Schlagwort-Archive: Theater

Das Ballhaus als Hauptdarsteller

Gestern war ich mit guten Freunden in Weimar. Neben einem wunderschönen Frühlingsspaziergang an der Ilm vorbei an Goethes Gartenhaus inklusive Eis und später italienischem Abendessen stand vor allem eine Premiere im Deutschen Nationaltheater an.

Das Ballhaus (Le Bal) nach einer Idee des Théâtre du Campagnol macht einen Ballsaal zum Protagonisten und die Schauspieler zu tanzenden Statisten der Zeitgeschichte. Hundert Jahre, von den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts bis heute sehen wir in zwei Stunden an uns vorrüberziehen. Das gesamte Stück kommt ohne gesprochenen Text aus. Die Melodien der Jahrzehnte sprechen für sich.

Die Bühne ist ein Ballsaal.

Man sieht den Schaupsielerinnen und Schaupsielern die Freude an diesem besonderen Stück an. Das überträgt sich unmittelbar auf den Zuschauer. Kleine Gags und größere Spannungsbögen der deutschen Geschichte werden hier tanzend gespiegelt. Es lässt sich schwer in Worte fassen. Von Mark Twain stammt ein Wort, das auch im Programm zum Stück zitiert wird:

Geschichte wiederholt sich nicht –
aber sie reimt sich.

Mark Twain

In diesem Sinne sehen wir im Ballsaal immer wieder tanzend Liebe und Verlangen, Erwiderung und Ablehnung – alles im Spiegel der deutschen Geschichte: Inflation, aufsteigender Nationalsozialismus, Weltkrieg, Wiederaufbau, Sozialismus, Wiedervereinigung, 9/11 und Corona. Die Zwei Stunden sind prall gefüllt mit Anspielungen und Reminiszenzen.

Standing Ovations zur Premiere

Links
http://theatreducampagnol.fr/
https://www.nationaltheater-weimar.de/
https://bit.ly/stueckseite-programmheft-ballhaus

Schauspieler-Geburtstage

Der 21. April ist von mir schon zwei Mal bearbeitet worden: 2016 und 2017. In diesem Jahr möchte ich den Geburtstag von Schauspielern feiern – in einer Top-Five-Liste:

  • Anthony Quinn (1915–2001) – In fast allen größeren Hollywood-Produktionen der 40er- bis 60er-Jahre is Quinn vertreten. Man kennt ihn bis heute als bedauernswerten Glöckner von Notre-Dame und als den Griechen Alexis Sorbas.
  • Tony Danza (*1951) – Aus der Serie Wer ist hier der Boss bekannt. Hier teilt er sich den Synchronsprecher mit ALF: Tommi Piper.
  • Roy Dupuis (*1963) – Diesen Regisseur und Schauspieler kenne ich vor allem aus dem beklemmenden Film Jesus von Montreal. Absolute Empfehlung!
  • Toby Stephens (*1969) – Er stammt aus einer echten Schauspielfamilie. Seine Mutter ist Maggi Smith. Viel Theater, aber auch ein James Bond: Stirb an einem anderen Tag!
  • James McAvoy (*1979) – Ich liebe die Serie Shameless. Und wenn ich das schreibe, meine ich natürlich das britische Original und nicht das amerikanische Remake.

Ein Tag der Anfänge

Noch ist Januar, der erste Monat des Jahres. Noch fühlt sich das Jahr ein bisschen neu an. Noch kann man mit etwas beginnen, was später einmal, im Rückblick, das persönliche Jahr prägen wird.

In der großen Kultur wird man sich das auch so gedacht haben. Warum sonst ist heute ein Tag der Premieren, Uraufführungen und Erstveröffentlichungen? Es sind so viele, dass ich meine geliebte Liste mal wieder verdoppeln muss. Als eine Top-Ten-Liste der Anfänge in Kunst und Kultur des 29. Januar.

