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Afghan Lives Matter

Über die Vorgänge im Iran habe ich bereits geschrieben. Nach der großen Demonstration unter dem Hashtag #BlackLivesMatter am vergangenen Wochenende gab es heute Abend eine Demonstration zu #AfghanLivesMatter mit leider deutlich weniger deutscher Beteiligung. Das Anliegen ist aber wichtig. Und Afghanistan ist auf dem internationalen Spielfeld leider immer wieder im Abseits.

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Ich habe viele Freunde und Bekannte wiedergetroffen. Von den Reden habe ich nicht alle verstanden, weil viele auf Persisch gehalten wurden. Aber ich ahne, was sie gesagt haben.

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Und noch ein paar Panoramen:

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Iran–Afghanistan Nachtrag

Heute habe ich auf den Nachrichtenseiten ein Foto von dem jungen Mann aus Afghanistan gefunden, der den Brand des Autos im Iran am 3. Juni überlebt hat. Sein Satz Give a bit of water, I am burning aus dem viral verbreiteten Video ist zum Hashtag #Iamburning oder #Iamburnt geworden, ähnlich dem #Icantbreathe des George Floyds.

Nun hat der afghanische Botschafter im Iran den jungen Mann im Krankenhaus besucht. Ein Foto, das die Botschaft veröffentlicht hat, möchte ich hier auch zeigen. Es zeigt den Botschafter Abdul Ghafoor Liwal im Gespräch mit dem Verletzten in Yazd, Iran am 6. Juni. Man beachte, dass der Patient mit einer Handschelle ans Krankenhausbett gefesselt ist.

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Links
https://en.radiofarda.com/
https://www.bbc.com/news/

Afghan Lives Matter

Der Mord an George Floyd durch einen Polizisten (und stillschweigende Duldung dreier Kollegen) ging um die Welt. Das Video, das Floyds Sterben zeigt, geht mir nicht mehr aus dem Sinn. Kein Wort des Hasses, kein Fluch kommt über seine Lippen. Dazu im Kontrast dieser selbstgefällige Mann mit seinen Händen in den Taschen, der es schafft, auch in mir Aggressionen zu schüren.

Die Entrüstung über diese Tat und damit die Beileids- und Solidaritätsbekundungen sind Legion, vereint unter dem Hashtag #BlackLivesMatter. Schnell kam Kritik, es seien doch nicht nur die Leben der Schwarzen, die zählten, müsste es nicht viel eher #AllLivesMatter heißen. Diesem grundsätzlich natürlich korrekten Punkt werden im Netz Beispiele und Analogien entgegengehalten, von denen ich eine vorstellen möchte, die mir sofort eingeleuchtet hat. Wenn dein Haus in Flammen steht und du andere um Hilfe beim Löschen bittest mit den Worten „Mein Haus soll nicht abbrennen“, wird dich keiner verbessern, dass doch wohl niemandes Haus abbrennen solle.

Leider kann man diese Analogie weiterführen. Denn wenn sich die gesamte Dorfbevölkerung um das Löschen eines Hauses kümmert, kann am anderen Ende unbemerkt ein weiteres Haus niederbrennen. Der Lockdown sollte uns vor Corona schützen, hat aber die Situation von Kindern verschlechtert, die Misshandlungen ausgesetzt sind. Wir leben aber in einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Es gibt meist Lobbygruppen oder andere Organisationen, die ein speziellen Problem im Blick behalten.

Ein Land, was uns mit seinen Problemen immer wieder aus dem Focus gerät, ist Afghanistan. Als 2015 die weltweiten Flüchtlingsbewegungen auch Zentraleuropa erreichten, sorgte sich die empathische Hälfte Deutschlands um das Schicksal der Syrer. Migranten aus Afghanistan wurden bis in die Corona-Krise hinein abgeschoben.

Nach dem Tode George Floyds reden wir über den handfesten Rassismus, der sich in den USA in Polizeigewalt äußert, und über den etwas feineren aber nicht weniger unangebrachten Rassismus, wie er uns in Deutschland begegnet. Das ist absolut wichtig. Rassismus – genau wie Sexismus und Klassismus – sind weiter verbreitet, als man glauben mag. Es lohnt sich, immer wieder eigene Sicht- und Verhaltensweisen zu hinterfragen.

Und doch scheinen mir Kundgebungen in Deutschland gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt in den USA allzu opportun. Und wieder vergessen wir das Schicksal afghanischer Migranten, die im Iran rassistischen Angriffen ausgesetzt sind. In der letzten Zeit gab es zwei größere Vorfälle, die der europäischen Aufmerksamkeit entgangen sind.

Anfang Mai zwangen iranische Polizisten 50 Afghanen in einen Fluss zu springen. 23 von ihnen sind ertrunken. Und am 3. Juni beschossen Polizisten ein Auto mit 14 Insassen. Das Auto entzündete sich in der Folge des Beschusses und drei Afghanen im Kofferraum verbrannten bei lebendigem Leib. Eine Video-Sequenz, auf dem die Beine eines Opfers aus dem brennenden Kofferraum ragen, verfolgt mich, seitdem ich es einmal gesehen habe. Ich wollte es nicht teilen und habe stattdessen eine künstlerische Bearbeitung erstellt.

Ich bin kein Militärstratege und auch kein Manager innerhalb einer internationalen Hilfsorganisation; aber wir müssen endlich Afghanistan helfen. Es darf nicht weiter unterhalb unseres Radars bleiben. Ein Anfang sind die Hashtags: #AfghanLivesMatter, #StopKillingAfghans, #IBurned

StopKillingAfghans

Es gibt eine Online-Petition auf change.org, um die Weltöffentlichkeit in Gestalt der Vereinten Nationen auf die Lage afghanischer Flüchtlinge im Iran aufmerksam zu machen. Um Unterzeichnung wird gebeten.

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Drei Artikel, aus denen ich meine Informationen bezogen habe, finden sich auf den folgenden Seiten:
https://www.rferl.org/Radio Free Liberty auf Englisch
https://english.alarabiya.net/Al Arabiya auf Englisch
https://www.bbc.com/persian/BBC auf Persisch

 

They just wanna live …

Rassistisch motivierte Polizeigewalt ist in den USA – und leider nicht nur dort – trauriger und uns alle beschämender Alltag. Doch dieses Mal, bei der Lynchung von George Floyd, scheint es besonders eklatant. Der gesamte Tathergang wurde gefilmt. Und es gibt viele Zeugen.

Floyd war unbewaffnet und gefesselt, als ein weißer Polizist auf dem Hals des Opfers kniete. Der Polizist hält die meiste Zeit seine Hände in den Taschen, was noch deutlicher betont, wie wenig er sich bedroht gefühlt haben muss. Man sieht dieses Video und möchte diesem Polizisten und seinen Kollegen Dinge antun, die von Martin Luther King oder Gandhi nicht gutgeheißen würden.

