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Bist du jetzt auch im Balkanfieber?
Gestern starb der kanadische Ausnahmemusiker und Songwriter Robbie Robertson mit 80 Jahren. Am 5. Juli 1943 in Toronto als Sohn eines jüdischen Immigranten und einer Mowak-Cayuga-Indianerin geboren, ließ er sich früh von der Musik inspirieren, die er im Six-Nations-of-the-Grand-River-Reservat kennenlernte. Ab 1960 spielte er Gitarre bei The Hawks, die sich später zu der legendären The Band umbenannte.
1965 war The Band die Band, die Bob Dylan auf dem Newport Folkfestival bei der Elektrifizierung seiner Musik unterstützte. Eine Zeit lang galten sie gar als die lauteste Band der Welt. Das stieß damals nicht überall auf Gegenliebe, wird aber musikhistorisch heute als ein kaum zu überschätzender Wendepunkt betrachtet.
Ich persönlich liebe die Alben aus der Kollaboration von Dylan & The Band ganz besonders. Der von Martin Scorsese gedrehte Film über das Abschiedskonzert von The Band – The Last Waltz zu Thanksgiving 1976 (der Film erschien 1978) gehört für mich zu den besten Konzertfilmen bzw. Bandporträts überhaupt.
Ich finde gerade nicht die richtigen Worte, um meinen Respekt und meine Bewunderung für Robbie Robertson auszudrücken; deshalb muss eine einfache Top-Five-Liste seiner besten Songs reichen:
Rest in Peace, Robbie Robertson!
Gestern habe ich erfahren, dass Sinéad O’Connor verstorben ist. Die irische Sängerin und Songwriterin wurde 56 Jahre alt. In den letzten Jahren war sie von den großen Bühnen verschwunden. Sie war aber die gesamte Zeit künstlerisch aktiv. 1990 durfte ich sie in Berlin bei Roger Waters’ The Wall live erleben.
Ihre Stimme wird nicht nur musikalisch fehlen. Sinéad O’Connor war auch politisch eine wichtige Akteurin. Sie gehörte zu den ersten Großen, die auf den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche hinwies. Als sie ein 1992 im US-amerikanischen Fernsehen ein Bild von Papst Johannes Paul II. zerriss, wollte kaum einer die Botschaft hören. Man echauffierte sich lieber über ihre brutale Geste. Ein Bild zu zerreißen, sei ja quasi ein symbolischer Mord. Nun, heute blicken wir auf die Missbrauchsskandale der Kirchen mit anderen Augen und O’Connor war wohl eher eine Pionieren, ihrer Zeit weit voraus.
Auch zum Nordirland-Konflikt und zu Israel-Palästina, zu Frauenrechten und religiösen Fragen äußerte sich Sinéad O’Connor immer wieder offen und kontrovers. Außerdem machte sie aus ihren eigenen psychischen Problemen keinen Hehl, die wohl in ihrer problematischen Kindheit begründet sind.
Im Guardian wurde sie in einem etwas verunglückten Nachruf ein One-Hit-Wonder genannt. Dem möchte ich entschieden widersprechen. Selbstverständlich ist ihr großer Nummer-1-Hit Nothing Compares 2 U ein singulärer Erfolg; aber nicht jeder, der in der Rolling-Stone-Liste der 500 besten Songs aller Zeiten (2021) nur einmal genannt wird, ist ein One-Hit-Wonder.
Wiederholt konnte man Singles und Alben der Musikerin in den Top-100 finden. Größerer kommerzieller Erfolg, den sie auch nicht unbedingt erstrebte, wurde von manchen Unternehmen auch zu verhindern versucht, weil ihnen O’Connors politische Ansichten nicht passten.
Ich möchte die Verstorbene während meines England-Urlaubs ehren, indem ich eine Top-Five-Liste erstelle mit Songs, die mir viel bedeuten. Auf Nothing Compares 2 U habe ich in dieser Liste bewusst verzichtet. Auch ihr drittes Album Am I Not Your Girl? von 1992 habe ich nicht in der Liste, weil ich mich schlicht nicht entscheiden konnte, welches Lied ich hätte wählen wollen.
Rest in Peace, Sinéad O’Connor!
Gestern ist der kanadische Singer/Songwriter Gordon Lightfoot gestorben. Geboren wurde er am 17. November 1938 in der Kleinstadt Orillia in der ostkanadischen Provinz Ontario. Lightfoot begann seine Karriere als Songwriter für Künstler wie Elvis Presley sowie Peter, Paul and Mary, bevor er 1966 sein erstes eigenes Album herausbrachte.
1974 gelang ihm mit dem Lied Sundown ein Nummer-Eins-Hit in den USA. Seit den 1980er Jahren war er aber selbst nicht mehr in den Top-50 vertreten. Seine Songs wurden aber von anderen Künstlern immer wieder interpretiert. 1986 wurde Lightfoot in die Canadian Music Hall of Fame aufgenommen. Kein geringerer als Bob Dylan war es, der die Laudatio hielt. Lighfoot wurde in den 1960er Jahren von einigen Kritikern der kanadische Dylan genannt.
