Schlagwort-Archive: Todestag

Sinéad O’Connor ist tot

Gestern habe ich erfahren, dass Sinéad O’Connor verstorben ist. Die irische Sängerin und Songwriterin wurde 56 Jahre alt. In den letzten Jahren war sie von den großen Bühnen verschwunden. Sie war aber die gesamte Zeit künstlerisch aktiv. 1990 durfte ich sie in Berlin bei Roger Waters’ The Wall live erleben.

Ihre Stimme wird nicht nur musikalisch fehlen. Sinéad O’Connor war auch politisch eine wichtige Akteurin. Sie gehörte zu den ersten Großen, die auf den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche hinwies. Als sie ein 1992 im US-amerikanischen Fernsehen ein Bild von Papst Johannes Paul II. zerriss, wollte kaum einer die Botschaft hören. Man echauffierte sich lieber über ihre brutale Geste. Ein Bild zu zerreißen, sei ja quasi ein symbolischer Mord. Nun, heute blicken wir auf die Missbrauchsskandale der Kirchen mit anderen Augen und O’Connor war wohl eher eine Pionieren, ihrer Zeit weit voraus.

Auch zum Nordirland-Konflikt und zu Israel-Palästina, zu Frauenrechten und religiösen Fragen äußerte sich Sinéad O’Connor immer wieder offen und kontrovers. Außerdem machte sie aus ihren eigenen psychischen Problemen keinen Hehl, die wohl in ihrer problematischen Kindheit begründet sind.

Im Guardian wurde sie in einem etwas verunglückten Nachruf ein One-Hit-Wonder genannt. Dem möchte ich entschieden widersprechen. Selbstverständlich ist ihr großer Nummer-1-Hit Nothing Compares 2 U ein singulärer Erfolg; aber nicht jeder, der in der Rolling-Stone-Liste der 500 besten Songs aller Zeiten (2021) nur einmal genannt wird, ist ein One-Hit-Wonder.

Wiederholt konnte man Singles und Alben der Musikerin in den Top-100 finden. Größerer kommerzieller Erfolg, den sie auch nicht unbedingt erstrebte, wurde von manchen Unternehmen auch zu verhindern versucht, weil ihnen O’Connors politische Ansichten nicht passten.

Ich möchte die Verstorbene während meines England-Urlaubs ehren, indem ich eine Top-Five-Liste erstelle mit Songs, die mir viel bedeuten. Auf Nothing Compares 2 U habe ich in dieser Liste bewusst verzichtet. Auch ihr drittes Album Am I Not Your Girl? von 1992 habe ich nicht in der Liste, weil ich mich schlicht nicht entscheiden konnte, welches Lied ich hätte wählen wollen.

  • This IS a Rebel Song – Auf der EP Gospel Oak von 1997 sind sechs wirklich gute Lieder, die schön und ergreifend von ihren Baustellen berichten. Hier ist es vor allem der Konflikt zwischen Irland und England.
  • Silent Night – Ihr legendäres zweites Album von 1990 wurde 2009 noch einmal mit einer Bonus-CD veröffentlicht. Auf ihr findet sich das bekannte Weihnachtslied, das durch O’Connors Stimme aus dem Kitsch-Sumpf wieder empor gehoben wird in astrale Sphären.
  • Troy – Von ihrem ersten Album The Lion and the Cobra von 1987 war dies die erste Single-Auskopplung. Inspiriert ist das Lied vom Gedicht No Second Troy von W. B. Yeats und es zeigt gleich, was wir von Sinéad O’Connor in den folgenden Jahren gesanglich würden erwarten können.
  • I Don’t Know How To Love Him – Auf der Doppel-CD Theology, 2007 in Dublin und London aufgenommen, findet sich dieser Song, den Maria Magdalena im Musical Jesus Christ Superstar singt. Mit O’Connors Stimme höre ich ihn noch ein wenig lieber.
  • Red Football – Ihr viertes Album Universal Mother von 1994 ist für mich wieder eines, gefüllt mit wunderbarem Hit-Material. Zu dieser Zeit hatten sich schon viele von dieser schwierigen Frau abgewendet. Hier singt sie: Mein Herz ist kein roter Fußball, den man durch den Garten kickt.