  • 1728 wurde im Lincoln’s Inn Fields Theatre in London das komische Singspiel The Beggar’s Opera von John Gay uraufgeführt (siehe Beitragsbild). Die Musik dazu stellte der deutsche Komponist Johann Christoph Pepusch aus bekannten Arien und Gesängen seiner Zeit. Ziemlich genau 200 Jahre später würde Bertolt Brecht seine Adaption auf die Bühne bringen: Die Dreigroschenoper mit der Musik von Kurt Weil.
  • 1770 wurde in Weimar das komische Singspiel Die Jagd von Johann Adam Hiller uraufgeführt, bevor dieser 1789 zum dritten Bachnachfolger als Thomaskantor wurde. Das Libretto stammt von Christian Felix Weiße, der als der Erfinder der Jugendliteratur gilt und auch sonst in Leipzig kein Unbekannter ist.
  • 1781 findet am Münchner Residenztheater die Uraufführung der Oper Idomeneo von Wolfgang Amadeus Mozart statt. Mozart selbst hielt sie für seine beste Arbeit.
  • 1845 erscheint im New Yorker Evening Mirror erstmalig The Raven, das Gedicht von Edgar Allan Poe. Das Gedicht setzte Maßstäbe im Bereich der Schauerliteratur. Auch die Simpsons haben sich mit diesem Werk auseinandergesetzt (siehe Video).
  • 1917 war die Uraufführung des Dramas Die Bürger von Calais im Neuen Theater in Frankfurt am Main. Es ist der Durchbruch für den Dramatiker Georg Kaiser.
  • 1929 kam die Erstauflage des Romans Im Westen nichts Neues heraus und war durch Vorbestellungen sofort vergriffen. Erich Maria Remarque hatte zwölf Jahre an diesem Buch gearbeitet.
  • 1956 wurde Der Besuch der alten Dame von Friedrich Dürrenmatt im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt. Therese Giehse, die bereits Brechts Mutter Courage die erste irdische Gestalt verlieh, spielt die Titelfigur.
  • 1958 erfolgte die Uraufführung des französischen Kriminalfilms Fahrstuhl zum Schafott von Louis Malle. Jean Moreau spielte die Hauptrolle und Miles Davis lieferte die Musik.
  • 1959 war die Uraufführung des zeichentrickfilms Sleeping Beauty (Dornröschen) der Walt Disney Company. Die Musik stammt von Pjotr Iljitsch Tschaikowski.
  • 1964 wurde Stanley Kubricks Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben uraufgeführt. Peter Sellers übernahm gleich mehrere Rollen in diesem Film.

Goethe, Papa Heuss und die Verfassung der Türkei

Vor genau 80 Jahren, am 5. Februar 1937 wurde die erst 14 Jahre alte Verfassung der Türkei geändert, um in Artikel 2 die sechs Pfeile genannten Grundsätze des Kemalismus aufzunehmen. Von Mustafa Kemal Pascha, genannt Atatürk (Vater der Türkei) gehen diese Pfeile aus. Der Artikel 2 der Türkischen Verfassung lautete nun:

Das Türkische Reich ist republikanisch, nationalistisch, volksverbunden, interventionistisch, laizistisch und revolutionär. Seine Amtssprache ist türkisch. Seine Hauptstadt ist die Stadt Ankara.

Die sechs Pfeile bedürfen wohl einer Erklärung:

  • Republikanisch – Cumhuriyetçi – Die Monarchie in Form von Sultanat oder Kalifat waren abgeschafft. Dies erste Wort der Auflistung ist den Staaten Europas allgemein vertraut.
  • Nationalistisch – Milliyetçi – Das Osmanische Reich war ein Vielvölkerstaat. Nun sollte mit einer neuen Schrift und einer Sprache ein Nationalstaat mit einem neuen Bewusstsein entstehen. „Glücklich derjenige, der sich als Türke bezeichnet“, sagt Atatürk und meint, dass jeder Türke werden könne, wenn er sich Türke nenne und an die türkischen Gesetze halte. Kurden und Armenier sehen diesen Punkt skeptisch.
  • Volksverbunden – Halkçı – Gern auch übersetzt mit populistisch, allerdings nicht im heutigen Sinne zu verstehen. Gemeint ist die Aufhebung von Klassenunterschieden und die Gleichstellung von Mann und Frau. Um diese zu gewährleisten, hatte die Türkei schon früh ein Kopftuchverbot. Das Wissen darüber ist heute in Europa nicht weit verbreitet.
  • Interventionistisch – Devletçi – Die Form des staatlichen Eingreifens in die Wirtschaft wird auch Etatismus genannt. Sie erinnert in manchen Zügen an die sozialistische Planwirtschaft. Es ging um das Bemühen, aus einem Agrarland einen modernen Industriestaat zu formen.
  • Laizistisch – Laik – Die Trennung von Staat und Kirche ist ein erklärtes Ideal der europäischen Staaten. Innerhalb der EU haben dies allerdings nur Frankreich, Tschechien und Portugal konsequent in ihrer Verfassung verankert. Auch in Deutschland gibt es Hintertürchen, welche die einen für bedenklich und die anderen für erfreulich halten. In der Türkei hat der Laizismus dazu geführt, dass die Moscheen nicht mehr den Staat mitlenken, sondern andersherum der Staat in die Moscheen hineinregiert, was auch nicht unbedingt das Ziel sein kann.
  • Revolutionär – Devrimcidir –Der Begriff zielt auf die Herausforderungen, die noch zu meistern waren bzw. bis noch sind. Die Türkei begriff sich seinerzeit als ein Land im Wandel. Diese Aufbruchstimmung kennt man sonst nur aus den sozialistischen Staaten.

