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Heilige Nacht

Heilige Nacht – Fröhlich soll mein Herze springen

Fröhlich soll mein Herze springen
Dieser Zeit, da vor Freud‘
Alle Engel singen.
Hört, hört, wie mit vollen Chören
Alle Luft Laute ruft:
Christus ist geboren!

Heute geht aus seiner Kammer
Gottes Held, der die Welt
Reisst aus allem Jammer.
Gott wird Mensch dir, Mensch, zugute.
Gottes Kind, das verbind’t
Sich mit unserm Blute.

Sollt‘ uns Gott nun können hassen,
Der uns gibt, was er liebt
über alle Maßen?
Gott gibt, unserm Leid zu wehren,
Seinen Sohn Aus dem Thron
Seiner Macht und Ehren.

Sollte von uns sein gekehret,
Der sein Reich und zugleich
Sich uns selbst verehret?
Sollt‘ uns Gottes Sohn nicht lieben,
Der jetzt kömmt, von uns nimmt,
Was uns will betrüben?

Hätte vor der Menschen Orden
Unser Heil Einen Greu’l,
Wär‘ er nicht Mensch worden.
Hätt‘ er Lust zu unserm Schaden,
Ei, so würd‘ unsre Bürd‘
Er nicht auf sich laden.

Er nimmt auf sich, was auf Erden
Wir getan, gibt sich an,
Unser Lamm zu werden,
Unser Lamm, das für uns stirbet
Und bei Gott Fuer den Tod
Gnad‘ und Fried‘ erwirbet.

Nun, er liegt in seiner Krippen,
Ruft zu sich mich und dich,
Spricht mit süßen Lippen:
Lasset fahr’n, o liebe Brüder,
Was euch quält, was euch fehlt,
Ich bring‘ alles wieder.

Ei, so kommt und lasst uns laufen!
Stellt euch ein, Groß und klein,
Eilt mit großem Haufen!
Liebt den, der vor Liebe brennet;
Schaut den Stern, der uns gern
Licht und Labsal gönnet.

Die ihr schwebt in großen Leiden,
Sehet, hier ist die Tür
Zu den wahren Freuden.
Fasst ihn wohl, er wird euch führen
An den Ort, da hinfort
Euch kein Kreuz wird rühren.

Wer sich fühlt beschwert im Herzen,
Wer empfind’t seine Sünd‘
Und Gewissensschmerzen,
Sei getrost, hier wird gefunden,
Der in Eil‘ machet heil
Die vergift’ten Wunden.

Die ihr arm seid und elende,
Kommt herbei, füllet frei
Eures Glaubens Hände!
Hier sind alle guten Gaben
Und das Gold, da ihr sollt
Euer Herz mit laben.

Süßes Heil, lass dich umfangen,
Lass mich dir, Meine Zier,
Unverrückt anhangen!
Du bist meines Lebens Leben;
Nun kann ich mich durch dich
Wohl zufrieden geben.

Meine Schuld kann mich nicht drücken,
Denn du hast meine Last
All‘ auf deinem Rücken.
Kein Fleck ist an mir zu finden,
Ich bin gar rein und klar
Aller meiner Sünden.

Ich bin rein um deinetwillen;
Du gibst g’nug Ehr‘ und Schmuck,
Mich darein zu hüllen.
Ich will dich ins Herze schließen;
O mein Ruhm, edle Blum‘,
Lass dich recht genießen!

Ich will dich mit Fleiß bewahren,
Ich will dir Leben hier,
Dir will ich abfahren;
Voller Freud‘ ohne Zeit
Dort im andern Leben.

Paul Gerhardt (1607–1676)

Vorabend des 4. Advent

4. Advent – O komm, o komm, du Morgenstern

O komm, o komm, du Morgenstern,
lass uns dich schauen, unsern Herrn.
Vertreib das Dunkel unsrer Nacht
durch deines klaren Lichtes Pracht.
Freut euch, freut euch, der Herr ist nah.
Freut euch und singt Halleluja.

O komm, du Sohn aus Davids Stamm,
du Friedensbringer, Osterlamm.
Von Schuld und Knechtschaft mach uns frei
und von des Bösen Tyrannei.
Freut euch, freut euch, der Herr ist nah.
Freut euch und singt Halleluja.