Bis ins hohe Alter war Lightfoot auf Bühnen musikalisch aktiv. Sein letztes Album Solo nahm er 2019 auf und brachte es im Folgejahr heraus. Es bekam gute Kritiken, setzte sich am Markt aber nicht durch. Im Frühjahr 2023 musste Lightfoot aus geseundheitlichen Gründen seine Tour abbrechen. Am 01. Mai starb er im KRankenhaus in Toronto. Gordon Lighfoot wurde 84 Jahre alt.
Ihm zu Ehren möchte ich eine Top-Five-Liste meiner Liebslingssongs von Gordon Lightfoot aufstellen. Ich habe nicht jeden der ganz großen Singlehits mit aufgenommen, sondern sie eher persönlich gehalten:
Nicht mit in die Reihe gehört The First Time vom ersten Album 1966; denn dies ist nciht von Gordon Lightfoot geschrieben. Es stammt aus der Feder von James Henry Miller (1915–1989), den man eher unter seinem Künstlernamen Ewan MacColl kennt. Seine Tochter Kirsty MacColl hatte nicht nur seinen Künstlernamen übernommen, sondern auch seine linke Gesinnung und die Musikalität. 1957 hat Ewan MacColl es für Peggy Seeger geschrieben.
1972 nahm Roberta Flack den Song auf und machte ihn weltberühmt. Heute kennt man außerdem das Lied von Johnny Cash, der es 2002 für sein Album American Recordings IV – The Man Comes Around einsang. Gerade Gordon Lightfoot und Johnny Cash stehen da in einem interessanten Spanungsverhältnis: Der eine sang es für sein erstes Album ein, der andere für das letzte, das zu seinen Lebzeiten veröffentlicht wurde. Was meinen sie und welchen Zeitraum überbrücken sie, wenn sie sich an ein erstes Mal erinnern?
Das Soziokulturelle Zentrum Die VILLA Leipzig veranstaltet jährlich ein Bandcamp, das europäische und nordafrikanische Jugendliche in drei Wochen in drei Städten musikalisch zusammenführt. In diesem Jahr standen Amarante (Portugal), Tunis (Tunesien) und Leipzig auf dem Plan. Gestern ging das Bandcamp mit einem Abschlusskonzert der 30 Teilnehmer im VILLAkeller zu Ende.
Ach, nicht lang schnacken! Hier sind die Bilder:
Die letzten beiden Bilder sind heute Morgen antstanden. Es sind Geschenke der tunesischen Musiker an mich. Vielen Dank dafür!
Link
https://villa-leipzig.de/musik-und-bands/europaeisches-bandcamp
Heute wird Joni Mitchell 79 Jahre alt. Sie ist – bei weitem – die bedeutendste Singer/Songwriterin für mich. Ihr Lieder begleiten mich seit Jahrzehnten. Ich schreibe jetzt keine lange Würdigung. Stattdessen möchte ich hier eine Übersetzung veröffentlichen, die ich bereits vor 13 Jahren niedergeschrieben habe. Es ist eines meiner Lieblingslieder von Joni: You turn me on (I’m a radio)
Fährst du gerade in die Stadt über dir ne Regenwolke?
Wähl die Nummer von dem Typen, der dich immer lieben wollte
Baby, du machst mich an! Ich bin ein Radio
Ich bin ein Sender vom Land, manche Sprüche sind hohl
Ich bin ein Weizenfeld – siehst du mich winken?
Ich bin ein Funkturm – siehst du mich blinken?Und ich schicke dir jetzt ein Signal
Ich hoffe es geht laut und deutlich durch den Kanal
Ein Mann für dich darf nicht stark sein das ödet dich an
Doch er darf auch nicht zu schwach sein; denn dann ist er kein Mann
Und eine Hand wäscht die andere, wie du mir so ich dir
Ich kann so sein, wie du mich willst, schenkst du mir Liebe dafürDoch bist du dir nicht sicher, zweifelst du wieder mal
Ist der Empfang einfach zu schlecht, ändere deine Senderwahl
Denn atmosphärisches Rauschen, wer hört das gern?
Dann sind Kopfschmerz und Sausen im Ohr nicht mehr fern
Von einem Frühstück mit Freunden bis zum Scheidungsantrag
Und was du für ein Gesicht machst an diesem schönen TagFährst du gerade in die Stadt über dir ne Regenwolke?
Joni Mitchell (Deutsch von Fabian W. Williges)
Wähl die Nummer von dem Typen, der dich immer lieben wollte
Liegst du gerade an ’nem Strand neben dir Lautsprecherboxen
Feg den Sand noch mal beiseite, meine Liebe wird noch Tropfen
Dein Kopf sagt wieder nein, doch dein Herz wär’ gern dabei
Ruf doch beim Sender an: alle Leitungen sind frei
Der 11. September 2001 ist von solch trauriger Berühmtheit, dass nahezu alles andere dunkel überstrahlt wird, wenn es dieses sprachliche Bild überhaupt gibt. Vor den schrecklichen Ereignissen in New York und Washington gab es aber auch schon ein Leben. Und ich bin noch immer überzeugt davon, dass der Mensch leben und lieben will. Und das drückt der Mensch gern auch mal in Liedern aus.
