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50 Jahre Revolver von den Beatles

Heute vor 50 Jahren kam das Album Revolver von den Beatles auf den Markt. Seit April 1966 hatten sie am Nachfolger der Rubber Soul gearbeitet. Kein ganzes Jahr später, am 1. Juni 1967 erschien dann Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band. Die drei Alben markieren den Umbruch der Band. Vorher waren sie schlicht eine der erfolgreichsten Beat-Bands. Doch mit diesen Alben legten sie das Fundament für ihren singulären Ruhm. Was die Beatles für die Rockmusik getan haben, lässt sich wohl auf diesem Feld nicht noch einmal wiederholen.

Der Spiegel (Nr. 38, 1966) urteilte in seiner Besprechung eher abschätzig. Vom Beat der frühen Jahre weit entfernt, präsentiert das Gesangsquartett zu abgestufter Instrumental-Begleitung lyrische und pseudophilosophische Songs […], heißt es dort. Der Schluss dieser Rezension macht die Beatles noch einmal zum Bürgerschreck: Experten vermuten: Der „Revolver“ ist eine Selbstmordwaffe.

Heute ist man sich gemeinhin einig. Und da Revolver an einem Fünften erschien, zitiere ich aus der ewigen Liste der 500 Greatest Albums of All Time, die der Rolling Stone aufgestellt hat, die Top Five. Was waren das für wichtige Zeiten der Rockmusik, damals vor 50 Jahren!

  1. Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band (The Beatles, 1967)
  2. Pet Sounds (The Beach Boys, 1966)
  3. Revolver (The Beatles, 1966)
  4. Highway 61 Revisited (Bob Dylan, 1965)
  5. Rubber Soul (The Beatles, 1965)

Die Liste des Rolling Stone ist eine wiederholte Lektüre wert. Ich bemerke dabei – mich selbst bestätigend –, was ich doch für einen ausgesucht guten Geschmack habe. Denn von den obersten 50 Alben besitze ich eine ganze Menge. Allerdings keine Originalausgaben.

Links
http://www.thebeatles.com/
http://magazin.spiegel.de/ – PDF der Rezension von Revolver
http://www.rollingstone.com/ – 500 Greatest Albums of All Time (Top 50)

Gemeinsam in eine friedliche Zukunft

Letztes Jahr am 1. August habe ich mit einem Blog-Eintrag auf den 44. Jahrestag des ersten Benefizkonzerts der Rockgeschichte hingewiesen. Mit der 45 könnte ich das wieder machen. Heute wird der Sender MTV 35 Jahre alt. Auch darüber könnte man philosophieren. Mir steht der Sinn aber nach etwas anderem. Der 1. August ist nämlich auch ein Tag für friedliche und überaus dauerhafte Bündnisse, die ich hier mit einer Top-Five-Liste ehren und den EU-Mitgliedstaaten ins Stammbuch schreiben möchte.

