs nicht ganz so freundlich aussieht, irgendwann in diesem Jahr sollte ich doch auch einmal wieder eine Radtour wagen. Interessierte Mitreisewillige dürfen sich gern melden.

Link
radwegekirchen.de

Der Namenstag des Hl. Blasius

Als überzeugter Lutheraner bete ich nicht zu Heiligen. Im Augsburger Bekenntnis heißt es, dass man der Heiligen gedenken solle, um sich dadurch im eigenen Glauben zu stärken. Die Lebensläufe der Heiligen zu studieren, dient also der Ausrichtung des eigenen Lebens nach christlichen Grundsätzen und nicht, um ihn als Stellvertreter vor Gott bitten zu lassen. In diesem protestantischen Sinne möchte ich gern in unregelmäßigen Abständen Heilige an ihren (katholischen) Namenstagen vorstellen. Der 3. Februar ist der Namenstag des Hl. Blasius.

Das mag ein Name sein, den der ausreichend Verdorbene nur mit einem Schmunzeln lesen oder gar aussprechen mag. Seinen Ursprung und seine Bedeutung hat er entweder aus dem Lateinischen – dann bedeutet er der Lispler –, oder aus dem Griechischen – dann steht er für den auf den König Christus Getauften.

Der Hl. Blasius lebte im ausgehenden zweiten und beginnenden dritten Jahrhundert und war Bischof von Sebaste in der heutigen Türkei. Er ist somit Zeitgenosse, Landsmann und Berufskollege des Hl. Nikolaus.

Während seiner Gefangenschaft soll der Hl. Blasius einem Mann das Leben gerettet haben, der drohte an einer Fischgräte zu ersticken. Dieser Legende wegen gilt er als Schutzheiliger gegen Halserkrankungen. In manchen Gegenden wird bis heute am 3. Februar der Blasiussegen erteilt. Das ist nicht ganz unpassend; denn der Tag liegt mitten in der Grippezeit. Als ein Wolf das Schwein einer sonst armen Frau raubte, brachte allein das Gebet des Eingekerkerten das Schwein zurück. Sie dankte dem Bischof, indem sie das Schwein schlachtete und ihm Teile davon ins Gefängnis schmuggelte. Doch er bat sie nur, nach seinem Tod jedes Jahr zu seinem Gedenken eine Kerze zu entzünden. Deshalb wird der Heilige oft mit einer oder zwei Kerzen dargestellt. Schließlich erlitt der Hl. Blasius das Martyrium. Er sollte ertränkt werden, ging allerdings wie vormals Jesus über das Wasser. Schließlich wurde er enthauptet. Das war im Jahr 316 unter Kaiser Licinius.

Wichtig finde ich an dieser Heiligenlegende wie an vielen anderen auch, dass der Glaube an Gott nicht Superheldenkräfte verspricht, die einen vor jedem Unheil bewahren. Solche Geschichten könnten uns auch keinen Trost spenden. Die Szene mit dem Hl. Blasius, der über das Wasser schreitet, zeigt die Kraft Gottes. Seine Enthauptung führt uns vor Augen, was wir Menschen einander antun.


Ein berühmter Träger dieses Namens ist der französische Physiker und Philosoph Blaise Pascal (1623–1662). Von ihm stammt eine frühe Rechenmaschine, die allerdings nur addieren und subtrahieren konnte. Der Weg zum heutigen Rechner war also noch sehr weit. Seine Überlegungen zu Vakuum und Luftdruck führten zu der nach ihm benannten Einheit. Ein Pascal ist der Druck von einem Newton auf einen Quadratmeter.

Wir dürfen uns Pascal aber nicht als einen kalten Mathematiker vorstellen. Er selbst konstatierte, dass menschliches Erkennen immer auf Zusammenspiel von Herz und Verstand gründe. Als christlicher Apologet konstruierte Blaise Pascal die sogenannte Pascal’sche Wette. Die Argumentation verläuft so, dass es nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung stets eine bessere Wette sei, an Gott zu glauben und diesen Glauben zu praktizieren, weil der zu erwartende Gewinn mindestens gleich groß oder größer sei als der zu erwartende Gewinn im Falle des Unglaubens.


Für mich persönlich verbindet sich der Name seit früher Kindheit mit dem Dom St. Blasii zu Braunschweig. Als Teil des Ensembles um die Burg Dankwarderode wurde der Dom 1173 von Heinrich dem Löwen gestiftet. Der Herzog von Sachsen und Bayern ist auch im Dom bestattet, gemeinsam mit seiner zweiten Frau Mathilde von England.

Der Braunschweiger Dom ist für mich in seiner heutigen ästhetischen Wirkung das Idealbild einer protestantischen Kirche: Romanische Schlichtheit mit Gotischen Anbauten. In Sachsen-Anhalt gibt es besonders viele Kirchen dieser Bauart. Verbunden sind sie zur Straße der Romanik.

An dieser Straße gibt es auch noch eine weitere Kirche, die dem Hl. Blasius geweiht ist, obwohl er insgesamt eher sollten als Kirchenpatron gewählt wurde. Im kleinen Altenburg bei Bernburg (Saale) findet sich die Dorfkirche St. Blasius, die 1288 erstmals urkundlich erwähnt wurde.


In Bauernweisheiten ist noch überliefert, dass der Winter zum Blasiustag zwar noch lange nicht vorbei sei, aber langsam seine Härte einbüße. Und das ist ja auch etwas Gutes.

 

Links
braunschweigerdom.de
strassederromanik.de
die-strasse-der-romanik.de