Doch Floyd selbst setzte sich dafür ein, die schwarze Jugend Amerikas zu entwaffnen und ihnen eine bürgerliche Zukunft zu bereiten. Und auch seine letzten Worte sind frei von Gewaltandrohungen oder Flüchen. Die Auschreitungen, die in seinem Namen geschehen, würden Floyd wahrscheinlich nicht gefallen.

Der 12-jährige Gospelsänger Keedron Bryant hat nach dem Mord an George Floyd ein kurzes Lied auf seinem Instagram-Konto hochgeladen, dessen Text von seiner Mutter stammen soll. Der Text ist sehr eindringlich:

I’m a young black man
doing all that I can to stand
oh but when I look around and I see
what’s being done to my kind
everyday I’m being haunted as prey
my people don’t want no trouble
we’ve had enough struggle
I just wanna live
God protect me!

Das Video wurde mehrfach geteilt und 100.000-fach geschaut. Auch die Vernsehkanäle haben es entdeckt. Und Altpräsident Obama bezog sich in einem Tweet auf dieses kurze Lied eines schwarzen Jungen.

Auf YouTube gibt es eine Anzahl von Musikern, die als Zeichen ihrer Solidarität das Acappella-Stück mit einer Instrumentalspur unterlegt haben. Die Geschichte um das Lied erzählen Mutter und Sohn in der Sendung Access Hollywood.

Musiker-Geburtstage

Heute wird Mark David Chapman, der Mörder von John Lennon, 65 Jahre alt. Seit 20 Jahren stellt Chapman alle zwei Jahre ein Gnadengesuch, das immer wieder der Einwände Lennons Witwe Yoko Ono wegen abgelehnt wird. Das klingt nach kalter Rache. Wenn man aber bedenkt, dass Chapman, um seinem Idol ähnlicher zu sein, sogar selbst eine Japanerin geheiratet hatte, kann man verstehen, dass Yoko Ono noch immer Angst vor einem Chapman auf freiem Fuß hat.

Mark David Chapman nahm John Lennon 1980 das Leben. Aber das Erbe Lennons bleibt, trotz des 10. Mai. Und dieser Tag ist nicht nur der Geburtstag eines späteren Mörders an einem der bedeutendsten Musiker des 20. Jahrhunderts. Er ist auch der Geburtstag von weiteren Musikern, die nicht die Unbedeutendsten sind. Das schreit nach einer Top-Five-Liste von Musiker-Gebrutstagen des 10. Mai:

  • Donovan Phillips Leitch (*1946) – Man nannte ihn den Britischen Dylan. Er machte das Lied Universal Soldier berühmt und das Lied ihn. Seine eigenen Songs wie Hurdy Gurdy Man sind schon mehrfach im Soundtrack bedeutender Filme verwendet worden. Ich habe ihn in meiner Jugend als eine Art Geheimtipp verehrt und erst sehr viel später andere Menschen getroffen, die seine Musik ebenso schätzen. Ihm widme ich das Beitragsbild (Foto von Jac. de Nijs am 12. Juli 1965). Donocan war in seiner Jugend genauso rotzig und genauso schön wie die Gallagher-Brüder oder Jake Bugg.
  • Sly Dunbar (*1952) – Für mich ist besonders wichtig die Zusammenarbeit mit Bob Dylan 1983. Aber man kennt den Schlagzeuger vor allem gemeinsam mit dem Bassisten Robbie Shakespeare und vor allem mit Peter Tosh.
  • Roland Kaiser (*1952) – Stilistisch wechseln wir das Feld deutlich, dafür bleiben wir im Geburtsjahr. Kaiser ist nicht meine Musik. Und dennoch begleitet er mich bereits mein gesamtes Leben lang. Santa Maria konnte ich als Grundschüler komplett mitsingen, auch ohne alle erotischen Implikationen nachzuvollziehen. Heute ziehe ich meinen Hut vor der Deutlichkeit, mit der dieser unerschütterliche Sozialdemokrat dem rechten Mob entgegentritt.
  • Sid Vicious (1957–1979) – Der Bassist der Sex Pistols. Sein tragisch kurzes Leben (inklusive Mordverdacht und Tod durch eine Überdosis) inspiriert bis heute Jugendliche im Punk-Umfeld.
  • Paul David Hewson (*1957) – Unter seinem bürgelichen Namen kennt ihn kaum einer. Es ist Bono von U2. Zu Beginn mochte ich U2 nicht sonderlich. Doch rückblickend haben sie ein bedeutendes Oeuvre geschaffen. Heute ist Bono weniger Musiker, sondern vielmehr weltweit tätiger Aktivist, der sich dadurch auch großer Kritik ausgesetzt sieht.

Politikerinnengeburtstag

Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine Frau, die ihm den Rücken freihält. So heißt es allgemein. Doch immer wieder – und heute glücklicherweise immer öfter – treten Frauen aus dem Hintergrund und werden selbst erfolgreich. Bevor ich meine Top-Five-Liste von Politikerinnen, die heute Geburtstag haben, beginne, möchte ich zwei weiteren Frauen gratulieren.

Cäcilie Bertha Benz, geb. Ringer (1849–1944) übergab ihrem Verlobten Carl Benz bereits vor der Hochzeit ihre Mitgift, damit dieser sein Unternehmen weiterführen konnte. Schließlich begründete erst ihre legendäre Fahrt mit dem Benz Patent-Motorwagen Nr. 3 von Pforzheim nach Mannheim und zurück den wirtschaftlichen Erfolg dieser Erfindung.

Dorothy Gladys „Dodie“ Smith (1896–1990) ist eine englische Schriftstellerin. Von ihr stammt das Buch The Hundred and One Dalmatians, or the Great Dog Robbery, das 1961 von Walt Disney in einen märchenhaften Zeichentrickfilm verwandelt wurde.