Rest in Peace, Sinéad O’Connor!

Notker Babulus

Die Gedenk- und Namenstage von Heiligen und anderen historischen Persönlichkeiten habe ich in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt. Aber gerade heute am Gründonnerstag lese ich einen kurzen Text von Notker I. von St. Gallen, den man auch Babulus, den Stammler nannte. Beim Lesen seiner Lebensdaten fällt mir ins Auge, dass genau heute sein 1111. Todestag ist. Das sollte reichen, um einen neuen Beitrag zu schreiben.

Um 840 in Elgg oder Jonschwil auf dem Gebiet der heutige Schweiz geboren, kam er als Waise ins Kloster St. Gallen, in dem er am 6. April 912 starb. Seinen Beinamen Babulus/Stammler verdankt er wahrscheinlich einem Zahnfehler, der sein Sprechen erschwerte. Er war als Lehrer, Urkundenschreiber und Dichter aktiv.

Ich stieß auf ihn bei der Lektüre von Ausschnitten seines Hauptwerks, der Gesta Karoli Magni (Die Taten Karls des Großen), was man wohl als sein Hauptwerk bezeichnen kann. Ihm wird auch der gregoriansiche Choral Media vita in morte sumus zugeschrieben, was übersetzt zur Karwoche und ihren religiösen Themen passt: Mitten im Leben sind wir im Tod.

Martin Luther übeersetzte und ergänzte das Werk zu einem dreistrophigen Lied, das sich heute im Evangelischen Gesangbuch, Nr. 518 findet.

Mitten wir im Leben sind
mit dem Tod umfangen.
Wer ist, der uns Hilfe bringt,
dass wir Gnad erlangen?
Das bist du, Herr, alleine.
Uns reuet unsre Missetat,
die dich, Herr, erzürnet hat.
Heiliger Herre Gott,
heiliger starker Gott,
heiliger barmherziger Heiland,
du ewiger Gott:
lass uns nicht versinken
in des bittern Todes Not.
Kyrieleison.

Mitten in dem Tod anficht
uns der Hölle Rachen.
Wer will uns aus solcher Not
frei und ledig machen?
Das tust du, Herr, alleine.
Es jammert dein Barmherzigkeit
unsre Klag und großes Leid.
Heiliger Herre Gott,
heiliger starker Gott,
heiliger barmherziger Heiland,
du ewiger Gott:
lass uns nicht verzagen
vor der tiefen Hölle Glut.
Kyrieleison.

Mitten in der Hölle Angst
unsre Sünd’ uns treiben.
Wo solln wir denn fliehen hin,
da wir mögen bleiben?
Zu dir, Herr Christ, alleine.
Vergossen ist dein teures Blut,
das g’nug für die Sünde tut.
Heiliger Herre Gott,
heiliger starker Gott,
heiliger barmherziger Heiland,
du ewiger Gott:
lass uns nicht entfallen
von des rechten Glaubens Trost.
Kyrieleison.

Martin Luther

Todestag von Ian Curtis

Heute vor 42 Jahren nahm sich Ian Curtis das Leben. Curtis war der Frontmann der post-punk Band Joy Division. Nach seinem Tod blieb die Band zusammen und nannte sich nach einer Umbesetzung New Order.

Joy Division liefern den Soundtrack der No-future-Generation. Ich kann bis heute kaum ein Album durchhören, ohne am Leben zu verzweifeln. Sein Suizid ist so konsequent und folgerichtig. Die letzt Single der Band ist wohl auch die bekannteste:

When routine bites hard and ambitions are low
And resentment rides high but emotions won’t grow
And we’re changing our ways taking different roads
Then love, love will tear us apart again
Love, love will tear us apart again

Gerade dieser Tage habe ich in der neuen Ausgabe der Katapult (Nr. 25 Mai–Juni 2022) gelesen, dass Tieräzte und -ärztinnen eine im Vergleich zur Gesamtbevölkerung vierfach höhere Wahrscheinlichkeit eines Suizids haben. Mögliche Gründe und Tendenzen werden im Artikel besprochen. Hier will ich gar nicht weiter darauf eingehen.