O komm, o Herr, bleib bis ans End,
bis dass uns nichts mehr von dir trennt,
bis dich, wie es dein Wort verheißt,
der Freien Lied ohn Ende preist.
Freut euch, freut euch, der Herr ist nah.
Freut euch und singt Halleluja.

John Mason Neale (1818–1866)
Deutsch von Otmar Schulz (*1938)

200 Jahre Night Before Christmas

Heute vor 200 Jahren, am 23. Dezember 1823 erschien in der Zeitung Troy Sentinel (im Staat New York) anonym das Gedicht A Visit from St. Nicholas, auch bekannt unter dem Namen The Night Before Christmas, auf dessen Autorenschaft später sowohl Clement Clarke Moore (1779–1863) als auch Henry Livingston, Jr. (1748–1828) Anspruch erhoben. Es geht wie folgt:

‚Twas the night before Christmas, when all thro‘ the house
Not a creature was stirring, not even a mouse;
The stockings were hung by the chimney with care,
In hopes that St. Nicholas soon would be there;
The children were nestled all snug in their beds,
While visions of sugar plums danc’d in their heads,
And Mama in her ‚kerchief, and I in my cap,
Had just settled our brains for a long winter’s nap —
When out on the lawn there arose such a clatter,
I sprang from the bed to see what was the matter.
Away to the window I flew like a flash,
Tore open the shutters, and threw up the sash.
The moon on the breast of the new fallen snow,
Gave the lustre of mid-day to objects below;
When, what to my wondering eyes should appear,
But a miniature sleigh, and eight tiny rein-deer,
With a little old driver, so lively and quick,
I knew in a moment it must be St. Nick.
More rapid than eagles his coursers they came,
And he whistled, and shouted, and call’d them by name:
»Now! Dasher, now! Dancer, now! Prancer and Vixen,
On! Comet, on! Cupid, on! Donder and Blitzen;
To the top of the porch! To the top of the wall!
Now dash away! Dash away! Dash away all!«
As dry leaves before the wild hurricane fly,
When they meet with an obstacle, mount to the sky;
So up to the house-top the coursers they flew,
With the sleigh full of toys — and St. Nicholas too:
And then in a twinkling, I heard on the roof
The prancing and pawing of each little hoof.
As I drew in my head, and was turning around,
Down the chimney St. Nicholas came with a bound:
He was dress’d all in fur, from his head to his foot,
And his clothes were all tarnish’d with ashes and soot;
A bundle of toys was flung on his back,
And he look’d like a peddler just opening his pack:
His eyes — how they twinkled! His dimples: how merry,
His cheeks were like roses, his nose like a cherry;
His droll little mouth was drawn up like a bow,
And the beard of his chin was as white as the snow;
The stump of a pipe he held tight in his teeth,
And the smoke it encircled his head like a wreath.
He had a broad face, and a little round belly
That shook when he laugh’d, like a bowl full of jelly:
He was chubby and plump, a right jolly old elf,
And I laugh’d when I saw him in spite of myself;
A wink of his eye and a twist of his head
Soon gave me to know I had nothing to dread.
He spoke not a word, but went straight to his work,
And fill’d all the stockings; then turn’d with a jerk,
And laying his finger aside of his nose
And giving a nod, up the chimney he rose.
He sprung to his sleigh, to his team gave a whistle,
And away they all flew, like the down of a thistle:
But I heard him exclaim, ere he drove out of sight —
Happy Christmas to all, and to all a good night.

Anonym

Ich habe mich vor einigen Jahren an eine Übersetzung gewagt, die ich hier gern anfüge.