Deshalb schreibe ich heute eine Top-Five-Liste von Liedern, die mit dem 11. September verbunden sind:
Den heutigen Tag habe ich rumgebracht, indem ich mich für eine Serie dem Binge Watching hingab: Alive and Kicking. Es geht um den Ausbruch von 5 Teenagern aus einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt.
Der Schöpfer dieser Serie ist der Spanier Alber Espinosa, der mit der Krankenhausserie Polseres vermelles / Red Band Society / Club der roten Bänder seine eigene frühe Krebserkrankung verarbeitet hat. Neben dem spanischen Original gibt es ein US-amerikanisches und ein deutsches Remake. Ich empfehle aber das Original.
Nun also Alive and Kicking. Was ist es immer wieder mit den Namen? Die Romanvorlage von Espinosa heißt Was ich dir sagen werde, wenn ich dich wiedersehe. Das ist in der Tat etwas sperrig. Die Serie kam in Spanien unter dem Titel Los espabilados heraus, zu Deutsch: Die Eingeschlossenen. So hätte man die Serie gut nennen können. Sie hatte aber bereits den besagten internationalen Titel verordnet bekommen, der dann auch für das deutsche Fernsehen haften blieb. In den Folgen neben die Akteure aber immer wieder auf ihr Eingeschlossensein Bezug und nennen sich auch in der deutschen Synchronisation die Espabilados. Naja, Konsistenz wird überbewertet und alive and kicking wird allgemein übersetzt mit gesund und munter, hat im Englischen aber eine etwas wehrhaftere Konnotation – das passt zu dieser Serie auch ganz gut.
Beim ganzen Meckern über den Titel der Serie kommt viel zu kurz, dass ich sie sehr gut finde und absolut empfehlen möchte. In der ARD-Mediathek ist sie auf Deutsch und im spanischen Original abrufbar.
In der sechsten Folge nimmt die legendäre Hanna Schygulla als Truckfahrerin Verena die Kinder mit in die niedersächsische KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen. Dort angekommen suchen die Kinder mithilfe eines Spürhunds und eines alten Spielzeugs das Grab von Verenas Bruder, der anders als sie das KZ nicht überlebt hatte. Der Hund läuft vorbei am Grab von Anne Frank. Auf Verenas Truck steht aufgedruckt: KINDER – komm spielen wir! Und auch wenn es jetzt nacherzählt doch ein bisschen viel ist, passt es doch so richtig in die Serie hinein, auf mehreren Ebenen.
Links
https://www.ardmediathek.de/sendung/alive-and-kicking/staffel-1
https://losespabilados.movistarplus.es/
https://youtu.be/cIj4jY2yCMg – Titellied der Serie
Heute vor 42 Jahren nahm sich Ian Curtis das Leben. Curtis war der Frontmann der post-punk Band Joy Division. Nach seinem Tod blieb die Band zusammen und nannte sich nach einer Umbesetzung New Order.
Joy Division liefern den Soundtrack der No-future-Generation. Ich kann bis heute kaum ein Album durchhören, ohne am Leben zu verzweifeln. Sein Suizid ist so konsequent und folgerichtig. Die letzt Single der Band ist wohl auch die bekannteste:
When routine bites hard and ambitions are low
And resentment rides high but emotions won’t grow
And we’re changing our ways taking different roadsThen love, love will tear us apart again
Love, love will tear us apart again
Gerade dieser Tage habe ich in der neuen Ausgabe der Katapult (Nr. 25 Mai–Juni 2022) gelesen, dass Tieräzte und -ärztinnen eine im Vergleich zur Gesamtbevölkerung vierfach höhere Wahrscheinlichkeit eines Suizids haben. Mögliche Gründe und Tendenzen werden im Artikel besprochen. Hier will ich gar nicht weiter darauf eingehen.
Aufgefallen waren mir die Zahlen für verschiedene Todesursachen, die in diesem Artikel erwähnt werden. Im Jahre 2020 starben in Deutschland 9.206 Menschen durch Suizid. Das sind mehr als durch Verkehrunsfälle (2.724), Totschlag (1.994), Mord (280), illegale Drogen (1.581) und AIDS (380) zusammen.
Den Musikwissenschaftler Richard Limbert habe ich in der VILLA bei einer OpenStage am Montagabend kennengelernt. Er ist ein freundlicher, gesprächiger, musikalischer und nicht ganz dummer Zeitgenosse, dem ich gern beim Musizieren zuhöre oder mit ihm in ein Gespräch versinke, was wir bisher definitiv zhu selten gemacht haben.
Gemeinsam mit Thomas Waldherr bringt Richard Limbert Key West heraus, ein historisch-kritisches Dylan- und Americana-Magazin. Und für dieses Magazin habe ich mir ein paar Gedanken über die Anfänge meienr Beziehung zum Nobelpreisträger gemacht. Die sind nachzulesen auf der Webssite des Magazins.