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Ostersonntag

Heute ist Ostern, der Tag der Auferstehung Jesu Christi. Die Auferstehung bedeutet für mich zweierlei; das leere Grab und die Aufforderung zur Nachfolge Christi. Beim Evangelium nach Lukas folgt auf die Entdeckung des leeren Grabes die Erzählung von den zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus.

Während die beiden Jünger über die vergangene Kreuzigung und die Zukunft der Lehren Jesu diskutieren, gesellt sich ein weiterer Wanderer hinzu. Es ist Jesus selbst, den sie zu diesem Zeitpunkt aber nicht erkennen. Erst nachdem sie ihn in Emmaus zum Bleiben genötigt haben und Jesus das Brot mit ihnen bricht, erkennen sie ihn und machen sich auf den Weg zurück nach Jerusalem, um den anderen Jüngern davon zu erzählen.

Caravaggio: Abendmahl in Emmaus (um 1601), National Gallery London

Caravaggio hat 1601 diese Situation aus dem Lukasevangelium in seinem berühmten Gemälde Abendmahl in Emmaus ausgestaltet, das heute in der National Gallery in London zu sehen ist. Neben den zwei Jüngern und dem segnenden Jesus ist noch eine vierte Person dargestellt, stehend, und einen Schatten auf den Auferstandenen werfend.

Der Schatten über Jesus wirkt trotz seiner Schwärze wie ein Heiligenschein, er lässt ihn im Kontrast strahlender und jünger erscheinen. Die stehende Person wird of als Herbergswirt bezeichnet. Das gefällt mir. Denn so beginnt Jesu Leben mit einem Herbergswirt, der keinen anderen Raum in seiner Herberge hat als einen Stall, und es – „endet“ ist hier wohl nicht das richtige Wort – beginnt als Auferstandener mit einem Herbergswirt, der diesem – nicht letzten, sondern vielmehr erstem – Abendmahl der neuen Zeit skeptisch beiwohnt.

In diesem Wirt kann sich der zeitgenössische Betrachter wiederfinden. So gehe hin und tu auch du! Gott hat keine anderen Hände als unsere. Zur Nachfolge Christi werden wir durch diesen skeptischen Wirt vielleicht wirksamer aufgefordert als durch die beiden begeisterten Jünger.

Nun hat das Bild mit 400 Jahren Geschichte auch schon etwas Patina angesetzt. Der Wirt mag uns als Identifikationsfigur nicht mehr dienen. Doch dafür kann mein Foto eine neue Ebene hinzufügen. Die beiden Bildbetrachter mögen eher Kunstpilger sein, statt fromme Träger der Jakobsmuschel. Aber welch ein Glück, dass ich einen jungen und einen alten Kunstliebhaber bei der Kontemplation einfing!

Jetzt müssen wir die Nachricht in unseren Freundeskreisen verbreiten: Das Grab ist leer. Und wir befinden uns in der Nachfolge Christi, beim Abendmahl und an jedem Tag unseres weiteren Lebens.

Jahresrückblick 2022

Silvester ist die richtige Zeit zum Innehalten und Zurückschauen – nicht zu lange! Man will ja nicht wehmütig werden. Aber man kann ja mal kurz die Koffer abstellen und durchatmen, bevor man sie wieder ergreift und weiterzieht in ein neues Jahr.

Wie zu den Weihnachtsfeiertagen habe ich hier nur Bilder ausgewählt, die ich in diesem Jahr im September bei meinem Urlaub in London geschossen habe. Dort lebt meine Tante, die ich sehr mag und mit der ich einmal im Jahr eine Uralubsreise unternehme. Eigentlich! Denn nach meinem letzten Besuch im September 2019 kam erstmal Corona mit den unterschiedlichsten Reiseregelungen und schon hatten wir uns drei Jahre lang nicht gesehen.

Jedes Bild zeigt Maria und Jesus, aber die Aussage ist jeweils eine ganz andere. Die möchte ich symbolhaft für die vier Quartale 2022 nehmen. Das passt vielleicht nicht immer ganz genau; aber als ein erste Anhaltspunkt soll es mir genügen.

Jungfrau mit Kind, Engeln und Johannes dem Täufer, Goa (17. Jh.)