Nun aber zu den Politikerinnen, die an einem 3. Mai geboren wurden:

  • Hedwig Heyl (1850–1934) – Parteipolitisch nicht so bedeutend und später leider auch ins rassische abgerutscht, schuf sie 1884 die erste Hauswirtschaftsschule. 1904 organisierte sie den Internationalen Frauenkongress in Berlin. 1920 bekam sie einen Ehrendoktor für Ernährungswissenschaften.
  • Golda Meir (1898–1978) – Nachdem sie 1949–1956 Arbeitsministerin und danach bis 1965 die Außenministerin Israels war, wurde sie am 17. März 1969 Israels erste und bisher eizige Ministerpräsidentin.
  • Traute Lafrenz (*1919) – Sie ist keine Politkerin im eigentlichen Sinne, sondern Ärztin. Sie gehört aber zum engeren Unterstützerkreis der Weißen Rose, erlbete das Ende des Zweiten Weltkriegs im Gefängnis und soll somit auch ein Teil meiner politischen Geburtstagsliste sein.
  • Katrin Dagmar Göring-Eckardt (*1966) – Sechs Jahre vor mir brach sie ihr Theologiestudium in Leipzig ab. Seit 1998 ist sie für Bündnis90/Die Grünen Mitglied des Bundestages. Und auch in der evangelisch-lutherischen Kirche übernimmt sie immer wieder wichtige Ämter.
  • Franziska Giffey (*1978) – Von 2015 an Bezirksbürgermeisterin in Berlin-Neukölln, wurde die SPD-Politikerin 2018 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Die Kirche und das ewige Blaue

Heute vor genau 800 Jahren wurde in Salisbury der Grundstein für The Cathedral Church of St Mary gelegt. Die Kathedrale ist ein frühes Beispiel für den Early English Style, der typisch englischen Ausprägung der Frühgotik. Der 100 Jahre später vollendete Vierungsturm ist heute mit 123 Metern der höchste Kirchturm Englands. Um ihn tragen zu können, wurden die Eckpfeiler der Vierung mit den charakteristischen Scherenbögen versehen, welche die Lasten noch einmal verteilen bzw. ableiten.

Die Kathedrale von Salisbury ist die Vorlage für den Roman Die Säulen der Erde (1989) von Ken Follett, der 2010 in einer deutsch-kanadischen Koproduktion verfilmt wurde. Das nehme ich zum Anlass für eine Top-Five-List von Schriftstellern, die heute Geburtstag haben:

  • Karl Kraus (1874–1936) – Der Dichter und Publizist bemühte sich um einen aufklärenden Journalismus. Für die Hetzblätter prägte er den Begriff Journaille. Heute wissen wir, dass der Kampf um guten Journalismus niemals aufhört.
  • Bruno Apitz (1900–1979) – Der Leipziger war früh Teil der Arbeiterbewegung, erst SPD, dann KPD. Im Nationalsozialismus kam er ins KZ. Sein Roman Nackt unter Wölfen ist bis heute Schulliteratur.
  • Kurt Friedrich Gödel (1906–1978) – Eigentlich ist Gödel Mathematiker und Logiker. Doch sein Nachweis, dass es in hinreichend starken Systemen Aussagen geben muss, die sich weder beweisen noch widerlegen lassen, kann auch in der Literatur und in der Lebenswelt so herrlich angewendet werden. Schließlich beschäftigte sich Gödel auch mit dem Gottesbeweis.
  • Harper Lee (1926–2016) – Sie schrieb nur ein Buch: To Kill a Mockingbird. Aber der wurde verfilmt mit Gregory Peck in der Hauptrolle als aufrechter Amerikaner.
  • Terence David John Pratchett (1948–2015) – Terry Pratchett gehört zu den großen der Fantasy-Literatur, genauer des Teils der Fantasy-Literatur, der man ein gewisses literarisches Niveau zugestehen muss. Und ich schwöre, dass ich wirklich einmal ein Buch von ihm lesen werde!

Die Liste prominenter Geburtstage reisst nicht ab. Heute vor 112 Jahren wurde der Unternehmer Oskar Schindler (1908–1974) geboren. Seine durch Steven Spielberg weltbreühmte Liste von kriegsnotwendigen Zwangsarbeitern rettete vielen Juden in Nazideutschland das Leben. Der Staat Israel erklärte ihn 1993 zu einem Gerechten unter den Völkern. Die von ihm Geretteten übergaben Schindler zum Dank einen Ring, der aus Zahngold gefertig war und einen Satz aus dem Talmud enthielt:

Wer nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt.

Man kann sagen, dass ein weiteres Gebrutstagskind des 28. April den passenden künstlerischen Ausdruck für das 20. Jahrhundert gefunden hat: Yves Klein (1928–1962) und seine Monochromen Vorschläge (siehe Beitragsbild).

Blau war in der Malerei des Mittelalters eine heilige Farbe. Und die Romantiker verzehrten sich in Sehnsucht nach der blauen Blume. Heute ist uns das Blau des Himmels oft noch Sinnbild des Göttlichen oder zumindes des Ewigen. Vor diesem Ewigen werden sich auch die letzten drei Jubilare des heutigen Tages rechtfertigen müssen:

  • António de Oliveira Salazar (1889–1970) – Er war von 1932 an als Ministerpräsident und später auch als Präsident Portugals der Staatsführer einer faschistoiden Diktatur, die erst vier Jahre nach seinem Tode mit der Nelkenrevolution beendet wurde.
  • Karl-Eduard Richard Arthur von Schnitzler (1918–2001) – Der schwarze Kanal war eine Sendung im DDR-Fernsehen. Dort schüttete der hinter vorgehaltener Hand als Sudel-Ede bezeichnete Moderator seine Propaganda über den Kapitalismus aus.
  • Saddam Hussein (1937–2006) – Der Diktator des Irak unterdrückte und mordete Kurden und Schiiten. Er war lange Zeit das Ziehkind des Westens gegen die kommunistischen Einflüsse im Iran und Afghanistan. Als er zu viel wollte und Kuwait besetzte, ließen ihn die USA fallen.

Aus der Ursuppe

Es gibt so Tage, da kann ich meinen Geist nicht auf ein Thema fokussieren. Ich meine damit keine klassische Konzentrationsschwäche, sondern die Vielschichtigkeit der Welt, die mit  unzählbar vielen Ereignissen auf das Individuum herniederdonnert. Jedes dieser Ereignisse wäre meiner Aufmerksamkeit würdig. Heute kann ich keine einfache Top-Five-Liste erstellen. Aber eine bestimmte Reihenfolge sowie thematische Gewichtung werde ich auch hier einhalten.

Heute vor 111 Jahren wurde Bernhard Klemens Maria Hofbauer Pius Grzimek (1909–1987) geboren. Ich habe zur Schnapszahl mal alle Vornamen spendiert. Man kennt ihn vor allem als Tierfilmer und mit seinem Nachnamen. 1960 war er der erste Deutsche, der nach dem Zweiten Weltkrieg einen Oscar gewann. Sein Werk: Serengeti darf nicht sterben. Von 1945 bis 1974 war er der Direktor des Frankfurter Zoos.

http://www.zoo-frankfurt.de/
http://www.bernhardgrzimek.de/

Auf den Tag genau zwei Jahre später wurde Karl August Fritz Schiller (1911–1994) geboren. Er war in der ersten Großen Koalition unter Kanzler Kiesinger (und darüber hinaus) der erste sozialdemokratische Wirtschaftsminister. Er ist der Vater des Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft von 1967, das ich in meinem Unterricht als Magisches Viereck behandle. Mittlerweile sind jedoch noch zwei Ecken hinzugekommen.

https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/
https://www.gesetze-im-internet.de/stabg/

