Archiv für den Monat: August 2016

175 Jahre Lied der Deutschen

Heute vor 175 Jahren dichtete August Heinrich Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland Das Lied der Deutschen, dessen dritte Strophe die Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland ist. Die Geschichte beginnt allerdings in Österreich mit einer Hymne auf den Kaiser Franz II., dem letzten Kaiser der Heiligen Römischen Reiches und dem Begründer Kaisertums Österreich. Lorenz Leopold Haschka (1749–1827) hat sie 1796 geschrieben und noch im gleichen Jahr begann Joseph Haydn (1732–1809) die Komposition eines Streichquartetts, wahrscheinlich von einem kroatischen Volkslied inspiriert, das bis heute die Melodie der deutschen Nationalhymne werden sollte. Die erste Strophe des Textes von Haschka lautet:

Gott erhalte Franz, den Kaiser,
Unsern guten Kaiser Franz!
Lange lebe Franz, der Kaiser,
In des Glückes hellstem Glanz!
Ihm erblühen Lorbeerreiser,
Wo er geht, zum Ehrenkranz!
Gott erhalte Franz, den Kaiser,
Unsern guten Kaiser Franz!

Der mit dem Liedgut Mitteleuropas tief vertraute Sprachwissenschaftler und Vormärz-Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben arbeitete sich an der Kaiserhymne immer wieder ab. 1841 veröffentlicht er im zweiten Teil seiner Unpolitischen Lieder unter dem Titel Syrakusaise ein Gedicht, was sich nicht nur auf die gleiche Melodie singen lässt. Es hat mit auch das Herrscherlob zum Thema. Den Tyrannen Dionys kennt der deutsche Schüler bereits aus Schillers Bürgschaft.

Gott erhalte den Tyrannen,
Den Tyrannen Dionys!
Wenn er uns des Heils auch wenig
Und des Unheils viel erwies,
Wünsch’ ich doch, er lebe lange,
Flehe brünstig überdies:
Gott erhalte den Tyrannen,
Den Tyrannen Dionys!

Eine Alte sprach im Tempel
Eines Tages dies Gebet.
Der Tyrann kam just vorüber,
Wüßte gerne, was sie tät:
Sag mir doch, du liebe Alte,
Sag, was war denn dein Gebet?
Ach, ich habe nur gebetet,
Nur für Eure Majestät.

Als ich war ein junges Mädchen,
Fleht’ ich oftmals himmelan:
Lieber Gott, gib einen Bessern!
Und ein Schlecht’rer kam heran;
Und so kam ein zweiter, dritter
Immer schlechterer Tyrann;
Darum fleh ich heute nur noch:
Gott erhalt’ uns dich fortan!

Im Jahre 1844 veröffentlichte Hoffmann von Fallersleben, der mittlerweile aufgrund seiner Unpolitischen Lieder seinen Lehrauftrag in Breslau verloren hatte, in Paris das Büchlein Maitrank, in dem der folgende Text Kriech Du und der Teufel ebenfalls auf die Haydn-Melodie gesungen werden kann. Als Hinweis steht dem Gedicht voran, man könne die Melodie von O Berlin, ich muß dich lassen verwenden, einem zeitgenössischen Lied.

Ja, verzeihlich ist der Großen
Übermut und Tyrannei,
Denn zu groß und niederträchtig
Ist des Deutschen Kriecherei.
Sieht ein Deutscher seines Fürsten
Höchsterbärmlich schlechten Hund,
Tut er gleich in schönen Worten
Seine Viehbewundrung kund.

Sieht ein Deutscher seines Fürsten
Altersschwaches steifes Pferd,
Ist er freudig doch ergriffen
Von des Gaules früherm Wert.
Sieht ein Deutscher seines Fürsten
Allerältstes Hoffräulein,
Denkt er eine Bürgerstochter
Könne doch so schön nicht sein.