Die Geschichte der Türkei ist wechselhaft. Zweimal griff das Militär nachhaltig ein. Heute lautet Artikel 2 der Türkischen Verfassung:

Die Republik Türkei ist ein im Geiste des Friedens der Gemeinschaft, der nationalen Solidarität und der Gerechtigkeit die Menschenrechte achtender, dem Nationalismus Atatürks verbundener und auf den in der Präambel verkündeten Grundprinzipien beruhender demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat.

Aber was geht uns die Türkei und ihre verschiedenen Verfassungen an, von denen die aktuelle wahrscheinlich bald wieder umgeschrieben sein wird? Immerhin verbindet Deutschland mit der Türkei eine ganze Menge. Deutsche Linguisten entwickelten die türkische Schriftsprache mit Lateinischen Buchstaben. Türkische Gastarbeiter leben seit Jahrzehnten in Deutschland und fühlen sich mal türkisch, mal deutsch, mal deutsch-türkisch und manchmal leider auch überall fremd. Der große Goethe nahm im Faust die Türkei als Bild für weit entferntes Leid, als zwei Bürger kurz vor dem berühmten Osterspaziergangsmonolog zueinander sprechen:

Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

Herr Nachbar, ja! so laß ich’s auch geschehn:
Sie mögen sich die Köpfe spalten,
Mag alles durcheinander gehn;
Doch nur zu Hause bleib’s beim alten.

Nun kann man in einem deutschen Text immer mal Goethe zitieren, auch ohne das weiter begründen zu müssen. Die Passage passt ja auch ausgezeichnet zum Jubiläum der Verfassungsänderung inkl. zukünftiger Veränderungen und dem Krieg dies- und jenseits der südöstlichen Grenzen der Türkei. Goethe passt hier besonders, weil man ihm nachsagt, selbst ein Produkt gelungener Integration zu sein. Überspitzt könnte man sagen: Goethe war vielleicht ein Deutsch-Türke.

Die Geschichte beginnt mit dem Soldaten Mehmet Sadık Selim Sultan (1270–1328), der sich 1305 in Brackenheim in der Johanniskirche taufen ließ, wo er auch bestattet wurde. Unter dem Namen Johann Soldan gilt als der erste türkisch-stämmige Deutsche. Nun liegen zwischen der Taufe Soldans und Goethes Geburt glatte 444 Jahre, aus denen überlieferte Aufzeichnungen lückenhaft sind. Daher wird es wohl nie Gewissheit darüber geben. Mir gefällt aber die Idee.

Vor allem in arabischen Ländern gibt es ein weiteres Bonmot über den Dichterfürsten. Heimlich ein Muslim soll er gewesen sein. Tatsächlich fast der Ehrenpräsident der Goethe-Gesellschaft Werner Keller 2013 zusammen: Die Kreuzessymbolik war für Goethe ein Ärgernis, die Lehre von der Erbsünde eine Entwürdigung der Schöpfung, Jesu Vergottung in der Trinität eine Blasphemie des einen Gottes. (Goethe-Jahrbuch, Band 130) Das hat Goethe mit der Mehrheit der Muslime gemeinsam. Doch gerade im West-Östlichen Diwan sagt er, Mohammed habe seinem Stamme eine düstere Religionshülle übergeworfen. Goethes Blick auf Wein, Weib und Gesang war kein muslimischer. Und dieser Dreiklang ist an eben dieser Stelle nicht trivial.