Auch Elisabeth Veronika Mann Borgese (1918–2002) erblickte am 24. April das Licht der Welt. Das fünfte Kind Thomas Manns bemühte sich gemeinsam mit ihrem Gatten Giuseppe Antonio Borgese (1882–1952) um eine Weltverfassung. 1970 war sie Gründungsmitglied des Club of Rome. Weiterhin war sie eine treibende Kraft hinter dem Seerechtsübereinkommen der UN 1982 und der Gründung eines Internationalen Seegerichtshofs 1996. Ihr ist mein Beitragsbild, der Strand von Baltrum, gewidmet.

https://www.literaturportal-bayern.de/
https://www.literaturhaus-muenchen.de/

Heute haben wir vom Tod Norbert Blüms (1935–2020) erfahren. Er war in jedem Kabinett Helmut Kohls als Minister vertreten. Er führte die Pflegeversicherung ein und reformierte das Rentensystem. In diesem Zusammenhang fiel auch sein berühmtester Satz: Die Rente ist sicher. Mich hat Blüm meine gesamt Entwicklung über, vom unmündigen Kind zum politisch Interessierten Erwachsenen, begleitet. Ich möchte hier die Video-Aufzeichnung der Debatte zur Rentenreform wiedergeben. Wer nicht die ganzen 50 Minuten schauen will, ab Minute 26 wird es interessant.

https://dbtg.tv/cvid/1937201

Fridays for Future ist noch immer aktuell und stark. Die Maßnahmen zur Corona-Krise haben gezeigt, dass auch in westlichen Demokratien die Fähigkeit zu schnellem und beherztem Handeln vorhanden ist. Warum nun, fragt man sich, hören Politiker bei Corona auf die Wissenschaftler, beim Klima aber nicht. Heute ist ein virtueller Streiktag.

https://fridaysforfuture.de/
https://fridaysforfuture.org/

Gestern hat Donald Trump den Ärzten empfohlen, darüber nachzudenken, den Corona-Patienten Desinfektionsmittel zu spritzen. Es vergeht eigentlich  kein Tag, wo ich nicht denke, da kann Trump eigentlich keinen mehr draufsetzen. Hier hat er den Gipfel erreicht. Und jeder weitere Tag belehrt mich eines Besseren. Der Songwriter und Satiriker Roy Zimmerman (*1957) hat vor wenigen Tagen ein schönes Video gepostet, das sich zurzeit viraler verbreitet als Corona.

Von Katzen und Fischen

Kritische Würdigung einer fatalen Bemerkung

Nun ist es schon einen Monat her, dass der Ex-Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende der CDU Leipzig Dr. Thomas Feist am 1. März 2020 zur zweiten Runde der Leipziger Oberbürgermeisterwahl im Wahlstudio des Leipzig Fernsehen interviewt wurde. Nun, ich arbeite nicht für eine Tageszeitung. Ich darf mir die Zeit nehmen, über solche Ereignisse ein wenig länger nachzudenken. Und während des Corona-Lockdowns umso mehr.

Im nicht gerade inhaltsvollen Wahlkampf Sebastian Gemkows las man immer wieder den Slogan „Ein Leipziger für Leipzig“, der suggerieren sollte, dass der amtierende und nun auch zum dritten Mal gewählte Oberbürgermeister Burkhard Jung kein richtiger Leipziger sei. Danach gefragt, antwortete Dr. Feist mit dem unseligen Satz: „Es gibt den schönen Spruch: Wenn eine Katze im Fischladen Junge bekommt, sind das dann Fische?“

Weiter führte er aus: „Also, insofern denke ich mal, dass jemand, der hier aufgewachsen ist, der die Geschichte der Stadt hautnah miterlebt hat, hat nochmal ein anderes Verhältnis zur Stadt, als jemand, der erst seit 29 Jahren hier lebt, auch wenn der mittlerweile Leipziger sein mag.“

Nachdem der Moderator auf sein ganz persönliches Leipziger-Sein nach einem Zuzug vor zehn Jahren verwiesen hatte, klärte uns Feist weiter auf: „Die Geschichte Leipzigs fängt ja nicht vor zehn oder vor 29 Jahren an. Sondern die Geschichte Leipzigs fängt ja vorher an.“

Eigentlich sollte ich mich gar nicht sachlich auf dieses Argument einlassen. Um aber zu zeigen, wie absurd es tatsächlich ist, möchte ich die Lebensdaten beider Kandidaten mal nebeneinanderstellen.

Burkhard Jung wurde 1958 in Siegen geboren, absolvierte 1977 sein Abitur und studierte in Münster Germanistik und Evangelische Theologie. 1991 kam er 33-jährig nach Leipzig, um als Schulleiter das evangelische Schulzentrum aufzubauen. 2000 trat Jung, mittlerweile 42 Jahre alt, in die SPD ein. Er ist also länger Leipziger als eingeschriebener Sozialdemokrat. Bereits 1999 wurde Jung Beigeordneter der Stadt Leipzig für Jugend, Schule und Sport (seit April 2001 Beigeordneter für Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule). Nachdem Wolfgang Tiefensee im November 2005 seinen Posten als Stadtoberhaupt zur Verfügung stellte, um selbst Bundesverkehrsminister zu werden, wurde Burkhard Jung, gerade noch 47 Jahre alt, zum neuen Leipziger Oberbürgermeister gewählt. Seit 2019 ist Jung Präsident des Deutschen Städtetages. Burkhard Jung ist nun 62 Jahre alt. 29 Jahre davon hat er in Leipzig gelebt. Und es sind die tätigen Jahre.

Sebastian Gemkow wurde 1978 in Leipzig geboren. Zum Fall der Mauer war Gemkow elf Jahre alt, ein Kind. Sein Abitur legte er 1997 an der Neuen Nikolaischule in Stötteritz ab, die 2012 ihr 500-jähriges Bestehen feierte, tatsächlich aber eine Neugründung bzw. Zusammenlegung von 1995 ist. Er trat 1998 in die CDU ein, studierte Rechtswissenschaften in Leipzig, Hamburg und Berlin und ließ sich 2006 als Rechtsanwalt in Leipzig nieder. 2009 zog er in den Sächsischen Landtag ein, mit einem Rekordergebnis. Er errang mit 28,5 % den damals niedrigsten Erststimmenanteil aller Wahlkreiskandidaten, die letztendlich das Mandat erhalten hatten. Der Wahlkreis Leipzig 2 ist ein hart umkämpfter und seit zwei Legislaturen in der Hand der Linken. 2014 gewann er knapp den Wahlkreis Leipzig 4 und wurde Sächsischer Staatsminister der Justiz. 2019 schließlich ließ er sich für den Wahlkreis Nordsachsen 2 aufstellen und wurde Sächsischer Staatsminister für Wissenschaft. Er ist mit einer Estin verheiratet und seit 2014 Honorarkonsul der Republik Estland. Sebastian Gemkow wird im Sommer 42 Jahre.