‚Swar der Heilige Abend, und im ganzen Haus
Rührte sich niemand, nicht einmal ’ne Maus;
Die Socken war’n gut am Kamin angebracht,
Sankt Niklas, der mocht‘ sie nun füll’n über Nacht;
Es träumten die Kinder warm zugedeckt
Den Reigen von Dörrobst und süßem Konfekt,
Die Mutter mit Kopftuch, mit Schlafmütze ich
Wir schliefen genauso tief winterlich –
Dann plötzlich da draußen ein lautes Getöse;
Ich sprang auf, zu sehen, wer solches auslöse.
Mir glückte blitzschnell hin zum Fenster zu eilen,
Und dieses zu öffnen, die Läden zu teilen.
Das Mondlicht im Schnee auf der Fensterbank:
Ein taghelles Funkeln, in das alles versank,
Misstrauend den Augen erkannte ich dann,
Acht Rentiere zogen ’nen Schlitten heran.
Ein alter und lebhafter Kutscher darauf,
Der sah mir doch recht nach Sankt Nikolaus aus.
Sie waren ganz wie die Adler geschwind,
Ich hörte die Rufe der Namen im Wind:
»Nun, Flitzer! Nun, Tänzer! Du Stolzer, du Füchsin,
Los, Komet und Amor! Los, Donner und Blitzen!
Auf das Dach der Veranda, gleich aufs Dach vom Haus!
Los weiter, noch weiter! Holt alles heraus!
«
Wie trockenes Laub im Winde aufweht,
Dieser Zug jedem Stein aus dem Wege geht.
Und hoch bis zum Dachfirst die Zugtiere fliegen
Voran dem Schlitten, wo die Spielzeuge liegen.
Und ferner vom Dach her kann ich noch hören
Das Scharren der Hufe, zu leis‘, um zu stören.
Ich wandte mich wieder dem Zimmer zu
Da sprang Nikolaus durch den Schornstein im Nu:
Gekleidet in Pelzen von Kopf bis zum Fuß,
Doch alles sehr schmutzig von Asche und Ruß;
Ein Bündel von Spielzeugen auf seinem Rücken
Ganz wie ein Hausierer mit seinen Schaustücken:
Die Augen – ein Leuchten! Und Grübchen: gewitzt,
Zwischen rosigen Wangen ’ne Kirsch-Nase sitzt;
Sein Mund lächelt drollig: ein riesiges U
Mit einem rein schneeweißen Vollbart dazu;
Den Holm einer Pfeife fest zwischen den Zähnen,
Mit Rauch ihn umwabernd gleich Engelsmähnen.
Das Antlitz so weit und der Bauch kugelrund,
Beim Lachen bebt wackelnd davon jedes Pfund:
Ein properes Kerlchen, vergnügt, wunderbar!
Ich musste selbst lächeln, als ich ihn so sah.
Es zwinkert‘ das Auge, der Kopf nickt‘ dazu,
Das nahm mir die Angst und gab mir die Ruh.
Er sagte kein Wort, begann flugs im Stillen,
Die Socken, die hingen, mit Spielzeug zu füllen;
Er hob einen Finger zur Nase, darauf
Stieg er wieder den Schornstein hinauf
Ein‘ Sprung auf den Schlitten, der Mannschaft ein Pfeifen;
Fort! – Leicht, wie die Winde ’ne Daune ergreifen;
Mein Ohr nahm noch wahr, was mein Aug‘ nicht ausmacht:
»Ein Frohes Fest allen! Und allen Gut‘ Nacht!«

Deutsch: Fabian W. Williges

Es ist nicht üblich, Namen zu übersetzen. Da aber die Namen der Rentiere so sprechend sind, habe ich eine Ausnahme gemacht. Im englischen Original wird von einem Miniaturschlitten, winzig kleinen Rentieren und einem kleinen, alten Kutscher, der an anderer Stelle auch noch ein Elf genannt wird, berichtet. Das wird heute grundsätzlich bei filmischen Adaptionen vergessen. In meiner Übertragung habe ich diese Adjektive daher ebenfalls weggelassen. Es ist also trotz der Namensgleichheit nicht der Hl. Nikolaus, der in seinem irdischen Leben Bischof war und nun als himmlische Gestalt wiederkehrt. Er scheint ein eigenständiges Fabelwesen zu sein mit einem Namen, der keine weitere Bedeutung in sich trägt.

Die Erfindung des Weihnachtsmanns durch dieses Gedicht fiel in eine Zeit, da in Neuengland noch allgemeine Uneinigkeit über die Art herrschte, wie ein Weihnachtsfest zu feiern sei, wurde Amerika doch u. a. von religiösen Eiferern unterschiedlicher Strömungen besiedelt, die sich erst eine neue gemeinsame kulturelle Identität schaffen mussten. Epiphanias, Neujahr und der erste Weihnachtsfeiertag standen in Konkurrenz zueinander. Einige puritanische Strömungen lehnten die Feier des Weihnachtsfestes grundsätzlich ab, da es zu sehr mit heidnischen Traditionen verwoben wäre. Mit dem Gedicht A Visit from St. Nicholas wurde dieser Streit zugunsten der Nacht vom 24. zum 25. Dezember entschieden. Die ersten Zeilen des Gedichts werden heute auch gerne die bekanntesten Worte der englischsprachigen amerikanischen Literaturgeschichte genannt.