Sieht ein Deutscher seines Fürsten
Jämmerlichsten Kammerherrn,
Steht er still und grüßt in Ehrfurcht,
Und er sieht ihm nach von fern.
Sieht er nun den Fürsten selber,
O, wie ist er dann entzückt!
Wenn Durchlauchet ihn wieder grüßet,
Nun, dann ist er fast verrückt.

Er erzählt es allen Menschen,
Welche Gnad ihm widerfuhr,
Daß Durchlaucht ihn hat gewürdigt
Mehr als eines Blickes nur.
Er erzählet Kindeskindern:
Ja, ich habe ihn gesehen!
Und bei Gott! nun kann ich ruhig,
Ruhig in die Grube gehn.

Im gleichen Jahr wie der zweite Teil der Unpolitischen Lieder schrieb er im britischen Exil und veröffentlichte im vergleichsweise liberalen Hamburg Hoffmann von Fallersleben das Lied der Deutschen. Die drei Strophen sollten von da an das Schicksal der deutschen Nation begleiten.

Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt,
Wenn es stets zu Schutz und Trutze
Brüderlich zusammenhält,
Von der Maas bis an die Memel,
Von der Etsch bis an den Belt –
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt!

Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten
Ihren alten schönen Klang,
Uns zu edler Tat begeistern
Unser ganzes Leben lang –
Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang!

Einigkeit und Recht und Freiheit
Für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben
Brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
Sind des Glückes Unterpfand –
Blüh im Glanze dieses Glückes,
Blühe, deutsches Vaterland!

Das gesamte Lied der Deutschen ist kein Kampflied. Auch die erste Strophe ist nicht der Besitzanspruch eines Nationalstaates auf heute zu anderen Nationen gehörenden Territorien. Es ist der schwärmerische Ausruf eines Exilierten. Die Maas (frz. Meuse) fließt durch Frankreich und Belgien und die Etsch (ital. Adige) in Italien. Der Belt gehört zu Dänemark und die Memel ist heute ein Fluss in Litauen. Die zweite Strophe ist aus heutiger Sicht fast ein wenig seicht. Politisch findet man in ihr nicht viel; man sieht aber, dass der Text doch in der Zeit des Dichters verhaftet ist. Heute würde es wohl nicht als politisch korrekt betrachtet werden, Frauen mit Wein und Gesang zu vergleichen. Immerhin kommt da wenigstens noch die Treue hinzu. Die dritte Strophe ist doch wohl die gekonnteste. Die Vision von Einigkeit, Recht und Freiheit. Dem Text lässt sich nicht widersprechen. Ein solches Land möchte ich auch, heute noch, vielleicht mehr denn je.

Am 11. August 1922 erhob die erste sozialdemokratische Regierung das Lied der Deutschen zur Nationalhymne. In einer Ansprache sagte er: Einigkeit und Recht und Freiheit! Dieser Dreiklang aus dem Liede des Dichters gab in Zeiten innerer Zersplitterung und Unterdrückung der Sehnsucht aller Deutschen Ausdruck; es soll auch jetzt unseren harten Weg zu einer besseren Zukunft begleiten…
Die Nazis sangen nur die erste Strophe, verbaten sogar die zwei weiteren und ließen dann das Horst-Wessel-Lied folgen. Mit Ende des Faschismus schien auch das Lied der Deutschen verbraucht, mit dem Makel behaftet, ein Nazilied zu sein. Doch ist es nicht. Das ist es nie gewesen. Tatsächlich kenne ich keine andere Hymne, die so wenig blutrünstig ist wie die bundesdeutsche. In anderen Ländern wird entweder der Monarch verehrt (Vereinigtes Königreich) oder von den Schlachten der Revolution erzählt (Frankreich).

Die 1950 auf der Suche nach einer neuen Hymne von Bert Brecht geschriebene Kinderhymne wurde noch im gleichen Jahr von Hanns Eisler mit einer eigenen Melodie versehen. Sie ist aber auch gut zur Melodie Haydns zu singen.

Anmut sparet nicht noch Mühe,
Leidenschaft nicht noch Verstand,
daß ein gutes Deutschland blühe,
wie ein andres gutes Land.