Über beide Kandidaten der OBM-Wahl 2020 in Leipzig lässt sich übereinstimmend sagen, dass sie augenscheinlich Vollblutpolitiker sind, die sich nicht vor Verantwortung scheuen. Man kann auch beiden nicht vorwerfen, sie wären nur Politiker geworden, weil sie nichts Anständiges gelernt hätten. Beide sind gut vernetzt. Beide sind in einem regulären arbeitsfähigen Alter. Beide sind verheiratet und haben Kinder. Die letzten zwei Punkte sind eigentlich nicht entscheidend für das Amt; aber es wird mit Blick auf das zur Diskussion stehende Zitat noch wichtig sein.

Was ist denn nun – abgesehen von Parteizugehörigkeit, Persönlichkeit und daraus resultierender persönlicher Sympathie – der Unterschied zwischen den beiden? Die Mutter des einen schob ihren Sohn im Kinderwagen durch Siegen, die Mutter des anderen tat dies in Leipzig. 1996 wurde Sebastian Gemkow volljährig. Da lebte Burkhard Jung bereits fünf Jahre in Leipzig. Der einzige Unterschied im Grad an Leipziger-Sein zwischen Jung und Gemkow, sind die ersten 13 Jahre im Leben des Herausforderers. Oh, da hätte sich einer aber zwei Staatsexamen sparen können, hätte er damals schon gewusst, dass ihn seine Kindheit einst entscheidend qualifizieren werde!

Kommen wir zurück zum Abend des 1. März 2020 und dem fatalen Satz des Dr. Feist: „Es gibt den schönen Spruch: Wenn eine Katze im Fischladen Junge bekommt, sind das dann Fische?“

Ganz offensichtlich setzt er sowohl Katzen als auch Fische mit Menschen gleich; mit Menschen unterschiedlicher Herkunft. Nun wollte Dr. Feist sicherlich Herrn Jung etwas Scherzhaft als Zugezogenen, als Unhiesigen ausgrenzen vom wohlig-warmen Leipziger Stammtisch, an dem man nur Platz nehmen darf, wenn man die gesamte Leipziger Geschichte selbst miterlebt hat, von urkundlicher Ersterwähnung über Verleihung des Messeprivilegs bis zur Ausgründung des Volksgerichtshofs. Tatsächlich zielt der Satz aber auf die Kinder der zugezogenen Katze. Diese werden laut Dr. Feist auch niemals in Leipzig heimisch werden können, da ihr Vater ein Zugezogener ist. Wow! Das ist starker Tobak.

Deutsche Staatsbürger mit einem Migrationshintergrund mögen nun milde lächeln. Das kennen sie aus ihrem Alltag. Beispielsweise die Kinder einer Schwarzen, welche bereits die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, sind von ihrer Geburt an natürlich auch Deutsche. Aber sie werden sich genauso natürlich mit ihrer Hautfarbe von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden, sodass sie wahrscheinlich ihr gesamtes Leben lang gefragt werden, wo sie denn wohl eigentlich herkämen. Manchmal mag man es erklären wollen. Meistens wird es nerven. Der Fragende mag auf das äußerliche Merkmal der Hautfarbe verweisen. Und die Statistik gibt ihm erstmal recht: Die Mehrheit der Deutschen ist weiß. Die Mehrheit der Schwarzen ist nicht deutsch. Eine höfliche Frage nach der Herkunft scheint berechtigt.

Innerhalb Deutschlands soll es keinen relevanten Unterschied nach regionaler Herkunft geben. Deshalb wurde – neben dem Diskriminierungsverbot in Artikel 3, Satz 3 – die Freizügigkeit mit Artikel 11 als ein Grundrecht aller Deutschen unveränderlich verankert. Und für die EU ist das in Artikel 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geklärt. Weiterhin behandelt dies auch der Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, ohne hier auf staatsrechtliche Details einzugehen.

Was ist das nur für ein altvorderes Denken, wenn man nun jemanden, der seine Freizügigkeit nutzt, vor Ort als einen Bürger zweiter Klasse behandelt, weil er nicht dort geboren wurde? Schränkt das die Freizügigkeit nicht ein, weil man seinen Status als gleichberechtigter Bürger verliert? Ist denn nun jeder, der aus seinem Heimatdorf aufbricht, sei es nur, um das Inzesttabu zu wahren, ein „vaterlandsloser Geselle“? Ist man innerhalb Deutschlands nach einmaligem Umzug bis zu seinem Lebensende der Neue oder der Fremde? Und soll sich das sogar, wie das Bild von der Katze und den Fischen unterstellt, auf die Kinder des Neuen, die Kinder des Fremden übertragen?

Seit März 2019 ist Dr. Feist der sächsische Beauftragte für das jüdische Leben. Damit ist er der offizielle Ansprechpartner für jüdische Gemeinden im Freistaat. Außerdem berät er die Landesregierung zu Fragen der Pflege des historischen Erbes und die Erinnerung an den Holocaust.

Nachdem die Heidenchristen in der frühen Kirche das Ruder übernommen hatten, galten der Mehrheitsbevölkerung des Römischen Reiches und später Europas die Juden als ein störender Fremdkörper. Aus der Spätantike sind nicht nur die Zerstörungen von Synagogen, sondern auch erzwungene Massentaufen überliefert. Nun sind diese Taten natürlich nicht zu rechtfertigen, aber man kann doch sehen, dass sie auf eine – erzwungene – Integration der jüdischen Bevölkerung abzielten.

Das änderte sich über das Mittelalter und die frühe Neuzeit in Schüben. Im Vormärz erkannte Heinrich Heine im Taufzettel das Entre Billet zur Europäischen Kultur, sieht sich aber sein ganzes Leben vom nie abzuwaschenden Juden verfolgt. Er schwärmt, dass ihm das Deutsche das sei, was dem Fisch das Wasser ist, und dass er aus diesem Lebenselement nicht herauskönne. Gleichzeitig gesteht er, alles Deutsche wirke auf ihn wie ein Brechpulver.

Konkret wurde Heine in Göttingen die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft verweigert, da Juden, als solche, kein Vaterland hätten und für das deutsche Vaterland kein Interesse haben könnten. Trotz Taufe 1825 wird Heine nicht in Hamburg als Rechtsanwalt zugelassen, nicht in München zum Professor berufen und – erneut in Hamburg – nicht zum Ratssyndikus ernannt. Literarisch sah er sich von August Graf von Platen verächtlich gemacht und als knoblauchfressender Jude diffamiert, während dieser seiner Homosexualität wegen lieber im italienischen Exil lebte.