 Aufgefallen waren mir die Zahlen für verschiedene Todesursachen, die in diesem Artikel erwähnt werden. Im Jahre 2020 starben in Deutschland 9.206 Menschen durch Suizid. Das sind mehr als durch Verkehrunsfälle (2.724), Totschlag (1.994), Mord (280), illegale Drogen (1.581) und AIDS (380) zusammen.

Vera Lynn †

Heute starb Dame Vera Lynn, The Forces’ Sweetheart genannt, im Alter von 103 Jahren. Sie hat im Zweiten Weltkrieg die Moral der britischen Truppen gestärkt und die Zivilbevölkerung über die harten Zeiten hinweggetröstet.

Bis heute ist ihr Weltkriegs-Hit We’ll Meet Again unvergessen. Geschrieben wurde das Lied 1939 von Ross Parker und Hughie Charles. Es bleibt aber verbunden mit Vera Lynn. Der bereits vom Tode gezeichente Johnny Cash wählte es als das letzte Lied auf seinem letzten Album The Man Comes Around. Zuletzt beruhigte Königin Elisabeth II. ihre britischen Untertanen in der Corona-Krise mit den Worten: We should take comfort that while we may have more still to endure, better days will return: we will be with our friends again; we will be with our families again; we will meet again.

Noch in der Corona-Krise haben Theater- und Musical-Stars des Londoner West-Ends ein Video gemeinsam mit Vera Lynn erstellt:

Der Vater von Roger Waters fiel im Zweiten Weltkrieg. Für ihn erfüllte sich das Versprechen des glücklichen Wiedersehens nicht. In der Rock-Oper The Wall verarbeitet er den Schmerz darüber in dem kurzen Lied Vera:

Does anybody here remember Vera Lynn?
Remember how she said that
We would meet again
Some sunny day?
Vera! Vera!
What has become of you?
Does anybody else in here
Feel the way I do?

Für mich gehört sie als Sängerin in eine Reihe mit:

  • Marlene Dietrich (1901–1992)
  • Lale Andersen (1905–1972)
  • Zarah Leander (1907–1981)
  • Doris Day (1922–2019)
  • Marilyn Monroe (1926–1962)

Jetzt bleiben uns noch, deren Lieder ich sehr empfehlen kann:

  • Nana Mouskouri (*1934)
  • Fairuz (*1934)

Die Lage der Welt im Spiegel historischer Ereignisse

US-Amerikanische Professoren und Journalisten merkten in den letzten Tag vermehrt an, dass sich die USA in einer besonders kritischen Phase befänden, in der sich drei folgenschwere Phase der amrikanischen Geschichte zu wiederholen scheinen:

  • Die Spanische Grippe von 1918, die allein in den USA zwischen 500.000 und 850.000 Menschen das Leben kostete.
  • Die Great Depression von 1929, die in den USA zu einer Arbeitslosenquote von 23 % geführt hatte.
  • Die Bürgerrechtsbewegung, die häufig mit dem Jahr 1968 und der Ermordung von Martin Luther King assoziiert wird.

Das ist eine beängstigende Mischung; umso mehr als in dieser Zeit der Orientierungslosigkeit und Neubewertung ein Präsident an der Macht ist, der beständig irgendwo zwischen bösartig und blödsinnig changiert.