Aus Brackenheim stammt aber nicht nur der erste urkundlich gesicherte Deutsch-Türke und vermutete Goethe-Ahn. Ein wichtiger Sohn der Stadt ist Theodor Heuss, der als erster Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland das Väterliche seines Amtes in den Kosenamen gelegt bekommen hat: Papa Heuss. Damit schließt sich fast der Kreis zu Atatürks Verfassung und der heute vor 80 Jahren durchgeführten Verfassungsänderung.

Papa Heuss sagte 1956 in seiner Rede an die Jugend: Das Wesen des Abendlandes lässt sich bildhaft damit beschreiben, dass es auf drei Hügeln ruht: Akropolis, Kapitol und Golgatha. In Deutschland herrscht Religionsfreiheit. Aber in der Präambel des Grundgesetzes gibt es den Gottesbezug. Laizistisch ist die Bundesrepublik Deutschland nicht.

Links
http://www.verfassungen.eu/tr/tuerkei24-index.htm – deutsche Übersetzung der Verfassung um 1937
http://www.verfassungen.eu/tr/tuerkei82.htm – deutsche Übersetzung der aktuellen Verfassung
http://gutenberg.spiegel.de/buch/faust-eine-tragodie-3664/1 – Faust I im Projekt Gutenberg

VISIONALE 2015 in Leipzig (Rückschau)

Morgen vor einer Woche fand im Schauspiel Leipzig die VISIONALE 2015 statt. Der Arbeitskreis Medienpädagogik der Stadt Leipzig präsentierte unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters Burkhard Jung die Nominierten und Sieger aus der Menge von 81 Medienproduktionen aus ganz Sachsen gezeigt. Als Moderator führte August Geyler durch das Programm. Ich wurde als Teil der Foto-Jury auch auf die Bühne gebeten, um kurz zu umreißen, warum die zwei Preisträger in unserer Kategorie den Sieg davontrugen. Ich muss gestehen, dass ich schon ein wenig aufgeregt war, auf der Bühne des Schauspiels zu sein.

k-_mg_1870

k-_mg_1884

k-_mg_1887

Die Fotografien habe ich von der offiziellen Website der VISIONALE. Den Urheber kenne ich leider nicht.Da ich auf diesen Bildern aber selbst dargestellt bin, erlaube ich mir einfach die Übernahme.

Links (Berichterstattung)
visionale-leipzig.de
info-tv-leipzig.de
mephisto976.de

60. Todestag von James Dean

Heute vor 60 Jahren starb James Dean bei einem Autounfall. Er war gerade 24 Jahre alt. Häufig folgt an dieser Stelle der Satz, dass er in nur drei Filmen gespielt hat und doch Weltruhm errang. Das stimmt nicht ganz so. James Dean hat in drei Hollywoodproduktionen für das Kino eine Hauptrolle gespielt. Nur einer davon, nämlich East of Eden, kam zu seinen Lebzeiten heraus. Ein Monat nach seinem tragischen Tod erschien Rebel Without a Cause. Bei dem letzten der drei Filme Giant musste der Dean-Intimus Nick Adams einige Szenen nachsynchronisieren.

Vor diesen drei Filmen hat James Dean in anderen Kinoproduktionen kleine Nebenrollen gespielt, ohne allerdings im Abspann erwähnt worden zu sein. Außerdem sind mir zwei Werbespots mit ihm bekannt. Einer dieser Spots wurde zwei Wochen vor seinem Tod aufgenommen und ist ein Aufruf des National Safety Council zu Vorsicht im Straßenverkehr. Des Weiteren ist James Dean in einigen TV-Produktionen mit dabei gewesen. Einige davon habe ich auch schon sehen können.

Ich trat mit 11, 12 Jahren in meine persönliche James-Dean-Phase. Ich habe ihn verehrt. Er war für mich die vollendete Kombination aus Rebellion, Coolness und Anmut. Die Phase habe ich dann gemeinsam mit meiner Pubertät überwunden. Aber ein James-Dean-Fan bin ich trotzdem noch. 1954 war James Dean am Broadway in einer Theateradaption des Immoralisten von André Gide auf der Bühne. Da hätte ich sehr gern im Publikum gesessen.