  1. Der Schweizer Gründungslegende nach trafen sich am 1. August 1291 Vertreter der drei Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden auf dem Rütli am Vierwaldstättersee, um einen heiligen Eid zu schwören. Der lateinische Bundesbrief beginnt mit den Worten: In Gottes Namen. Amen. Das öffentliche Ansehen und Wohl erfordert, dass Friedensordnungen dauernde Geltung gegeben werde. Ein Austrittsszenario wird nicht gestaltet. Es heißt vielmehr: „Entsteht Krieg oder Zwietracht zwischen Eidgenossen und will ein Teil sich dem Rechtsspruch oder der Gutmachung entziehen, so sind die Eidgenossen gehalten, den andern zu schützen. – Diese Ordnungen sollen, so Gott will, dauernden Bestand haben.“ Seit 1891 – zur 600-Jahr-Feier dieses Bundes – wurde der Schweizer Nationalfeiertag auf den 1. August gelegt.
    Vorher galt ein anderer Schwur als Gründungsdatum der Schweiz, der Bundesbrief von Brunnen vom 9. Dezember 1315, der im Gegensatz zum Bundesbrief von 1291 sehr wahrscheinlich historisch ist. Er ist auf deutsch verfasst und beginnt sehr kenntnisreich: In gottes namen Amen. Wande menschlicher sin blöde und zerganglich, daz man der sachen und der dinge diu langwirig und stete solden beliben, so lichte und so balde vergizzet, dur daz so ist ez nutze und notdurftig, daz man die sachen, die dien lüten ze fride und ze gemache (und) ze nutze und zu eren uf gesetzet werdent, mit schrift und mit briefen wizzentlich und kuntlich gemachet werden.
  2. Am 1. August 1523 bildeten die Landstände Mecklenburgs eine Union, um der Teilung des Landes nach Erbstreitigkeiten zu entgehen – mit Erfolg und über den 30-jährigen Krieg hinaus. Die Landständische Union wurde erst im Zuge der Novemberrevolution am 3. Dezember 1918 aufgelöst.
  3. Am Vorabend des 1. August 1907 begann das erste Pfadfinderlager auf Brownsea Island mit einem Lagefeuer, um das General Robert Baden-Powell 22 Jungen aus unterschiedlichen sozialen Milieus versammelte. Am Morgen wurde die Pfadfinderbewegung offiziell gegründet. Ein Jahr später brachte Baden-Powell das Buch Scouting for Boys heraus. Aus diesem Buch stammt der seitdem oft kopierte pädagogische Grundsatz des Learning by Doing. Er schuf damit ein ideales Angebot für Kinder und Jugendliche, das auch heute noch die 1980 vom Pädagogen Peter Friedrich beschriebenen Lückekinder auffangen kann. Lückekinder sind zwischen 9 und 14 Jahren, für den Schulhort zu alt und für den Jugendklub zu jung.
  4. Zu Beginn habe ich von friedlichen Bündnissen gesprochen. Doch an dieser Stelle nehme ich den Beginn des Warschauer Aufstandes durch die Polnische Heimatarmee am 1. August 1944 mit in die Reihe. Es kommt doch darauf, gegen wen man Kämpft. Und ein Aufstand gegen das unmenschliche Naziregime gilt mir als ein Akt des Friedens. Die Rote Armee war bereits am rechten Weichselufer, als die Polnische Heimatarmee den Aufstand begann. Leider unterstützte die Rote Armee nicht die Aufständischen. Der Aufstand wurde letztendlich von den Nazis niedergeschlagen, die Heimatarmee aufgerieben und Warschau fast vollständig zerstört. Polnische Pfadfinder beteiligten sich als Boten und Sanitäter am Aufstand. Ihnen ist in Warschau das Denkmal des Kleines Aufständischen des Bildhauers Jerzy Jarnuszkiewicz gewidmet.
  5. Seit dem 1. August 2001 dürfen Schwule und Lesben mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft auch einen Bund fürs Leben schließen, der in vielen Punkten der Ehe gleichgestellt ist. Doch ist es keine Ehe für alle, wie sie mittlerweile in anderen, fortschrittlicheren Ländern geschaffen wurde.

Angela Merkels „Wir schaffen das!“

Am 31. August 2015 sprach Angela Merkel die mittlerweile wohl berühmtesten drei Worte ihrer Kanzlerschaft: „Wir schaffen das!“ Es ist fast ein Jahr vergangen seit der Sommerpressekonferenz und in der sich neigenden Woche wiederholte sie diesen Satz. Aber in der Zeit zwischen der ersten und der letzten Konferenz verging keine Woche, ach, kein Tag, da nicht dieser Satz der Bundeskanzlerin vorgehalten wurde, als wären diese drei Worte nicht ein Ausdruck von Optimismus, sondern ein dolchstoßender Verrat am deutschen Volke.

Was wollen die Kritiker denn stattdessen von der Kanzlerin hören? – „Wir schaffen das nicht; die Deutschen werden nun ganz schnell untergehen.“ – Welch ein Kleingeist kann sich überhaupt dieses Kurzsatzes wegen echauffieren?