Daß die Völker nicht erbleichen
wie vor einer Räuberin,
sondern ihre Hände reichen
uns wie andern Völkern hin.

Und nicht über und nicht unter
andern Völkern wolln wir sein,
von der See bis zu den Alpen,
von der Oder bis zum Rhein.

Und weil wir dies Land verbessern,
lieben und beschirmen wir’s.
Und das liebste mag’s uns scheinen
so wie andern Völkern ihrs.

Links
http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/ – Digitalisierung des Deutschlandliedes von 1841
http://www.deutschestextarchiv.de/api/pnd/118552589 – Digitalisierung der Unpolitischen Lieder von 1840 und 1841


Heute ist außerdem der Namenstag von Wulfila (311–383), dem ersten Bischof der Terwingen, einem ostgotischen Stamm. Seine Gotenbibel (oder auch Wulfilabibel) ist wohl die erste Übersetzung von biblischen Texten in eine deutsche bzw. germanische Sprache. Er übersetzte dabei aus dem Griechischen. Für die Übersetzung entwickelte Wulfila, angelehnt an das griechische Alphabet in Kombination mit lateinischen Buchstaben und Runen, die gotische Schrift. Das Vaterunser sei an dieser Stelle mit lateinischer Schrift zitiert. [Der Buchstabe þ spricht sich wie das englische th.]

atta unsar
þu ïn himinam
weihnai namo þein
qimai þiudinassus þeins
wairþai wilja þeins
swe ïn himina jah ana airþai
hlaif unsarana þana sinteinan gif uns himma daga
jah aflet uns þatei skulans sijaima
swaswe jah weis afletam þaim skulam unsaraim
jah ni briggais uns ïn fraistubnjai
ak lausei uns af þamma ubilin
unte þeina ïst þiudangardi
jah mahts jah wulþus ïn aiwins
amen

Bischof Wulfila ist auch eine Gedenktafel in der Walhalla in Donaustauf bei Regensburg gewidmet. Hoffmann von Fallersleben schrieb in seinen Unpolitischen Liedern über die vom 18. Oktober 1830 bis zum 18. Oktober 1842 im Bau befindlichen Ruhmestempel für die bedeutenden Persönlichkeiten teutscher Zunge:

Sei gegrüßt, du hehre Halle
Deutscher Größ‘ und Herrlichkeit!
Seid gegrüßt, ihr Helden alle
Aus der alt‘ und neuen Zeit!

O ihr Helden in der Halle,
Könntet ihr lebendig sein!
Nein, ein König hat euch alle
Lieber doch in Erz und Stein.

Links
http://www.wulfila.be/ – Das Wulfila-Projekt der Universität Antwerpen
http://www.wulfila.be/gothic/browse/ – Zeilenweise Darstellung der Gotenbibel mit griechischer und englischer Entsprechung (innerhalb des Wulfila-Projekts)
http://www.gotica.de/ – Übersicht von Gotisch-Projekten
http://www.schloesser.bayern.de/ – Die Walhalla in Donaustauf bei Regensburg

20. Todestag von Rio Reiser

Als ich 1984 in der Nähe von Eschwege beim Bundeslager des Verbandes Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP) abends am Lagerfeuer saß, spielte ein älteres Mädchen auf der Gitarre. Ich war damals elf Jahre alt und kann nicht sagen, ob Scotty – so wurde das Mädchen genannt – 14 oder 20 Jahre alt war. Dieses Mädchen war für mich einfach groß und beherrschte das Instrument, dessen Spiel ich am Ende dieses Sommers auch erlernen würde. Mein Traum vom Verändern dieser Welt durch kraftvolle Songs begann mit einem Song, den ich in meiner Unwissenheit erst einmal Scotty selbst zuschrieb: Der Traum ist aus.