Heinrich Heine war schon 23 Jahre tot, als schließlich Wilhelm Marr 1879 mit seiner Schrift Der Sieg des Judenthums über das Germanenthum den Begriff des Antisemitismus prägte. Im Trend der Säkularisierung sowohl unter vormals christlichen als auch jüdischen Gruppen wäre eine Taufe kein Zeichen der Anpassung und Integration gewesen. Also zielte Marr auf die absurde Idee einer jüdischen Rasse ab. Wie es von dort aus weiterging, steht in unseren Geschichtsbüchern. In den Nürnberger Rassengesetzen von 1935 legten die Nationalsozialisten genau fest, wer als ein Jude zu gelten hatte oder als Deutschblütiger. Mischlingen war die Ehe nur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet.

Die Deutschen Christen erklärten 1932 vorauseilend, dass sie in der Judenmission eine schwere Gefahr für ihr Volkstum sähen. Sie sei das Eingangstor fremden Blutes in ihren Volkskörper. Sie lehnten die Judenmission in Deutschland ab, solange die Juden das Staatsbürgerrecht besäßen und damit die Gefahr der Rassenverschleierung und Bastardierung bestünde.

In Leipzig stolpert man heute in den Straßen über mehr als 500 kleine Gedenksteine. Jeder einzelne führt uns vor Augen, wohin Ausgrenzung und Hass in letzter Konsequenz führen.

Der Satz, den Dr. Feist am 1. März 2020 von sich gab, hat eine Reihe von Reaktionen ausgelöst. Henning Homann, der Generalsekretär der SPD Sachsen, antwortete am folgenden Tag, dass Leipzigern ihr Leipziger-Sein abzusprechen, nicht nur unwürdig sei; es zeige auch, wie wenig er eine wachsende, internationale Stadt verstanden habe, obwohl er dort geboren sei. Solche Sprüche taugten vielleicht für den Stammtisch, aber selbst im Fischladen und erst recht im Rathaus sorgten sie nur für Kopfschütteln.

Auf Twitter, wo Dr. Feist als „Freiberuflicher Netzwerker, Beauftragter für Jüdisches Leben in Sachsen.“ firmiert, legte er am 2. März mit zwei weiteren Tweets nach. Erst verwies er auf ein YouTube-Video; ein Ausschnitt aus einem Programm von Eberhard Cohrs und Horst Feuerstein aus dem Jahre 1964 mit der Bemerkung: „Katzen und Fische. Kennt ihr nicht, ihr Kulturbanausen?“ Und danach schloss er für sich die Affäre ab mit dem Tweet: „Ein Leipziger für Leipzig“ ist etwas anderes als „Deutschland den Deutschen“. Wer beides gleichsetzt unterstellt böswillig etwas Falsches. Scheint aber leider gerade in Mode zu sein. #lasttweet [Kommasetzung wie im Original]

Über den als Beleg herangezogenen Sketch von Eberhard Cohrs wird noch zu sprechen sein. Interessant ist aber auch, wer dieses Video bei YouTube bereithält. Das Konto trägt den Benutzernamen Saebelzahnbiber. Der Sketch wurde bereits vor neun Jahren von ihm hochgeladen. Im Sommer 2015 hat der Nutzer das letzte Mal Videos auf YouTube gestellt. Die Titel der jüngsten drei Videos sind: „Mohammedaner tötet Lebensgefährtin mit Messer“, „Bosnischer Moslem tötet 3 Menschen im Ramadan in Graz“ und „Arbeitslose Deutsche reparieren in Bamberg Fahrräder für Fachkräfte…“ [gemeint sind Asylbewerber]. Nachdem sich Dr. Feist also dem Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit, des Rassismus und der Nähe zur Blut-und-Boden-Mentalität ausgesetzt sah, wählte er zur Verteidigung den Saebelzahnbiber als Gewährsmann. Nun, es gab wohl schon glücklichere Entscheidungen.

Man muss natürlich vorsichtig sein. Vor der Kamera soll ein Politiker schnell und pointiert liefern. Und der Zuschauer zuhause kann später genau analysieren, warum er dieses Mal entrüstet ist. Und in dem schließlich aufkommenden Shitstorm wird man ohnehin früher oder später mit Hitler verglichen. Der Rechtsanwalt Mike Godwin hat dies 1990 in einem Godwins Gesetz genannten Bonmot zusammengefasst: „Mit zunehmender Länge einer Online-Diskussion nähert sich die Wahrscheinlichkeit für einen Vergleich mit den Nazis oder Hitler dem Wert Eins an.“

Aber die menschenverachtende Ideologie der Nationalsozialisten ist eben der Gipfel eines Denkens, das aus Herkunft von Menschen Qualitätsabstufungen – und damit Wertigkeiten des Lebens – aufstellt. Vielleicht ist sie sogar ihre logische Konsequenz. Und deshalb müssen wir auch so entschieden ihren Anfängen wehren.

Außerdem hat sich – quasi als Gegenbewegung zu Godwins Gesetz – etabliert, dass man seine Rede mit einem bestimmten Vorsatz beginnt: „Ich bin kein Rassist, aber …“ erlaubt einem heutzutage, jeden rassistischen Scheiß in die Welt zu posaunen. Eine Deutung in kritischer Richtung hat der Redner zuvor einfach selbst ausgeschlossen.

Doch woher kommt die Redewendung von der Katze im Fischladen überhaupt? Und was bedeutet sie ursprünglich? Sie ist, um das Offensichtliche doch einmal aufzuschreiben, nicht geprägt worden, um Menschen nach ihrem Geburtsort zu unterscheiden.

Die Katze ist als Kulturfolger dem Menschen lang bekannt und hilft diesem, seine Wohn- und Werkstatt von Ungeziefer freizuhalten. Dafür muss der Mensch sich um die Ernährung der Katze und ihres Nachwuchses in kargeren Zeiten kümmern. Von den Ägyptern wurden Katzen als Götter verehrt. Eine Unzahl von Facebook-Posts lässt erahnen, dass sich an diesem Status über die Jahrtausende nur wenig geändert hat.

Eine gute Idee ist der Blick in das Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, welches der Volkskundler und Erzählforscher Lutz Röhrich 1973 herausgegeben hat. Katzen sind in den deutschen Redewendungen allgemein Sympathieträger. Aber ein Mensch möchte trotzdem nicht gern wie eine Katze behandelt werden und vom Boden essen müssen, sprich vom Katzentisch. Und manchmal tritt die Katze in Konkurrenz zum Menschen: „Das soll mir keine Katze fressen“ bedeutet, den Happen hebe ich mir für später auf. Gibt man den Happen aber auf, ist er für die Katz. Auf die Ausrede „die Katze hat’s gefressen“ lautet eine gewitzte Antwort: „Ja, die mit zwei Beinen.“ Wenn eine menschliche Naschkatze krank wird, bemerkt die Mutter: „Die Katze mag die Fische nicht.“

Wer den Bock zum Gärtner macht, hat der Katze den Hering anvertraut. Das sollte man nicht tun, niemals, oder doch erst dann, wenn die Katze Eier legt. Denn eine Katze lässt das Mausen nicht.

