Archiv für den Tag: 2. Februar 2017

Geburts- und Todestag von Ludwig Eichrodt

Heute ist der letzte Feiertag mit direktem Weihnachtsbezug. Obwohl für die meisten Weihnachten schon lange zurückliegt, ist erst mit diesem 40 Tage vom 25.12. entfernten Feiertag namens Mariä Lichtmess die Geburt eines erstgeborenen Sohnes abgeschlossen. Die Mutter ist nun wieder kultisch rein und der Sohn wird im Tempel symbolisch ausgelöst. Die Erstgeburt jeden Nutztieres wird Gott geopfert. Menschenopfer gibt es seit Abraham und Isaak nicht mehr.

Geburt und Tod liegen auch beim Dichter Ludwig Eichrodt nah beieinander. Heute jährt sich sein Geburtstag zum 190. Mal; und sein Todestag ist vor genau 125 Jahren gewesen. Eichrodt schuf 1853 gemeinsam mit dem Arzt Alfred Kußmaul die Kunstfigur des Weiland Gottlieb Biedermeier, eines selbstzufriedenen schwäbischen Dorfschullehrers, dem er einen Teil seiner Gedichte zuschrieb. Dieser Biedermeier gab der Epoche ihren Namen.

Aus dem Buch Biedermaier stammt auch folgendes Gedicht zum runden 70. Geburtstag des Heteronyms. Eichrodt selbst wurde – ganz braver Beamter – genau 65 Jahre alt.

An meinem 70sten Geburtstage

Vor fünfundzwanzigtausend und
Fünfhundertfünfzig Tagen stund
Ich ziemlich in Gefahr,
Denn schwer ward ich zur Welt gebracht,
Doch hat’s den Eltern Freud‘ gemacht,
Daß ich ein Büblein war.

Ja siebzig Jahre sind es schon,
Daß meiner Frau, der Appollon‘,
Nichts ahnte von dem Glück.*
Wie bitter hat mich nun gemahnt,
Seit ich zum erstenmal gezahnt,
Des Lebens Ungeschick!

Und doch, obschon ein Siebziger,
Bin ich ein Mensch ein glücklicher:
Kaum einmal war ich krank.
Zwar unberufen sag‘ ich’s nur,
Es denkt mir nicht, daß ich Mixtur
Aus meinem Glase trank.

Vonnöthen hab‘ ich keine Krück‘,
Und keine Brille für den Blick,
Ich hör‘ und schmecke gut;
Was schreib‘ ich eine feste Hand!
Gottlob es ist mir unbekannt
Das Zipperlein, wie’s thut.

Nur geht es mir wie jedem Greis,
Daß mir die Zähne reihenweis
Ausfallen kreuz und quer;
Doch tröstet mich der Umstand auch
Daß ich jetzt nicht zu beißen brauch‘
In saure Aepfel mehr.

Und wird auch mein Gedächtniß schwach,
Daß ich oft letze Sachen mach‘,
So weiß ich doch noch scharf,
Zu unterscheiden Bös und Gut,
Und was ein Christenmensch voll Muth
Zur Seligkeit bedarf.

Ja loben muß ich Gott darum,
Daß er so alt und doch nicht dumm
Mich zeitlich werden läßt.
Ein unzufried’ner Jubilar?
Er wäre ja ganz undankbar
Für ein so selt’nes Fest!

Fußnoten

* Bei meiner Geburt war nämlich meine nunmehr selige Frau ein fünfjähriges Kind.