Wir können den Blick weiten und uns gleichzeitig nur auf diesen einen Tag konzentrieren, um ein ungefähres Bild unserer Lage im Jahr 2020 zu bekommen. Ich habe versucht, historische Ereignisse zu fünf Punkten zu bündeln – einer Top-Five-Liste:

  • Heute ist der Todestag des Hl. Bonifatius (673–755), den man seit Jahrhunderten in der katholischen Kirche als den Apostel der Deutschen verehrt. Und weil ich nicht zwei oder drei Punkt meiner Top-Five-Liste verbrauchen möchte, erwähne ich hier noch das Attentat auf den aussichtsreichen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Robert F. Kennedy (1925–1968), dem er am Folgetag erlag, und den von Alzheimer umnebelten Tod des Schauspielers und 40. Präsidenten der USA Ronald Reagan (1911–2004).
  • Am 5. Juni 1851 erschien der erste Teil des Romans Onkel Toms Hütte von Harriet Beecher Stowe (1811–1896) als Fortsetzungsroman in der Zeitschrift The National Era. Das Werk gilt als ein kultureller Höhepunkt der weißen Anstrengungen zur Abschaffung der Sklaverei in den USA. 10 Jahre später begann der Amerikansiche Bürgerkrieg.
  • Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs unterzeichneten am 5. Juni 1945 die Alliierten die Berliner Erklärung und übernahmen damit gemeinsam die oberste Regierungsgewalt in Form des Alliierten Kontrollrats. Im Kalten Krieg war dieses Gremium quasi nicht existent, traf sich allerdings bis 1990 im Zwei-plus-Vier-Vertrag das wiedervereinigte Deutschland ein vollständig souveräner Staat wurde. Ebenfalls an einem 5. Juni, nämlich zwei Jahre nach der Berliner Erklärung, skizzierte der US-amerikanische Außenminister George C. Marshall (1880–1959) seinen Plan zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas vor den Absolventen von Harvard. Der Plan trägt bis heute seinen Namen und brachte ihm 1953 den Friedensnobelpreis ein.
  • Am 5. Juni 1972 wurde in Stockholm die erste Weltumweltkonferenz eröffnet. Dazu riefen die Vereinten Nationen diesen Tag aus zum World Environment Day, der bis heute auch in Deutschland feierlich und nachhaltig begangen wird.
  • Heute vor 39 Jahren wurden in einem Bulletin des US-amrikanischen Centers for Disease Control and Prevention die ersten Fallbeschreibungen von AIDS-Toten veröffentlicht. Damals rang man noch um einen Namen für die Krankheit: 4H Disease war auch im Gespräch, weil als frühe Risikogruppen Haitianer, Homosexuelle, Hämophile (Bluter) und Heroin-Süchtige ausgemacht wurden. Der Spiegel nannte sie die Schwulenpest. Eine tatsächliche Heilung oder Impfung gibt es bis heute nicht. Dennoch ist eine HIV-Infektion in Europa kein Todesurteil mehr.

Todestag wichtiger Ärzte

Die Ärzte zählen in der Corona-Krise nicht eindeutig zu den Helden. Das mag vor allem daran liegen, dass sie noch allgemeine Volksmeinung ohnehin genug verdienen, während das Gehalt von Pflegekräften und Verkäufern durchaus eine Erhöhung vertragen könnte.

Wenn wir aber die Ärzte hinzunehmen, die sich auch in der Forschung hergetan haben, dann landen wir schnell bei Christian Drosten, der bestimmt schon Angebote von Hugo Boss oder Armani bekommen hat. Heute gibt es eine Top-Five-Liste von Ärzten, die heute ihren Todestag haben. Und immer wieder scheint auch unsere aktuelle Krise durch:

  • Georg Eduard Dohlhoff (1799–1852) – Der Chirurg gründete während der 2. Cholera-Pandemie 1831 in Magdeburg einen Krankenwärter-Verein und verbesserte somit die Pfleger-Ausbildung.
  • Friedrich Schlemm (1795–1858) – Wir tragen seinen Namen noch heute mit dem Schlemm-Kanal in unseren Augen. Die Sektion von Leichen zur Anschauung in Forschung und Lehre war ihm besonders wichtig.
  • Heinrich Hermann Robert Koch (1843–1910) – Für Robert Koch allein könnte man einen ganzen Blogeintrag verfassen. Uns soll hier genügen, dass dieser Nobelpreisträger Pate stand für das Institut, das uns und unsere Regierung heute mit wichtigen Informationen zu Corona versorgt.
  • John Howard Northrop (1891–1987) – Auch er ist ein Nobelpreisträger (1946 für Chemie). Er erhielt ihn zusammen mit Wendell Meredith Stanley für ihre Darstellung von Enzymen und Virus-Proteinen in reiner Form.
  • Michael Frotscher (1947–2017) – Sein Gebiet war die Neuroanatomie. Er wäre sicherlich sehr interessiert an der Frage, wie stark das Corona-Virus das Nervensystem angreift. Er selbst war ein prominentes Opfer der EHEC-Epedemie 2011, deren Spätfolgen er noch untersuchte.

Aus der Ursuppe

Es gibt so Tage, da kann ich meinen Geist nicht auf ein Thema fokussieren. Ich meine damit keine klassische Konzentrationsschwäche, sondern die Vielschichtigkeit der Welt, die mit  unzählbar vielen Ereignissen auf das Individuum herniederdonnert. Jedes dieser Ereignisse wäre meiner Aufmerksamkeit würdig. Heute kann ich keine einfache Top-Five-Liste erstellen. Aber eine bestimmte Reihenfolge sowie thematische Gewichtung werde ich auch hier einhalten.

Heute vor 111 Jahren wurde Bernhard Klemens Maria Hofbauer Pius Grzimek (1909–1987) geboren. Ich habe zur Schnapszahl mal alle Vornamen spendiert. Man kennt ihn vor allem als Tierfilmer und mit seinem Nachnamen. 1960 war er der erste Deutsche, der nach dem Zweiten Weltkrieg einen Oscar gewann. Sein Werk: Serengeti darf nicht sterben. Von 1945 bis 1974 war er der Direktor des Frankfurter Zoos.

http://www.zoo-frankfurt.de/
http://www.bernhardgrzimek.de/

Auf den Tag genau zwei Jahre später wurde Karl August Fritz Schiller (1911–1994) geboren. Er war in der ersten Großen Koalition unter Kanzler Kiesinger (und darüber hinaus) der erste sozialdemokratische Wirtschaftsminister. Er ist der Vater des Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft von 1967, das ich in meinem Unterricht als Magisches Viereck behandle. Mittlerweile sind jedoch noch zwei Ecken hinzugekommen.

https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/
https://www.gesetze-im-internet.de/stabg/

Auch Elisabeth Veronika Mann Borgese (1918–2002) erblickte am 24. April das Licht der Welt. Das fünfte Kind Thomas Manns bemühte sich gemeinsam mit ihrem Gatten Giuseppe Antonio Borgese (1882–1952) um eine Weltverfassung. 1970 war sie Gründungsmitglied des Club of Rome. Weiterhin war sie eine treibende Kraft hinter dem Seerechtsübereinkommen der UN 1982 und der Gründung eines Internationalen Seegerichtshofs 1996. Ihr ist mein Beitragsbild, der Strand von Baltrum, gewidmet.

https://www.literaturportal-bayern.de/
https://www.literaturhaus-muenchen.de/

Heute haben wir vom Tod Norbert Blüms (1935–2020) erfahren. Er war in jedem Kabinett Helmut Kohls als Minister vertreten. Er führte die Pflegeversicherung ein und reformierte das Rentensystem. In diesem Zusammenhang fiel auch sein berühmtester Satz: Die Rente ist sicher. Mich hat Blüm meine gesamt Entwicklung über, vom unmündigen Kind zum politisch Interessierten Erwachsenen, begleitet. Ich möchte hier die Video-Aufzeichnung der Debatte zur Rentenreform wiedergeben. Wer nicht die ganzen 50 Minuten schauen will, ab Minute 26 wird es interessant.