Diese Madonna stammt aus Goa, Indien. Dort gab es bereits vor dem Eintreffen der Europäer (im konkreten Fall Portugiesen) eine christliche Gemeinde, die sogeannten Thomaschristen, die sich auf den Apostel Thomas berufen. Sie stehen der orthodoxen Kirche in vielem näher als der katholischen oder gar protestantischen Kirche. Bemerkenswert finde ich, wie Maria von Engeln getragen wird und wie Johannes der Täufer so klein und hilflos als Randfigur vergeblich um die Aufmerksamkeit Mariens buhlt.

Der Jahresanfang war für mich ein ganz freudiger, gespannter. Unser Bistro BolBolani wurde am 30. Januar ein Jahr alt. Und einen knappen Monat später hatte ich selbst Geburtstag. Doch dieser Freudentag wurde überschattet vom Einfall Putins in die Ukraine. Seitdem ist ein Schatten auf diesem Jahr. Und uns geht es bei allen Problemen um Gas, Speiseöl, Inflation und Klimawandel noch verhältnismäßig gut.

Maria und Kind, Türkei (um 1650)

Der Teller zeigt Maria und Jesus in einem Blumenmeer. Ich entdeckte die Keramik in der muslimischen Abteilung des British Museums. Jesus ist ein wichtiger Prophet im Koran und nach Maria ist sogar eine Sure benannt. Nur als Sohn Gottes wird Jesus eben nicht gesehen.

Im zweiten Quartal entwickelte ich die Idee für den Kalender 2023 Orientalische Märchen Gestalten. Diese Idee stand natürlich plötzlich monolithisch im Raum. Sie ist gereift, bis sie schließlich zum Jahresende verwirklicht vor mir lag in Form von einem Kalender mit zwölf Porträts von Spielern des FC Moahjer Leipzig e.V., einem Plakat mit allen 30 Mitgliedern des Vereins zum Saisonstart und einem Buch mit den orientalischen Märchen, auf die ich mich im Kalender beziehe.

Außerdem habe ich mich in dieser Zeit mit der guten Freundin Anna Baldauf beim Korrekturlesen ihrer Staatsexamensarbeit mit Ruth beschäftigen dürfen, einer Vorfahrin König Davids und somit auch Jesu Christi. Die Arbeit war meiner nach hervorragend. Die Prüfer haben es auch so gesehen. Herzlichen Glückwunsch!

Parmigianino (1503–1540), Jungfrau und Kind (1528)

Wenn auch dieses Bild, das unten rechts deutlich Fragment geblieben ist, vom Anfang des 16. Jahrhunderts stammt, ist es für mich das modernste. Vielleicht liegt es gerade auch am Fragmentarischen.

Mein drittes Quartal 2022 war geprägt von den Geburtstagen zweier älterer Damen. Im Juli feierte meine Familie in meienr Geburtsstadt Hildesheim den 80-jährigen Geburtstag meiner Mutter und im September feierten meine Tante und ich in London ihren 82-jährigen.

Das Bistro habe ich an meinen Geschäftspartner Mohammad Mirzaiy verkauft. Ich bin doch wohl eher Künstler und Dozent. Auch wenn mir im Unterricht das Kaufmännische alles andere als fremd ist, war das tägliche Mühen im Bistro zusätzlich doch wohl zuviel für mich.

Gentile da Fabriano (1385–1427), Madonna mit Kind und Engeln (1425)

Das Jesuskind schaut in diesem prachtvollen Altarbild nicht zum Betrachter bzw. Betenden. Es wendet sich dem vordersten Engel zu und überreicht diesem ein Gänseblümchen. Gibt es eine unscheinbarere, alltäglichere und doch unschuldigere Blume als das Gänseblümchen?

Das vierte Quartal begann mit dem 80-jährigen Geburtstag meines Vaters, den wir als Familie in Hannover, einer der Wirkungsstätten meines Vaters, feierlich begangen haben. Den Rest des Jahres habe ich wie im Fieber am Kalender-Projekt und auch ganz konkret am Vorankommen des FC Mohajer Leipzig e.V. gearbeitet. Mit sehr viel Freude und letztendlich auch mit Erfolg, würde ich sagen. Die Weihnachtsfeiertage im täglich wechselnden Kreise meiner Familie und Patenkindfamilien waren ein wundervoller Abschluss dieses Jahres.