Fünf Highlights aus London

Es war die letzten zwei Wochen still auf dieser Website; denn ich war in London. Über diese Millionenstadt lässt sich natürlich immer viel sagen und schreiben. Aber ich möchte jetzt nicht meinen gesamten Urlaub inklusive Hin- und Rückreise mit Auto und Fähre schildern. Der Linksverkehr auf der Insel ist auch kein bemerkenswert großen Problem: es fahren ja alle links; da macht man einfach mit. Das neue Paar Clarks im Herstellerland gekauft, die vielen DVDs zu Sonderpreisen, die ich hier nur als teure Importware bekomme, das Abendgetränk im Pub, die Refugees-Welcome-Party, auf der die britische Regierung aufgefordert wurde, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, und Deutschland als ein gutes Beispiel benannt wurde, das alles werde ich jetzt nicht weiter ausführen. Ich schreibe jetzt keinen Reisebericht.

Ich möchte aber doch eine Top-Five-Liste erstellen mit den Highlights meiner Reise. Die Reihenfolge ist rein zeitlich bestimmt. Eine Wertung untereinander traue ich mir noch nicht zu.

  1. Promenadenkonzert in der Royal Albert Hall
    Es ist schlicht das größte Klassische Musikfestival der Welt, was da von Juli bis September in der Royal Albert Hall stattfindet. Und ich war am 3. September mit dabei. Das BBC National Orchestra of Wales spielte unter der Leitung von Thomas Søndergård. Wir hörten Auszüge aus Aladin von Carl Nielsen und Mahlers Sinfonie Nummer 4 in G-Dur. Der Höhepunkt aber war für mich die Weltpremiere von Pan, einer Komposition des 1964 geborenen B. Tommy Andersson. Das Konzert wurde von der BBC übertragen und ist auf der Website noch immer zu hören: bbc.co.uk
    Genau heute findet übrigens der Abschluss der Promenadenkonzertsaison statt – die berühmt-berüchtigte Last Night of the Proms. Ab 21:45 Uhr überträgt der NDR das Ereignis live, wie auch in den letzten 34 Jahren schon. Zum letzten Mal wird der heutige Abend dem deutschen Zuschauer von Rolf Seelmann-Eggebert erklärt. Hier geht es zum ndr.de.
  2. Me and Earl and the Dying Girl
    Wir sind einfach so ins Kino gegangen. Das ist ja im Vergleich zu den Proms nicht unbedingt highlightverdächtig. Aber der Film hat mir in der Tat sehr gut gefallen und soll deshalb doch in diese Liste aufgenommen werden. Vielleicht hilft es ja, dass der junge Hauptdarsteller Thomas Mann (sic) heißt. Der Regisseur Alfonso Gomez-Rejon gewann in diesem Jahr beim Sundance Filmfestival den Großen Preis der Jury und den Publikumspreis.
    In die deutschen Kinos wird der Film unter dem Titel Ich und Earl und das Mädchen kommen. Aber auch in der Synchronfassung wird das Mädchen höchstwahrscheinlich sterben. Thomas Manns Synchronstimme ist auf jeden Fall zum Sterben. Ich empfehle, den Film im Original zu sehen. Der englische Trailer findet auf youtube.com
  3. BP Portrait Award 2015
    Die National Portrait Gallery ist sowieso einen Besuch wert. Schließlich hängt hier eines der bekanntesten Portraits, welches William Shakespeare zeigen soll. Und die berühmten Gemälde Hans Holbeins, der die gesamte Tudor-Familie malte und das Bild Henrys VIII. entscheidend prägte, sind hier ausgestellt.
    Im September – und daher immer in meiner London-Reisezeit – werden in einer Sonderausstellung die Bilder des von British Petrol finanzierten Portrait Award gezeigt. Ich bin in diesem Jahr nicht gerade der Meinung der Jury. Aber eine Ausstellung dieser Qualität mit freiem Eintritt gehört auf jeden Fall auf diese Liste: npg.org.uk
  4. Essen im Aqua Shard
    The Shard bei London Bridge ist mit fast 310 m das höchste Gebäude innerhalb der EU. Es wurde 2012 fertiggestellt. Im 31. Stockwerk ist das Restaurant Aqua Shard, das mit einem herrlichen Ausblick über ganz London wirbt. Schon als Kind war ich im Tower und an der Tower Bridge. Als Jugendlicher und junger Erwachsener bin ich bei meinen Besuchen nur noch am Tower vorbeigegangen, weil mir der Eintritt einfach zu hoch ist. Nun habe ich von oben auf den Tower hinuntergeblickt. Ich darf nicht so viel über den Ausblick schreiben. Sonst denkt man noch, ich wolle vom Essen ablenken. Das hat das Essen aber nicht verdient. Es war vorzüglich – and quite pricey. Aber es war der Geburtstag meiner Tante. Da kann man das schon einmal machen: aquashard.co.uk
  5. Billy Elliot the Musical
    Der Film Billy Elliot ist im Jahre 2000 nicht an mir vorbeigegangen und an Elton John auch nicht. Der hatte die Idee, dass die Geschichte um den Bergarbeitersohn, der im von M. Thatcher gebeugten England, nicht Boxer sondern Tänzer werden möchte, durchaus musicalfähig sei, und schrieb gemeinsam mit dem ursprünglichen Drehbuchautor Lee Hall das Musical, welches im Mai 2005 im Victoria Palace Theatre seine Premiere feierte und seitdem beinahe täglich aufgeführt wird.
    Die größten Hits waren wohl Merry Christmas, Maggie Thatcher und die Singleauskopplung Electricity. Elton Johns Version findet sich hier: https://www.youtube.com/watch?v=AfWFZ3iL7NA. Liam Mower, den man im Video als den 12-jährigen Billy Elliot tanzen sieht, steht heute, zehn Jahre später natürlich nichtmehr auf der Bühne. Aber im ersten Jahr sah die Szene so aus: https://www.youtube.com/watch?v=zO0oa_hEx9g. Am letzten Dienstag stand der heute 12-jährige Nat Sweeney auf der Bühne. Ob für ihn Billy Elliot ein Sprungbrett sein wird, wie für andere, die sich mittlerweile auch bis zu Games of Thrones hochgedient haben, können wir wohl erst nach weiteren zehn Jahren beurteilen.
    Das Musical hat einen eigenen YouTube-Kanal: BillyElliotMusicalUK und eine eigene Website: billyelliotthemusical.com