https://dbtg.tv/cvid/1937201

Fridays for Future ist noch immer aktuell und stark. Die Maßnahmen zur Corona-Krise haben gezeigt, dass auch in westlichen Demokratien die Fähigkeit zu schnellem und beherztem Handeln vorhanden ist. Warum nun, fragt man sich, hören Politiker bei Corona auf die Wissenschaftler, beim Klima aber nicht. Heute ist ein virtueller Streiktag.

https://fridaysforfuture.de/
https://fridaysforfuture.org/

Gestern hat Donald Trump den Ärzten empfohlen, darüber nachzudenken, den Corona-Patienten Desinfektionsmittel zu spritzen. Es vergeht eigentlich  kein Tag, wo ich nicht denke, da kann Trump eigentlich keinen mehr draufsetzen. Hier hat er den Gipfel erreicht. Und jeder weitere Tag belehrt mich eines Besseren. Der Songwriter und Satiriker Roy Zimmerman (*1957) hat vor wenigen Tagen ein schönes Video gepostet, das sich zurzeit viraler verbreitet als Corona.

Todestage großer Anfänger

Bevor ich mich meinem eigentlichen Thema widme, möchte ich Tim Curry zum Geburtstag gratulieren. 74 Jahre wird der Darsteller des Doktor Frank N. Furter in The Rocky Horror Picture Show. Und gerade wird mir bewusst, wie nah an der Kinopremiere 1975 mein Erstkontakt im NDR 1985 war. Ich war 12 und habe bei weitem nicht alles verstanden. Aber mich faszinierte dieses schillernde sexuelle Mischwesen. Seitdem bin ich ein Fan.

Heute ist auch – in einer Häufung der Ereignisse, die mir die Nahrung für meine Blog-Einträge bietet – der Todestag von Daphne du Maurier, der Grande Dame des edlen Schreckens. Drei ihrer Erzählungen wurden von Alfred Hitchcock zu filmischen Meisterwerken veredelt: Rebecca (1938), Riff-Piraten (1939) und – last but not least – Die Vögel (1963). Noch beeindruckender finde ich aber den Film Wenn die Gondeln Trauer tragen (1973), der ebenfalls auf einer Erzählung du Mauriers beruht. Wahrscheinlich würde sie heute als selbstbewusste Lesbierin leben. Damals nannte sie sich verschämt einen the boy in the box.


Doch nun zu einer Top-Five-Liste von Todestagen berühmter Männer des Beginnens. Spätestens seit Ostern wissen wir ja, dass der Tod nicht immer ein Ende sein muss, sondern vielmehr einen Anfang darstellt.