Ich wünsche uns allen, meiner Familie, meinen Freunden und Wegbegleitern und allen Lesern dieser Zeilen ein gesundes und frohes neues Jahr 2023 unter Gottes segnender Hand!

Links
https://courtauld.ac.uk/
https://www.nationalgallery.org.uk/

https://www.britishmuseum.org/

Tag des Königs David

Heute ist der Namestag des Königs David. Es ist kein historischer Tag wie Geburtsdatum, Datum der Thronbesteigung oder Sterbedatum. Der Gedenktag ist bewusst gesetzt. David gehört damit zu den Krippenheiligen. Das sind Heilige, deren Gedenktage in die Nähe des Weihnachtsfestes gelefgt wurden, um ihre Bedeutung zu betonen. Der Thomastag am 21. Dezember gehört ebnso dazu wie der Stephanstag am 26. Dezember.

Es soll aber in meiner Folge von weihnachtlichen Posts nicht um das Leben König Davids gehen. Er ist von Bedeutung als Vorfahr Jesu; denn er wird gern als Sohn Davids bezeichnet. Sowohl im Evangelium nach Lukas als auch nach Matthäus wird eine Genealogie Jesu nachgezeichnet, die bezeichnender Weise die Abstammung über Joseph nennt.

In der katholischen Kirche wurde es dann wichtig, eine Verwandtschaft mit König David über Maria zu betonen. In diesem Zusammenhang wurde die Darstellungen der Anna selbdritt populär. Anna ist die Mutter Mariens. Die hier wiedergegebene Anna selbdritt haben ich in der National Gallery in London gefunden.

Anna selbdritt, Gerolamo dai Libri, Verona, 1510–18

Ursprünglich war das Bild das Hauptstück eines Triptychons in der Kirche Santa Maria sella Scala in Verona. Geschaffen hat es Gerolamo dai Libri (1474–1555), den man der Frührenaissance zurechnet. Seinen merkwürdigen Beinamen hat er seinem Vater zu verdanken, der bereits als Buchillustrator gearbeitet hatte. Gerolamo folgte ihm in diesem Beruf nach, scheute aber auch die größeren Formate nicht.

Mir gefallen besonders die musikalischen Engel zu Füßen der Mütter mit dem Jesuskind. Man beachte auch denbezwungenen Drachen im Hintergrund.

Fest der Unschuldigen Kinder

Dieser Tag ist die dunkle Seite des Weihnachtsfestes. König Herodes lässt in Bethlehem alle Jungen unter zwei Jahren ermorden, um auch Jesus zu treffen. Jesus ist aber bereits auf dem Weg nach Ägypten, weil Joseph durch ein Traumgesicht gewarnt wurde.

Parmigianino, Rast auf der Flucht nach Ägypten, 1523/24 (Ausschnitt)

Gerade einmal 20 Jahre war Girolamo Francesco Maria Mazzola (1503–1540) alt, als er das Bild der heiligen Familie auf der Flucht malte. Man nannte ihn den Kleinen aus Parma. So ging er auch in die Kunstgeschichte ein. Nicht nur ein Schutzengel ist mitgekommen; auch Ochs und Esel sind mit dabei.

Link
https://courtauld.ac.uk/gallery/

Zweiter Weihnachtstag

Die Anbetung der Weisen oder Könige ist das zweite große Thema der Weihnachtsbilder. Der italienische Künstler Giovanni Baronzio hat dieses Bild irgendwann zwischen 1326 und 1340 gemalt. Sein Geburtsdatum ist unbekannt, gestorben ist er 1362. Er ghört zur zweiten Generation der Schule von Rimini. Im Hintergrund des Bildes sieht man auch die Verkündigung der Engel gegenüber den Hirten.

Giovanni Baronzio, Die Anbetung der Weisen, 1326–1350 (Ausschnitt)

Link
https://courtauld.ac.uk/gallery/

Heiliger Abend

Heute ist Heiliger Abend. Heute Abend beginnt die Weihnachtszeit. Heute Abend werden in vielen Familien die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum im Mittelpunkt stehen. Das soll auch so sein. Doch das erste Geschenk der Weihnacht ist die Menschwerdung Gottes. Den Hirten wurde es auf den Weiden Bethlehems als erstes bekannt gegeben durch den Verkündigungsengel. Danach sangen die Himmlischen Heerscharen:

Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.