Der Fisch, besonders der Hering, steht in Redensarten öfters als Bild des Geringwertigen und Kleinen. Ein dürrer oder intellektuell substanzloser Mensch ist ein schmaler Hering. Zu Ostern, am Ende der Fastenzeit, sieht man aus wie ein ausgeweideter Hering. Wessen Erfolgsaussichten gering sind, wird hier keinen Hering braten.

Heringe sind eine weitverbreitete Fastenspeise und allgemein Hauptnahrungsmittel in vielen Klöstern. Abraham a Sancta Clara lässt im 17. Jahrhundert in seinem „Judas“ Menschen gleich Heringen aufeinander liegen. Das ist bis heute nicht nur als bildhafte Sprache mit Ölsardinen oder Kieler Sprotten üblich. Otto von Bismarck, der den Hering so sehr liebte, dass man später einen nach ihm benannte, war sich sicher: „Wenn Heringe genau so teuer wären wie Kaviar, würden ihn die Leute weitaus mehr schätzen.“

Doch schon allein der Geruch von Fisch lässt einen nichts Gutes erahnen. Daher antwortete Martin Luther auf Ausreden, Lügen oder allgemein verdächtige Sachen: „Bleib daheim mit deinen faulen Fischen!“ Wenn ich nun die Wahl hätte, durch welches Tier ich in einer Redewendung dargestellt werden wollte, ich zöge deutlich die Katze dem Fisch vor.

Lutz Röhrich schreibt in seinem Lexikon – leider ohne einen Verweis auf Region oder Zeitalter: Auf etwas Unmögliches weist die Wendung „Die Katze im Fischladen bringt auch keine Heringe zur Welt“, d.h. das ist zu viel verlangt.

Man könnte es so verstehen, dass ein Fischhändler einen Lieferanten seiner Waren braucht und eine Katze, um das Ungeziefer fernzuhalten. Aber beides von einer Katze zu verlangen, ist eben zu viel. So könnte man es dann auch auf Menschen übertragen: Wenn du mit einem Freund über ernste Dinge sprichst, beschwere dich nicht, dass du nicht mit ihm lachen kannst. So wird ein Schuh daraus. Eine englische Entsprechung wäre vielleicht: You can’t have a cake and eat it, too (Man kann nicht den Kuchen behalten und gleichzeitig aufessen).

Nun beruft sich der Kulturwissenschaftler Dr. Feist aber auf diesen Sketch aus dem Jahre 1964 mit Eberhard Cohrs und Horst Feuerstein. In der kleinen Szene geht es zu Beginn um ein Formular, das die von Cohrs gespielt Figur angeleitet von seinem Antagonisten auszufüllen hat. In Dresden sei er geboren, sagt Cohrs und spielt dabei auch sich selbst. Darauf meint Feuersteins Charakter, er könne ja schreiben, dass er ein Sachse sei. Das verneint Cohrs nun. Da seine Eltern aus Köln stammten und Rheinländer seien, müsse er ja auch ein Rheinländer sein und kein Sachse. Der Streit geht noch einige Zeit hin und her, bis zu der Pointe aus dem Munde Cohrs: Mensch, wenn ’ne Katze im Fischgeschäft Junge kriegt, sind’s doch keine Heringe!

Dies ist nach meinen Recherchen das erste Mal, dass diese sprichwörtliche Redensart eins zu eins auf einen Menschen angewendet wurde. Warum ist nun dieser Sketch lustig, der Ausspruch des Dr. Feist aber immer noch ein Skandal?

Zunächst gibt es selbstverständlich einen grundlegenden Unterschied zwischen einem Künstler auf der Bühne und einem Politiker im Mediengespräch. Weiterhin wendet Cohrs diesen Satz auf sich selber an, Dr. Feist aber auf einen anderen. Der dritte und entscheidende Punkt ist die Sprache. Cohrs spricht diesen Satz in tiefstem Sächsisch und widerlegt seine Aussage damit unmittelbar. Es mag sein, dass seine Eltern Rheinländer sind. Wer aber in Dresden geboren und aufgewachsen ist, zudem ein solches Sächsisch spricht, der ist definitiv kein Rheinländer. Das von sich immer noch zu behaupten, ist das Absurde, was den Sketch so witzig sein lässt. Zum Zitat eignet sich der Satz aber nicht. Denn seine direkte, semantische Aussage ist nicht, was Eberhard Cohrs uns tatsächlich damit sagen wollte.

Eberhard Cohrs ist im Übrigen auch eine schillernde Persönlichkeit. Sein Vater kam aus Uelzen und seine Mutter aus dem Vogtland. Er selbst wurde 1921 in Dresden geboren. Im Dritten Reich war er Mitglied der Waffen-SS und gehörte zur Wachmannschaft des KZ Sachsenhausen. Im November 1945 absolvierte er seine Komikerprüfung vor der Internationalen Artisten-Loge. 1977 kehrte er nach einem Gastspiel in der Bundesrepublik nicht in die DDR zurück. Im Westen hatte er trotz namhafter Unterstützung kein Fernsehglück, da das Publikum sein Sächsisch nicht verstand. Nach der Wende ging er in den Osten zurück und arbeitete unter anderem für den MDR. In die Schlagzeilen geriet er ein Jahr vor seinem Krebstod 1999, weil er im Rausch seine Frau mit sieben Schüssen lebensgefährlich verletzt hatte.

Doch zurück zur Redewendung von der Katze im Fischladen, die seit 1964 eine beachtliche Karriere im rechtsnationalen Milieu hingelegt hat. In einer Ausgabe des Spiegels von 1977 findet sich ein Interview mit Martin Webster, einem führenden Mitglied der britischen Nationalen Front. Er möchte Britanniens Farbige vertreiben, weil sie seiner Ansicht nach nicht auf seine Insel gehörten. Auch wer seit Generationen in England lebe, solle das Land wieder verlassen, wenn er nicht zum ethnischen Grundstock seiner angelsächsisch-keltischen Rasse gehöre. Der Artikel endet pointiert mit der Begründung Websters: Wenn eine Katze Junge in einer Fischkiste kriegt, werden die dadurch keine Fische.

Zum Terroranschlag eines 18-Jährigen mit deutscher und iranischer Staatsbürgerschaft am 22. Juli 2016 in München twitterte Lutz Bachmann am Tag darauf: Deutsch-Iraner? Was ist denn das? Wenn ne Katze im Fischladen Junge bekommt sind’s dann „Karthäuser-Heringe“ oder was?