In Margaret Atwoods wenig weihnachtlichem Roman A Handmaid’s Tale (Der Report der Magd) aus dem Jahre 1985, der 1990 unter dem Titel Die Geschichte der Dienerin von Volker Schlöndorff verfilmt wurde, gibt es eine Szene, in der die Protagonistin nachts zum Fenster schleicht, um herauszufinden, ob das Licht vom Mond oder von einem Scheinwerfer stammt: […] like a child, I want to see. The moon on the breast of the new-fallen snow (wie ein Kind möchte ich erkennen. Das Mondlicht im [Neu]Schnee auf der Fensterbank). Die kanadische Schriftstellerin Atwood kann davon ausgehen, dass der englischsprachige Leser diese Zeile als Bestandteil des Weihnachtsgedichtes erkennt und die Spannung eines Kindes vor der Bescherung assoziiert.

In der Weihnachtsfolge Oh, Tannerbaum der ersten Staffel der Fernsehserie ALF, die in den USA erstmalig am 22. Dezember 1986 ausgestrahlt wurde, versucht der außerirdische ALF sich die Namen der acht Rentiere zu merken, vermischt sie aber mit den Namen der vier Evangelisten. Später kommt der Nachbar der Familie Tanner Mr. Ochmonek herein und bemerkt: the stockings are hung by the chimney with care (Die Socken sind liebevoll am Kamin angebracht).

In der Doppelfolge ALF’s Special Christmas aus der zweiten Staffel (Erstausstrahlung am 14. Dezember 1987) muss sich der sonst nur der Familie Tanner bekannte ALF einem Fremden zu erkennen geben, um dessen einsamen Selbstmord aus Trauer zu verhindern. Dieser rätselt, was für ein Wesen ALF sei, und kommt schließlich darauf, dass es sich nur um Santa Claus handeln könne, indem er die Beschreibung des äußeren Erscheinungsbildes aus dem Gedicht rezitiert.

Das schwungvolle Weihnachtslied Must be Santa von Hal Moore und Bill Fredericks aus dem Jahre 1960 fragt mit typischen Weihnachtsmanneigenschaften nach einer scheinbar unbekannten Person. Die Antwort wird im Kehrreim gegeben: it must be Santa Claus (Es muss der Weihnachtsmann sein). Unter den unverkennbaren Merkmalen gibt es neben dem weißen Bart auch eine rote Kirschnase und den Rentierschlitten. In der Version, die Bob Dylan von diesem Lied 2009 für sein Album Christmas in the Heart eingespielt hat, kommt er beim Nennen der acht Rentiernamen zweimal scheinbar durcheinander und nimmt jeweils vier Präsidenten der USA in zeitlicher Reihenfolge mit in die Aufzählung: Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Eisenhower, Kennedy, Johnson, Nixon und beim zweiten Mal Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Carter, Reagan, Bush and Clinton.

Vorabend des 3. Advent

3. Advent – Die Nacht ist vorgedrungen

Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern.
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein.

Dem alle Engel dienen,
wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen
zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden,
verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden,
wenn er dem Kinde glaubt.

Die Nacht ist schon im Schwinden,
macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden,
das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet,
seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet,
den Gott selbst ausersah.

Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr.
Von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.

Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen,
so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute,
der läßt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht.

Jochen Klepper (1903–1942)

Vorabend des 2. Advent

2. Advent – O Heiland, reiß die Himmel auf

O Heiland, reiß die Himmel auf,
herab, herab vom Himmel lauf,
reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloss und Riegel für.

O Gott, ein’ Tau vom Himmel gieß,
im Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr Wolken, brecht und regnet aus
den König über Jakobs Haus.

O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd,
dass Berg und Tal grün alles werd.
O Erd, herfür dies Blümlein bring,
o Heiland, aus der Erden spring.

Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
darauf sie all ihr Hoffnung stellt?
O komm, ach komm vom höchsten Saal,
komm, tröst uns hier im Jammertal.

O klare Sonn, du schöner Stern,
dich wollten wir anschauen gern;
o Sonn, geh auf, ohn deinen Schein
in Finsternis wir alle sein.

Hier leiden wir die größte Not,
vor Augen steht der ewig Tod.
Ach komm, führ uns mit starker Hand
vom Elend zu dem Vaterland.

Friedrich Spee (1591–1635)