Lukas 2, 14
Guido Renzi, Die Anbetung der Hirten (Ausschnitt), 1640

Guido Reni (1575–1642), den man auch den göttlichen Guido nannte, hat diese Szene im Stil der Bologneser Schule abgebildet. Im oberen Ausschnitt sieht man die Himmlischen Heerscharen, im unteren die Krippe und die tatsächliche Anbetung der Hirten.

Guido Renzi, Die Anbetung der Hirten (Ausschnitt), 1640

In diesem Jahr zeige ich Bilder, die ich bei meinem Englandaufenthalt im September 2022 gesehen habe. Es werden also englische Weihnachten in diesem Jahr. Ich wünsche all meinen Freunden und Verwandten und auch den gelegentlichen Blog-Besuchern ein gesegnetes Weihnachtsfest und ihre ganz persönlichen Engelsbegegnungen.

Link
https://www.nationalgallery.org.uk/

3000 Years of Longing

Noch bin ich in London. Und hier habe ich einen wunderbaren Film gesehen. Er heißt Three Thousand Years of Longing. Regie führte George Miller, der auch für die Mad-Max-Reihe verantwortlich zeichnet; genau dort liegt auch schon das Problem. Aber davon später mehr.

Tilda Swinton spielt eine einzelgängerische Literaturwissenschaftlerin, die bei einem Aufenthalt in Istanbul ein kleines Glasfläschchen auf einem Basar ersteht. Bei dessen Reinigung im Hotelzimmer zerbricht der Verschluss und heraus kommt ein Dschinn gespielt von Idris Elba.

Kinoplakat

Nun entwickelt sich zwischen den beiden eine ganz besondere Spannung. Der Dschinn bietet seiner Befreierin die obligatorischen Wünsche. Die Literaturwissenschaftlerin kennt die alten Geschichten und weiß, dass die Erfüllung solcher Wünsche doch so leicht ins Unglück führen kann und wähnt sich wunschlos glücklich. Der Dschinn erzählt seine titelgebende 3000-jährige Lebens- und Leidensgeschichte.

Es ist oberflächlich ein Film über Wünsche, das Verlangen, die Liebe. Schon das muss viele Zuschauer enttäuschen. Denn nachdem George Miller gerade mit dem vierten Mad-Max-Teil Fury Road viel Action und Spezialeffekte abgeliefert hat, sind Zuschauer und Londoner Filmkritiker gleichermaßen verwirrt bzw. enttäuscht.

Ich sehe in diesem Film über die Liebe hinaus ein anderes wichtiges Thema: das Verhältnis zwischen Orient und Okzident. Schon auf dem Flug Richtung Istanbul liest Tilda Swintons Charakter The Prophet von Khalil Gibran. Dieser libanesich-US-amerikanische Dichter ist bereits ein Sinnbild für die ost-westliche Verständigung. Die Geschichte des Dschinns beginnt am Hofe des biblischen Salomo, der als Sulaiman auch im Koran als weiser König und Prophet verehrt wird. Im modernen London schließlich kommt der östliche Dschinn nicht gut zurecht und führt quasi eine Art Fernbeziehung mit der westlichen Literaturwissenschaftlerin.

Die Kritiker in England vermissen einen roten Faden, andere wollen mehr Action, den Miller so gut auf die Leinwand bringen kann. Das kann ich nicht so bestätigen. Es gibt zwar in den Rückblicken auf die Geschichte des Dschinns auch ein paar nette Spezialeffekte. Bei Lichte besehen ist es aber ein Kammerspiel mit zwei hervorragenden Schauspielern. Die literarische Vorlage lieferte A. S. Byatt, von der ich noch nichts gelesen habe. Nach dem Film hat aber meine Tante ihren Bücherschrank für mich geöffnet. Ich werde nacharbeiten! Die Kurzgeschichte heißt The Djinn in the Nightingale’s Eye, was ein wunderschöner Titel ist.

Absolute Empfehlung!

Links
https://www.festival-cannes.com/en/festival/films/three-thousand-years-of-longing
https://www.imdb.com/title/tt9198364/