Mir geht es hier nicht um eine Regierungs-Apologie. Über jeden einzelnen Schritt kann man streiten. Der Neun-Punkte-Plan ist sicherlich diskussionswürdig, mindestens was den Einsatz der Bundeswehr angeht.

Auch möchte ich nicht das Leid der bei Anschlägen Verwundeten, Getöteten und deren Angehöriger banalisieren. Aber einige Tote ändern nicht grundlegend das Schicksal eines 80-Millionen-Landes. Das wäre auch schlimm, wenn es sich so verhielte. Was machten wir dann mit Unfalltoten, Mordopfern, Todkranken?

Nach einem Anschlag (oder nach einer zugegebenermaßen Häufig von Anschlägen bzw. Amokläufen) muss natürlich geschaut werden, was im Einzelnen diese Tat ausgelöst oder begünstigt hat. Aber wie vor Gericht gilt da die Einzelfallprüfung und nicht ein schnelles Pauschalurteil.

Nach einem Familiendrama wie dem sogenannten erweiterten Suizid, der sich ja leider auch immer wieder ereignet, Sagen wir doch auch nicht, die Familie berge als Modell des Zusammenlebens ein zu großes Risiko, das Familienrecht müsse auf den Prüfstand, eventuell gehöre die Institution der Ehe generell abgeschafft. Nein! Wir schauen genau, was passiert ist, und schaffen präventive Angebote. Denn bei Taten, die den eigenen Tod implizieren, würde eine Strafrechtsverschärfung nicht besonders abschreckend wirken. Außerdem leben wir in einer arbeitsteiligen Gesellschaft, d.h. nach einer Phase der Betroffenheit, Trauer und Anteilnahme überlasse ich den entsprechenden Fachleuten das Feld. Ich muss keinem Cyber-Lynchmob angehören.

Allerdings gefällt sich auch die Presse im Schüren einer gewissen ängstlichen Stimmung, die Merkels Worte als eine Mischung aus Leichtfertigkeit, Naivität oder gar Hohn aufnehmen lässt. In jedem zweiten Radio-Interview wird der eine oder andere Grundrechtsartikel bemüht. Da lobe ich mir die ruhige Art der Kanzlerin, die besonnen agiert und nicht gleich jedes Gesetz infrage stellt.

Das Grundgesetz ist nach den Erfahrungen der nationalsozialistischen Verbrechen verfasst worden. So nüchtern kalt das klingen mag, ein paar Amokläufe oder auch Terroranschläge können an den Prinzipien nichts ändern.

Und der einzelne Bürger kann gegen weiteren Terror in unserem Lande vor allem eins machen: selber keinen Anschlag verüben.

Militärischer Widerstand und Recht

Der 20. Juli 1944 ist für mich seit früher Schulzeit ein Tag der stolzen Trauer. Nicht alle Deutschen zwischen 1933 und 1945 waren Verbrecher. Einige leisteten Widerstand, obwohl sie ihr Leben und ihre Ehre damit aufs Spiel setzten. Immerhin waren sie durch einen besonderen Treueschwur gebunden.

Manche wenden ein, der Widerstand aus dem Militär wäre zu spät gekommen. Er diente wohl nur noch der Rettung der eigenen Haut durch das Aushandeln eines Friedensvertrages nach dem Tod Hitlers. Doch auch hier gilt die Binsenweisheit: besser spät als nie. Anderen galten die Attentäter als Vaterlandsverräter, hatten sie doch den Treueschwur gebrochen. Die Erinnerungskultur ist erst langsam in der Bundesrepublik Deutschland zu dem herangewachsen, was wir heute darunter verstehen.