1984 war auch das Jahr, in dem Rio Reiser 34-jährig mit der Unterstützung von Annette Humpe seine Solo-Karriere startete. Den König von Deutschland brachte ich bis kurz vor meinem Abitur nicht mit dem unterbrochenen Träumer in Verbindung. In meinem vierten Jahr in Leipzig ist Rio Reiser dann unerwartet gestorben. Nach seiner Umbettung vor fünf Jahren habe ich ihm auf dem Alten Matthäi Friedhof in Berlin Schöneberg schon einige Male die Ehre erwiesen. Ein Konzert von ihm habe ich leider nie erlebt. Seine Art zu texten hat mich stark beeinflusst.

Ich möchte an dieser Stelle – vielleicht etwas abgedroschen aber doch so passend – den Anfang von Junimond zitieren:

Die Welt schaut rauf zu meinem Fenster
Mit müden Augen ganz staubig und scheu
Ich bin hier oben auf meiner Wolke
Ich seh Dich kommen aber Du gehst vorbei

Ach, dann können wir ja auch gleich das Video schauen:

Links
http://rioreiser.de/
http://tonsteinescherben.de/

50 Jahre Revolver von den Beatles

Heute vor 50 Jahren kam das Album Revolver von den Beatles auf den Markt. Seit April 1966 hatten sie am Nachfolger der Rubber Soul gearbeitet. Kein ganzes Jahr später, am 1. Juni 1967 erschien dann Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band. Die drei Alben markieren den Umbruch der Band. Vorher waren sie schlicht eine der erfolgreichsten Beat-Bands. Doch mit diesen Alben legten sie das Fundament für ihren singulären Ruhm. Was die Beatles für die Rockmusik getan haben, lässt sich wohl auf diesem Feld nicht noch einmal wiederholen.

Der Spiegel (Nr. 38, 1966) urteilte in seiner Besprechung eher abschätzig. Vom Beat der frühen Jahre weit entfernt, präsentiert das Gesangsquartett zu abgestufter Instrumental-Begleitung lyrische und pseudophilosophische Songs […], heißt es dort. Der Schluss dieser Rezension macht die Beatles noch einmal zum Bürgerschreck: Experten vermuten: Der „Revolver“ ist eine Selbstmordwaffe.

Heute ist man sich gemeinhin einig. Und da Revolver an einem Fünften erschien, zitiere ich aus der ewigen Liste der 500 Greatest Albums of All Time, die der Rolling Stone aufgestellt hat, die Top Five. Was waren das für wichtige Zeiten der Rockmusik, damals vor 50 Jahren!

  1. Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band (The Beatles, 1967)
  2. Pet Sounds (The Beach Boys, 1966)
  3. Revolver (The Beatles, 1966)
  4. Highway 61 Revisited (Bob Dylan, 1965)
  5. Rubber Soul (The Beatles, 1965)

Die Liste des Rolling Stone ist eine wiederholte Lektüre wert. Ich bemerke dabei – mich selbst bestätigend –, was ich doch für einen ausgesucht guten Geschmack habe. Denn von den obersten 50 Alben besitze ich eine ganze Menge. Allerdings keine Originalausgaben.

Links
http://www.thebeatles.com/
http://magazin.spiegel.de/ – PDF der Rezension von Revolver
http://www.rollingstone.com/ – 500 Greatest Albums of All Time (Top 50)

Exakte Übereinstimmung der Attitüden

Auf der Website von Vestoj – the plattform for critical thinking on fashion las ich heute einen Artikel aus der Ausgabe #6 On Failure über den Zigeuner-Look. An dieser Stelle nutzt auch die gebürtige Roma aus Rumänien im Englischen den Begriff Gypsy; denn es geht um den romantisch verklärten Blick auf das lustige Zigeunerleben, das die Autorin dann kontrastiert mit den Realitäten in Rumänien und den anderen Ländern der EU. Es ist ein sehr lesenswerter Artikel, der aus den Werbebotschaften einiger Modehäuser zitiert und dies in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext stellt. Ich habe in dem Artikel neue Worte kennengelernt, wie den Gypset, den Bloomingdale erfunden haben soll. In einer Anzeige im New Yorker heißt es wörtlich: Are you a gypset? Part Gypsy, part Jet Set, all chic?

