Frohe Weihnachten

Mein Weihnachtsgruß ist bebildert mit dem Werk eines Niederländischen Meisters (1490–1510). Es ist der Flügel eines Marienaltars, welcher der Kirche St. Peter und Paul in Wróblewo (Sperlingsdorf) bei Danzig 1591 von der Witwe Ursula Schewecke, geb. Wennenpfennings gestiftet wurde. In dieser Kirche stand der Altar bis 1945. Heute ist er im Danziger Nationalmuseum zu sehen. Dort bin ich im Sommer 2018 über dieses Bild gestolpert.

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Mich hat die Abbildung sofort an den Koran erinnert. Koran und Jesus? Ja. Jesus ist im Islam eine wichtige Person. Er wird ein Prophet genannt, ein Gesandter und Messias. Sogar als Wort Gottes wird er bezeichnet und als neuer Adam. Nur die Gottessohnesschaft wird kathegorisch abgelehnt. Das weihnachtliche Geschehen wird in der Sure 19 erzählt, die auch den Namen Mariens trägt:

Da wurde sie mit ihm schwanger und zog sich mit ihm an einen fernen Ort zurück. Dann trieben sie die Wehen zum Stamm der Palme. Sie sagte: »Wäre ich doch nur schon zuvor gestorben und ganz und gar vergessen!« Da rief er ihr von unten zu: »Sei nicht traurig! Dein Herr hat unter Dir ein Bächlein fließen lassen. Rüttle den Palmenstamm zu dir hin, dann lässt sie frische Datteln auf dich fallen. Iss, trink und sei guten Muts! Wenn du jemanden von den Menschen siehst, sprich: ›Ich habe dem Barmherzigen ein Fasten gelobt, deswegen werde ich heute mit keinem Menschen reden.‹«

Sure 19, 22–26

Josef taucht im Koran nicht auf. Jesus braucht keinen Vater. Er ist tatsächlich der einzige Mensch, der im Koran nach seiner Mutter näher bestimmt wird: Isa ibn Maryam (Jesus, Sohn der Maria).

Wie kommt nun diese Schilderung auf einen Altarflügel einer christlichen Kirche? Der Schlüssel ist das Pseudo-Matthäus-Evangelium, das wahrscheinlich im 7. bis 8. Jahrhundert entstanden ist. Es führt mehrere andere apokryphe Evangelien leicht bearbeitet zusammen, wie das Protevangelium des Jakobus und das Kindheitsevangelium nach Thomas. Teile des Pseudo-Matthäus wurden im 13. Jahrhundert von Jakobus de Voragine in die Legenda Aurea aufgenommen. Aus dieser Legendensammlung bedienten sich die Kunstmaler auf ihrer Motivsuche.

Hier ist nun Josef mit dabei. Und die Wunder mit Dattelpalme und Quelle geschehen nicht bei der Geburt, sondern auf der Flucht nach Ägypten.

Am dritten Tag ihrer Reise geschah es, daß Maria von der allzu großen Sonnenglut in der Wüste müde wurde, und als sie einen Palmbaum sah, sprach sie zu Josef: „Ich möchte in seinem Schatten ein wenig ausruhen.“ Josef aber führte sie eilends zu der Palme und ließ sie von dem Lasttier absteigen. Als Maria sich niedergelassen hatte, schaute sie zur Krone der Palme hinauf und sah sie voller Früchte. Sie sagte zu Josef: „Wenn es möglich ist, möchte ich gern von den Früchten der Palme haben.“ Josef sprach zu ihr: „Es wundert mich, daß du dies sagst, weil du sehen kannst, wie hoch die Palme ist, und daß du trotzdem darüber nachdenkst, von den Palmfrüchten zu essen. Ich denke eher über unseren Wassermangel nach, da uns das Wasser in den Schläuchen zur Neige geht und wir nichts haben, womit wir uns und die Lasttiere erfrischen könnten.“

Da sagte das Jesuskind, das mit fröhlicher Miene auf dem Schoß seiner Mutter saß, zu der Palme: „Neige dich, Baum, und erfrische meine Mutter mit deinen Früchten!“ Und sogleich auf diesen Ruf neigte die Palme ihre Krone bis zu den Füßen Marias, und man sammelte von ihr Früchte, an denen sich alle gütlich taten. Als man alle Früchte von der Palme geerntet hatte, blieb sie in geneigter Stellung in der Erwartung, sich auf Befehl dessen wieder aufzurichten, auf dessen Geheiß sie sich geneigt hatte. Da sprach Jesus zu ihr: „Richte dich auf, Palme, und komm wieder zu Kräften! Sei Genossin meiner Bäume, die im Paradies meines Vaters stehen!

Öffne aber unter deinen Wurzeln eine Wasserader die in der Erde verborgen ist, und aus ihr sollen Wasser fließen, um unseren Durst zu stillen!“ Sogleich richtete die Palme sich auf, und an ihren Wurzeln begannen ganz klare, frische und ganz süße Wasserquellen zu sprudeln. Als sie aber die Wasserquellen sahen, freuten sie sich ungemein. Sie löschten den Durst zusammen mit allen Lasttieren und Menschen und sagten Gott Dank.

Kapitel 20, 1–3

Ich wünsche all meinen Freunden – Christen, Moslems, Andersgläubigen, Atheisten und Agnostikern – eine besinnliche und frohe Zeit! Eine gesegnete Weihnacht! Gott schaut auf uns und gibt uns nicht verloren.

Links
http://www.mng.gda.pl/ – Das Nationalmuseum in Danzig
https://corpuscoranicum.de/ – Koran-Projekt der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
http://12koerbe.de/ – Private Website des Altphilologen Hans Zimmermann, Görlitz

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