Als Dr. phil. mag man Herrn Feist zutrauen, Hintergründe und Konnotationen angemessen zu würdigen. Vielleicht sieht er doch irgendwann ein, welch fatalen Fehler er mit seiner launigen Bemerkung über Katzen und Fische begangen hat.

Dr. Feist steht der sächsischen Landeskirche nah. Wenn diese auch recht problematische Strömungen aufweist, lässt dies doch vermuten, dass er ebenfalls der Botschaft Jesu nicht ganz fern ist. Mir fällt in diesem Zusammenhang eine im Markusevangelium überlieferte Geschichte ein. Maria, die Mutter Jesu, kommt gemeinsam mit seinen Brüdern zu dem Haus, in dem Jesus gerade weilt, und lassen ihn herauszitieren.

Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder draußen fragen nach dir. Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Und er sah rings um sich auf die Jünger, die im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und meine Brüder! Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter. (Markus 3, 32–35)

Mir hat diese Erzählung schon immer imponiert. Und im Zusammenhang mit dem Missionsbefehl sind alle Menschen Brüder und Schwestern im Herrn. In diesem Sinne sehe ich in Thomas Feist ein verirrtes Schaf, dem ich nur allen Mut zur Umkehr wünschen kann.

Manch einer mag es übertrieben finden, über einen hingeworfenen Satz so lange nachzudenken. Immerhin ist schon ein ganzer Monat vergangen. Und heute haben wir doch ganz andere Sorgen als die Worte eines ehemaligen Bundestagsabgeordneten. Doch darauf möchte ich mit einem weiteren Zitat aus der Umgebung der Bibel (den Apokryphen des Alten Testaments) antworten:

Du umzäunst dein Hab und Gut mit Dornen; warum machst du nicht vielmehr vor deinen Mund Tür und Riegel? Du wägst dein Silber und Gold, bevor du es aufbewahrst; warum wägst du nicht auch deine Worte auf der Goldwaage? Hüte dich, dass du nicht dadurch ausgleitest und hinfällst vor denen, die auf dich lauern. (Sirach 28, 28–30)

Unser (Frankfurter, Leipziger, Weimarer) Johann Wolfgang von Goethe hat einmal gesagt – und da mag ein indisches Sprichwort Pate gestanden haben –, dass Kinder von ihren Eltern sowohl Wurzeln als auch Flügel bekommen sollten. Das ist natürlich nicht botanisch oder medizinisch zu verstehen. Es meint wohl, dass wir unsere Herkunft und unsere Vergangenheit nicht verleugnen oder gar vergessen sollen und dabei aber auch den Mut nicht verlieren dürfen, aufzubrechen und etwas Neues zu wagen.

Es gehört nämlich zu den Wundern unserer Welt, dass ein Migrant etwas Neues werden kann (z.B. ein Leipziger, ein Sachse, ein Deutscher), ohne aufzuhören etwas anderes zu sein (z.B. ein Siegener oder ein syrischer oder afghanischer Flüchtling).

Frauengeburtstage am Frauentag

Ich muss gestehen, ich habe ein zwiespältiges Verhältnis zum Weltfrauentag. Einerseits sehe ich selbstverständlich die Ungleichbehandlung an vielen Punkten. Andereseits verstehe ich nicht, was eine Blume für Arbeitskolleginnen daran ändern soll. Ich kann mich auch nicht so richtig schuldig fühlen, auch wenn ich natürlich als previligierter Mann das nicht beurteilen kann.

Doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt überdeutlich, wie groß die Unterdrückung einer Hälfte der Bevölkerung durch die andere doch war – nicht irgendwo in der Welt, sondern in Europa, nicht in weit vergangener Zeit, sondern noch im 20. Jahrhundert.

Meine geliebte Form der Top-Five-Liste möchte ich heute weiblichen Geburtstagskindern des Frauentags widmen; und weil es der 8. März ist, habe ich die Liste erweitert zur Top Eight.

  • Sidonie von Sachsen (1518–1575) – Die Wettinerin wurde durch Heirat Herzogin zu Braunschweig-Lüneburg und Fürstin von Calenberg-Göttingen. Nachdem ihr Gatte zum Katholizismus zurückkehrte, entbrannte ein Rosenkrieg, in dessen Folge Sidonie der Zauberei angeklagt wurde. Doch Sidonie war vernetzt und wendig und endete nicht auf einem Scheiterhaufen, sondern mit einer Entschädigung und Rente bis zu ihrem Lebensende.
  • Josephine Garis Cochran (1839–1913) – Sie stammt aus einer Erfinderfamilie und konnte auch selbst das Tüfteln nicht lassen. Sie erfand den ersten wirklich nutzbaren Geschirrspülautomaten. 2006 wurde sie endlich in die National Inventors Hall of Fame aufgenommen.
  • Marie Lang (1858–1934) – Die österreichische Frauenrechtlerin setzte sich u.a. ein für die Abschaffung des Lehrerinnenzölibats. Sobald eine Lehrerin heiratete, verlor sie nicht nur ihre Stelle, sondern auch ihren Anspruch auf ein Ruhegehalt. In der Weimarer Verfassung wurde der Lehrerinnenzölibat 1919 abgeschafft.
  • Mathilda Augusta Wrede (1864–1928) – Sie arbeitete in der Gefängnisfürssorge in Schweden und Finnland. Sie setzte Sich für die Verbesserung der Haftbedingungen ein. Ihr Gedenktag im evangelischen Namenskalender ist der 24. Dezember.
  • Mathilde Jacob (1873–1943) – Sie war die Sekretärin und Vertraute von Rosa Luxemburg. Ihr haben wir die Überlieferung von Briefen und Manuskripten zu verdanken. Sie wurde im KZ Theresienstadt von den Nazis ermordet.
  • Ethel Maude Tawse Jollie (1874–1950) – Sie war nicht nur Schriftstellerin und Aktivistin. Sie war in Südrhodesien (heute Simbabwe) die erste weibliche Abgeordnete im British Empire außerhalb Großbritanniens.
  • Thekla Augusta Anna Gerda Schild (1890–1991) – Sie war die dritte Frau, die in Deutschland einen Studienabschluss im Fach Architektur erwerben konnte. Das war 1913 in Karlsruhe.
  • Ina May Gaskin (*1940) – Man nennt sie die Mutter der authentischen Geburtshilfe. Andere nennen sie die berühmteste Hebamme der Welt. Das Manöver nach Gaskin ist die Geburt im Vierfüßlerstand. Gaskin ist die erste Hebamme, nach der eine geburtshilfliche Stellung benannt wurde.

Herzlichen Glückwunsch zu diesen Leistungen! Und auf in eine Welt, wo das Geschlecht nicht über Berufswahl oder Grad der Selbstbestimmung entscheidet!

Zum Abschluss ein Foto aus London. In der Tate Modern wird bei der Notdurft weder nach dem biologischen, noch nach dem sozialen Geschlecht gefragt.

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