Auf die Zigeuner haben wir schon immer aus zwei sehr unterschiedlichen Perspektiven gesehen. Das Wildromantische fasziniert uns, die Unabhängigkeit, die heiße Liebesglut. Doch wer möchte mit echten Zigeunern umgehen? – Da ist es ganz egal, ob es sich um Angehörige der Sinti und Roma handelt, Jenische, moderne Schausteller oder mexikanische Wanderarbreiter auf US-amerikanischen Obstplantagen; sie alle könnte man für Zigeuner halten, sie alle können als Projektionsfläche für unsere ungelebten Träume dienen, und wir wollen sie alle nicht in unseren echten Leben haben.

Die Bewunderung ist alt: das Zigeunerschnitzel mit Zigeunersauce existiert bereits über hundert Jahre. Den Zigeuner-Look soll es dem Artikel nach seit den 60er Jahren geben. Sogar im modernen Arbeitsalltag orientieren wir uns am Ideal des Zigeuners. Das Leben und Arbeiten als Digitaler Nomade – nur mit einem Laptop bewaffnet in einem Café sitzend – scheint uns das Paradies unter den Erwerbsarten.

Doch die Bigotterie unserer Gesellschaft sollte gar nicht das Thema dieses Blog-Eintrags werden. Der Artikel ist nur der Aufhänger für ein anderes Thema. Er wurde illustriert mit einer Arbeit der Fotografen Ari Versluis und Ellie Uyttenbroek: Zwölf ältere Zigeunerfrauen. Man ahnt, dass das, was diese authentisch tragen, nicht der Zigeuner-Look der Modebranche ist.

Ari Versluis und Ellie Uyttenbroek stammen aus den Niederlanden und erstellen bereits seit 1998 sogenannte Exactitudes. Das Wort ist eine Neuschöpfung aus Exact Attitudes. Die beiden Künstler staffieren ihre Modelle nicht aus. Sie porträtieren Menschen in ihrer typischen Bekleidung, achten allerdings auf eine bestimmte Haltung, sortiert nach ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe, Subkultur, Modewelle. Es entstehen überwältigende Porträtreihen, die einen das Wort Individualismus vergessen lassen.

Ist es so einfach, mich einer Gruppe zuzuordnen? Warum sieht man es selbst nicht so klar wie die anderen? Eltern bemerken den Wandel der Teenager-Kinder von „normalen“ Menschen zu Fans einer bestimmten Band, eines Musikstils oder anderer Unterscheidungsmerkmale. Der Teenager fühlt sicherlich beides, den vermeintlich ausgedrückten Individualismus im Vergleich zur angenommenen oder tatsächlichen Konformität in der Schulklasse, sowie das Erfüllen eines Dresscodes, um von der ersehnten Gruppe aufgenommen zu werden. Wie gesagt, er fühlt es; aber ganz und gar bewusst ist es ihm nicht.

Ich kenne einige der Arbeiten schon seit fast zwei Jahren. Heute sind sie mir wieder über den Weg gelaufen. Darüber freue ich mich. Ein Besuch ihrer Website ist auf jeden Fall lohnenswert.

Links
http://vestoj.com/dressing-like-a-gypsy/
http://www.exactitudes.com/
http://www.flatlandgallery.com/artists/exactitudes/

Gemeinsam in eine friedliche Zukunft

Letztes Jahr am 1. August habe ich mit einem Blog-Eintrag auf den 44. Jahrestag des ersten Benefizkonzerts der Rockgeschichte hingewiesen. Mit der 45 könnte ich das wieder machen. Heute wird der Sender MTV 35 Jahre alt. Auch darüber könnte man philosophieren. Mir steht der Sinn aber nach etwas anderem. Der 1. August ist nämlich auch ein Tag für friedliche und überaus dauerhafte Bündnisse, die ich hier mit einer Top-Five-Liste ehren und den EU-Mitgliedstaaten ins Stammbuch schreiben möchte.