  • Ulrich Fugger der Ältere (1441–1510) – Hier mache ich schon den ersten Kompromiss. Er ist nicht der Begründer großen Familie der Fugger von der Lilie, aber er ist der älteste Sohn. Sein um 18 Jahre jüngerer Bruder, der auch den Namen des Vater erbte, wurde später von Albrecht Dürer porträtiert und wurde Jakob der Reiche genannt. Beider Großneffe, der Kunstmäzen Hans Fugger starb übrigens auch an einem 19. April. Wenn hier etwas angefangen hat, dann der Kapitalismus und kaufmännische Familiendynastien.
  • Philipp Melanchthon (1497–1560) – Er war nicht einfach Wegbegleiter Martin Luthers. Man kann ihn gut und gerne den zweiten Wittenberger Reformator nennen. Auch er wurde von Albrecht Dürer porträtiert; bekannter aber ist sein Abbild aus der Werkstatt Lucas Cranachs. Seine Allgemeinen Grundbegriffe der Theologie sind 1521 die erste Dogmatik der entstehenden evangelischen Kirche.
  • Charles Robert Darwin (1809–1882) – Über den Begründer der Evolutionstheorie muss ich wohl nicht viel schreiben. Aber es ließe sich anmerken, dass Darwin in Cambridge Theologie studierte, dass er Gott als höchste regelgebende Instanz ansah. Sein Zweifeln an Gott hatte übrigens weniger mit der Evolutionstheorie als mit dem frühen Tod seiner Tochter Annie 1851. Für die vor allem in den USA verbreiteten Grabenkämpfe zwischen Creationisten und Darwinisten hätte er wohl nur ein Kopfschütteln übrig.
  • Pierre Curie (1859–1906) – Er bekam gemeinsam mit seiner Frau Marie eine Hälfte des Physiknobelpreises 1903 zugesprochen, währen die andere Hälfte an Henri Becquerel ging. Dass seine Frau 1911 noch einen zweiten Nobelpreis (für Chemie) bekommen sollte, erlebte er nicht mehr, da er mit 46 Jahren bei einem Unfall mit einem Pferdefuhrwerk starb. Seine Tochter Irène Joliot-Curie bekam 1935 den Nobelpreis für Chemie zugesprochen. Pierre Curie ist somit Nobelpreisträger, Ehemann einer doppelten und Vater einer weiteren Nobelpreisträgerin. Dass seine Forschung den Anfang zu einer neuen Massenvernichtungswaffe und einer langfristig problematischen Energienutzung wurde, wollen wir ihm nicht anlasten.
  • Konrad Hermann Joseph Adenauer (1876–1967) – Mit ihm beginnt die Bundesrepublik Deutschland ihren erfolgreichen Weg aus der Nazizeit zu einem wachsend selbstbewussten Staat innerhalb westlicher Bündnisse. Ich wäre als Zeitgenosse wohl nicht auf seienr Seite gewesen. Rückblickend muss man seine historische Leistung doch anerkennen.

Ganz der Vater oder die Mutter?

Heute ist der 202. Todestag von Ernst Christian Trapp (1745–1818), dem ersten deutschen Inhaber eines Lehrstuhls für Pädagogik. Seine Antrittvorlesung an der Universität in Halle (Saale) hatte den Titel Von der Notwendigkeit, Erziehung und unterrichten als eine eigene Kunst zu studieren. Darin heißt es auch:

Es kann keine pädagogischen und didaktischen Regeln und Grundsätze geben, keine Maximen der Schulreform, die nicht von Fall zu Fall geändert, an die jeweiligen Umstände angepasst und korrigiert werden müssten.

Das passt sowohl zu den ständigen Reform- und Gegenreformvorschlägen in den Ländern, als auch zu der ganz akuten Herrausforderung, vor die Eltern, Lehrer und Schüler in Zeiten des Corona-Lockdowns gestellt sind. Und dann haben wir noch gar nicht von den Inhalten gesprochen, etwas die Bedeutung von Goethes Faust für 16-Jährige des 21. Jahrunderts.

Was aber aktuell wieder allen Verantwortlichen auf den Nägeln brennt, ist der große Unterschied zwischen Kindern gebildeter Eltern und denen aus bildungsfernen Schichten. Für die einen sind die vergangenen Wochen eine mal interessante, mal anstrengende Abwechslung zum klassischen Schulalltag, die trotzdem einen Lernerfolg brachten, während für die anderen entweder seit Mitte März kein Schulbuch mehr gesehen haben oder mit ihren Fragen zum Stoff alleingelassen bleiben. Das ist eine Ungerechtigkeit des Bildungssystems, die sich wohl leider niemals vollständig wird eliminieren lassen.

Ganz in der Nähe dieses Problems umwabert uns die ewige Frage, ob des Menschen Natur oder dessen bzw. die von seinen Vorfahren geschaffene Kultur den jungen Menschen stärker prägt. Im Englischen heißt dies pointiert nature versus nurture. Solche Kurzformen greifen natürlich nicht weit genug. Ist das Verhalten der Mutter während der Schwangerschaft bereits Kultur? Ist die frühkindliche Erziehung noch ein Rest eines natürlichen Verhaltens?

In früheren Zeiten hat man diesen Dualismus über die Geschlechter dargestellt. Die Mutter bringt das Kind zur Welt. Das ist die Natur. Der Vater führt die Heranwachsenden in die Gesellschaft ein. Das ist die Kultur.