Moschee DE in der Friedenskirche

Gestern war ich mit einem Freund in einer Vorstellung von Moschee DE in der Friedenskirche in Gohlis. Das Stück handelt von dem Moschee-Neubau in Berlin-Heinersdorf, der seit der Baugenehmigung im Frühjahr 2006 bis zu seiner Fertigstellung im Herbst 2008 und darüberhinaus die Anwohner spaltet. Der Journalist Kolja Mensing (taz, Deutschlandradio Kultur) hat gemeinsam mit dem Regisseur (2004 Debütfilm Netto) und Rosa-von-Praunheim-Schülers Robert Thalheim Interviews mit Vertretern der unterschiedlichen Interessensgruppen geführt und deren Aussagen zu fünf Rollen im Theaterstück verdichtet.

Wir begegnen im Stück den fünfeinhalb Personen:

  • der Imam der Ahmadiyya Muslim-Gemeinde
  • der Pfarrer der örtlichen Kirchengemeinde
  • der Vorsitzende der Bürgerinitiative gegen den Moscheebau
  • eine aus Stuttgart zugezogene Frau
  • ein Konvertit
  • die stumme Braut des Konvertiten

Das Stück besitzt keinen klassischen Spannungsbogen und hat mit seinen 90 Minuten ohne Pause durchaus Längen. Aber das Thema ist gerade in Gohlis besonders wichtig, wo bei einem geplanten Moscheebau der gleichen Muslim-Gemeinschaft ganz ähnliche Prozesse in Gang gesetzt wurden. Für mich verschwammen die Bezüge. In manchen Augenblicken dachte ich, das Stück sei über Leipzig und nicht Berlin geschrieben worden.

Mir hat ein Lied sehr gefallen, welches in der Produktion Verwendung fand: Wonder von Soap&Skin. Als die fünf Handelnden dieses Lied sangen, hatten sie Gelegenehit für ihr Abschlussstatement. Der Titel ist wunderbar gewählt! Und deshalb möchte ich ihn auch gleich hier zitieren:

Moschee DE wurde am 27. Februar 2010 am Schauspielhaus Hannover uraufgeführt. Am 17.05.2015 hatte die Produktion von David Perlbach in Kooperation mit Friedenskirche Leipzig-Gohlis e.V. Premiere. Am 05.06.2015 ist die letzte geplante Vorstellung.

Links
moschee-de.org
friedenskirche-gohlis.de
ahmadiyya.de Website der Moschee-Gemeinde in Berlin