  1. Der Schweizer Gründungslegende nach trafen sich am 1. August 1291 Vertreter der drei Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden auf dem Rütli am Vierwaldstättersee, um einen heiligen Eid zu schwören. Der lateinische Bundesbrief beginnt mit den Worten: In Gottes Namen. Amen. Das öffentliche Ansehen und Wohl erfordert, dass Friedensordnungen dauernde Geltung gegeben werde. Ein Austrittsszenario wird nicht gestaltet. Es heißt vielmehr: „Entsteht Krieg oder Zwietracht zwischen Eidgenossen und will ein Teil sich dem Rechtsspruch oder der Gutmachung entziehen, so sind die Eidgenossen gehalten, den andern zu schützen. – Diese Ordnungen sollen, so Gott will, dauernden Bestand haben.“ Seit 1891 – zur 600-Jahr-Feier dieses Bundes – wurde der Schweizer Nationalfeiertag auf den 1. August gelegt.
    Vorher galt ein anderer Schwur als Gründungsdatum der Schweiz, der Bundesbrief von Brunnen vom 9. Dezember 1315, der im Gegensatz zum Bundesbrief von 1291 sehr wahrscheinlich historisch ist. Er ist auf deutsch verfasst und beginnt sehr kenntnisreich: In gottes namen Amen. Wande menschlicher sin blöde und zerganglich, daz man der sachen und der dinge diu langwirig und stete solden beliben, so lichte und so balde vergizzet, dur daz so ist ez nutze und notdurftig, daz man die sachen, die dien lüten ze fride und ze gemache (und) ze nutze und zu eren uf gesetzet werdent, mit schrift und mit briefen wizzentlich und kuntlich gemachet werden.
  2. Am 1. August 1523 bildeten die Landstände Mecklenburgs eine Union, um der Teilung des Landes nach Erbstreitigkeiten zu entgehen – mit Erfolg und über den 30-jährigen Krieg hinaus. Die Landständische Union wurde erst im Zuge der Novemberrevolution am 3. Dezember 1918 aufgelöst.
  3. Am Vorabend des 1. August 1907 begann das erste Pfadfinderlager auf Brownsea Island mit einem Lagefeuer, um das General Robert Baden-Powell 22 Jungen aus unterschiedlichen sozialen Milieus versammelte. Am Morgen wurde die Pfadfinderbewegung offiziell gegründet. Ein Jahr später brachte Baden-Powell das Buch Scouting for Boys heraus. Aus diesem Buch stammt der seitdem oft kopierte pädagogische Grundsatz des Learning by Doing. Er schuf damit ein ideales Angebot für Kinder und Jugendliche, das auch heute noch die 1980 vom Pädagogen Peter Friedrich beschriebenen Lückekinder auffangen kann. Lückekinder sind zwischen 9 und 14 Jahren, für den Schulhort zu alt und für den Jugendklub zu jung.
  4. Zu Beginn habe ich von friedlichen Bündnissen gesprochen. Doch an dieser Stelle nehme ich den Beginn des Warschauer Aufstandes durch die Polnische Heimatarmee am 1. August 1944 mit in die Reihe. Es kommt doch darauf, gegen wen man Kämpft. Und ein Aufstand gegen das unmenschliche Naziregime gilt mir als ein Akt des Friedens. Die Rote Armee war bereits am rechten Weichselufer, als die Polnische Heimatarmee den Aufstand begann. Leider unterstützte die Rote Armee nicht die Aufständischen. Der Aufstand wurde letztendlich von den Nazis niedergeschlagen, die Heimatarmee aufgerieben und Warschau fast vollständig zerstört. Polnische Pfadfinder beteiligten sich als Boten und Sanitäter am Aufstand. Ihnen ist in Warschau das Denkmal des Kleines Aufständischen des Bildhauers Jerzy Jarnuszkiewicz gewidmet.
  5. Seit dem 1. August 2001 dürfen Schwule und Lesben mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft auch einen Bund fürs Leben schließen, der in vielen Punkten der Ehe gleichgestellt ist. Doch ist es keine Ehe für alle, wie sie mittlerweile in anderen, fortschrittlicheren Ländern geschaffen wurde.