Im Parzival [siehe Beitragsbild] nach Wolfram von Eschenbach (1160–1220) heißt es im Kapitel 738 auf Mittelhochdeutsch:

den lewen sîn muoter tôt gebirt:
von sînes vater galme er lebendec wirt.
(Die Löwin ihr Junges tot gebiert,
das durch Vaters Gebrüll lebendig wird.)

Der Übersetzer Kurt Heinrich Hansen (1913–1987) rettete eine arabische Redewendung unbekannter Herkunft ins Deutsche, die man fast als Antwort auf den Parzival verstehen kann:

Zweimal wird der Mensch geboren:
Hat die Mutter dich verloren,
dann sieh zu, dass du vom Geist
deines Vaters dich befreist!

Andere sehe nicht so sehr die Rollen der Eltern im Mittelpunkt, als viel mehr das Geschlecht des Nachwuchses. Das wird heute mit der Aufteilung in Sex und Gender kritisch betrachtet. Dem englischen Romantiker Robert Southey (1774–1843) wird folgender Nursery Rhyme mit der Nummer 821 im Roud Folk Song Index zugeschrieben:

What are little boys made of?
What are little boys made of?
Snakes and snails
And puppy-dogs’ tails
That’s what little boys are made of.

What are little girls made of?
What are little girls made of?
Sugar and spice
And everything nice
That’s what little girls are made of.

Als Funfact am Rande: Southey gilt auch als der Autor, der das Wort Zombie aus dem Haitianisch-Französisch für das Englische entlehnte.

Schließen wir diesen Artikel mit einem gemischgeschlechtlichen Geschwisterpaar aus Neuseeland. Die Broods sangen auf ihrem zweiten Album Evergreen, dessen Cover die beiden als Menschen mit Hunde- und Katzengesicht darstellt ein Lied aus der Perspektive eines jungen Erwachsenen, der nun Mutter und Vater verlassen hat. Es wird sich finden.

Und wenn ich schon dabei bin; es gibt auch eine schöne Akustikversion:

Todestag von Golo Mann

Heute vor 26 Jahren ist Golo Mann, das dritte von sechs Kindern des Nobelpreiträgers Thomas Mann. Heute wäre Golo Mann 111 Jahre alt.

Golo Mann teilte mit seinen Geschwistern das Problem, Kind eines berühmten und dominanten Vaters zu sein. Eine autobiographische Skizze beginnt er mit dem Satz: Golo Mann was born as a ,son‘; did not like it; could not help it. Aber er hat sich vom Sohn zu einer Persönlichkeit mit ganz eigener Bedeutung gemausert. Wer über die deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts nachdenkt, kommt am Historiker Golo Mann nicht mehr vorbei. Er liegt auf dem Friedhof in Kilchberg am Zürichsee, etwas abseits vom Familiengrab.

Es gibt so viele Texte über die Manns. Da muss ich mich nicht auch noch ausbreiten. Ich möchte viel eher auf eine Publikation hinweisen, die ich in den letzten Wochen beim Autofahren (beginnend auf der Rückfahrt aus Polen zu meinem Geburtstag) als Hörbuch genossen habe. Hörbücher konsumiere ich äußerst selten. Ich lese gerne selbst. Aber dieses Mal ist es eben passiert. Und es hat mir gefallen.

Der Germanist Tilmann Lahme hat neben einer eigenständigen Golo-Mann-Biografie (2009) in einer aufwendigen Arbeit die Briefe der Manns neu und teilweise erstmalige gesichtet und 2015 eine Geschichte der ganzen Familie geschrieben. 2016 kam das Hörbuch heraus, gelesen von Christian Baumann.

cover.do

https://www.randomhouse.de/Hoerbuch-Download/Die-Manns-Geschichte-einer-Familie/Tilmann-Lahme/der-Hoerverlag/e507181.rhd