Gerade erleben wir traurige, beunruhigende und auf jeden Fall historische Tage für die Türkei. Ein vermeintlicher Militärputsch wurde niedergeschlagen. Menschen, die mit diesem Umsturzversuch in Verbindung gebracht werden, aber wie es scheint auch viele weitere, die auf bereits vorbereiteten Schwarzen Listen standen, werden inhaftiert oder mindestens ihrer Ämter enthoben, beurlaubt, mit Ausreiseverbot belegt.

Am Morgen nach dem Putschversuch hat auch Angela Merkel sich beeilt, darauf zu verweisen, dass ein Putsch nicht der richtige Weg sei, eine gewählte Regierung abzulösen. Ach nein? Ich glaube nicht, dass ein Wahlergebnis jedes folgende Unrecht legitimiert. Hitler und seine NSDAP wurden auch gewählt. Trotzdem möchte wohl kaum ein vernünftig denkender Mensch den Attentätern des 20. Juli Angela Merkels altkluge Worte entgegenhalten. Bertolt Brecht wird der knappe Satz zugeschrieben: Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.

Und das Grundgesetz sieht das ganz ähnlich. Es formuliert im Artikel 20 auch knapp, an diesem Punkt aber doch ein wenig ausführlicher. Der Absatz 4 dieses Artikels ist 1968 im Rahmen der Notstandsgesetze ergänzt worden:

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Nach meinem Verständnis schließt das Gegen jeden auch eine gewählte Regierung mit ein. Nun gilt in der Türkei natürlich nicht das deutsche Grundgesetz. Aber wenn der Putschversuch, von dem wir durch die Medien unterrichtet wurden, tatsächlich als solcher geschehen ist, kann ich die Beweggründe der Drahtzieher durchaus nachempfinden.

Dass sie nun einen ordentlichen Prozess nach türkischem Recht erhalten, ist leider nicht selbstverständlich.

Die Lage der Welt anhand von fünf historischen Ereignissen

Wie viele meiner Freunde kann ich mich in den letzten Monaten des Gefühls nicht erwehren, dass die ganze Welt verrückt geworden ist. Natürlich stimmt das überhaupt nicht; denn die Welt war schon immer verrückt. Trotzdem scheinen wir gerade in einer Phase zu leben, in der bestimmte Ereignisse sich häufen und fatale Prozesse eine Beschleunigung erfahren. Ich habe Angst um die EU, Angst vor den rechten Akteuren auf den Straßen und in neuen wie alten Parteien, Angst um das Leben der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer, Angst vor islamistischem Terror, Angst vor Terror mit anderem Hintergrund bis hin zu Amokläufen psychisch Labiler, Angst vor einem neuen Kalten Krieg, Angst um unser Leben, wie wir es kennen und zu führen gewohnt sind. Und ich weiß, dass ich damit nicht allein bin. Aber diese Angst ist kein guter Ratgeber. Aus Angst macht man viele Fehler, vieles schlimmer, als es bisher war. Angst muss man manchmal auch einfach aushalten.

Damit sich zu dieser Angst auch ein wenig Gelassenheit mischt, erstelle ich heute eine Top-Five-Liste historischer Ereignisse des 17. Juli, die uns – leicht augenzwinkernd – die heutige Lage der Welt, vielleicht nicht erklären, aber doch zumindest kommentieren können:

  1. Luther geht ins Kloster – Von einem schweren Gewitter auf freier Flur überrascht rief der Student: Hilf du, heilige Anna, ich will ein Mönch werden! Er überlebte das Unwetter und trat am 17. Juli 1505 in das Augustiner-Kloster in Erfurt ein. Als Mönch beschäftigte er sich besonders mit der Frage nach dem gnädigen Gott und damit, wie wir als Menschen vor Gott gerecht werden könnten. Sein Beichtvater empfahl ihn für das Studium der Theologie in Wittenberg. Und der Rest ist Geschichte: Romreise, Reformation, Reichstag und die wichtige Rechtfertigungslehre.
  2. Kinderarbeit wird in Deutschland eingeschränkt – Zunächst bemerkte Friedrich Wilhelm III. von Preußen, dass eine wachsende Zahl von Rekruten sowohl körperlich als auch geistig beeinträchtigt waren. Das lag an den menschenunwürdigen Bedingungen in den Bergwerken und Fabriken, in denen Kinder oft schon mit sechs Jahren zwölf Stunden pro Tag arbeiten mussten. Ab dem 9. März 1839 war in Preußen Kinderarbeit unter 10 Jahren in Fabriken und Bergwerken verboten, sogar unter 16 Jahren, wenn die betreffende Person keine grundlegende Schulbildung vorweisen konnte.
    Nach der Reichsgründung 1871 mussten alle Gesetze harmonisiert werden. 1878 war die Gewerbeordnung dran. Sie wurde am 17. Juli grundsätzlich aus Preußen für das gesamte Reich übernommen. Kinderarbeit in Fabriken wurde nun im gesamten Reich verboten; in der Landwirtschaft und für Heimarbeit blieb sie aber erlaubt. Kinder unter 14 Jahren durften nicht mehr als sechs Stunden täglich arbeiten und Jugendliche von 14 bis 16 Jahren nicht mehr als zehn Stunden. Die Strafen bei Nichteinhaltung dieser Gesetze blieb allerdings gering. Die Kinderarbeit in der Landwirtschaft wurde übrigens in der Bundesrepublik erst 1960 abgeschafft.
  3. Zar Nikolaus II. wird mit seiner Familie exekutiert – Nikolaus II. war der letzte Zar Russlands. Sein Sohn Alexei blieb bis zu seinem brutalen Tod mit 13 Jahren ein Zarewitsch, ein Sohn des Zaren und möglicher Nachfolger. Während der Oktoberrevolution 1917 wurde die Zarenfamilie gefangen gesetzt. Am 17. Juli 1918 wurden alle von einem Erschießungskommando exekutiert. Alexei, der als Bluterkranker seine gesamte Kindheit vor Verletzungen geschützt worden war, soll sich als besonders widerständig erwiesen haben. Nach den ersten Schüssen versuchte man, ihn mit Bajonettstichen zu töten. Ein Hemd mit eingenähten Edelsteinen soll ihn geschützt haben. Schließlich wurde er durch zwei Kopfschüsse getötet. In der russisch-orthodoxen Kirche werden er und die anderen Mitglieder der Zarenfamilie als Heilige verehrt. Sie gelten als Leidensträger, die im Gegensatz zu Märtyrern nicht für ihr Christsein aber doch als Christen gestorben sind.
  4. Beginn der Potsdamer Konferrenz – Die Potsdamer Konferenz ist die letzte in einer Reihe von Treffen der Alliierten, um die Neuordnung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg zu beschließen. Sie steht für das Ende des Weltkrieges und für den Beginn des Kalten Krieges. Von britischer Seite begann Winston Churchill (konservativ) die Konferenz, wurde aber nach seiner Wahlniederlage in der Heimat 10 Tage später durch seinen Nachfolger Clement Attlee (labour) ersetzt. Es ist müßig zu überlegen, was in dieser Konferenz hätte anders laufen müssen, um eine 40-jährige Teilung Deutschlands zu verhindern. Es bleibt die wiederholte Erkenntnis, dass am grünen Tisch nicht alles bestimmt werden kann, und dass eine Versammlung großer Staatsmänner nicht zwingend auch ein großartiges Ergebnis hervorbringt, vor allem wenn statt des großen Zieles (Schaffung und Erhaltung des Weltfriedens) jeder seine eigene nationale oder gar persönliche Agenda verfolgt.
    Auf den Tag genau 53 Jahre später wurde unter dem Eindruck des Jugoslawienkrieges in Rom ein anderer wichtiger internationaler Schritt gegangen: die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofes, der schließlich 2002 in Den Haag seine Arbeit aufnahm. 124 Staaten sind dem Rom-Statut beigetreten. Nicht mit dabei sind vor allem: die Volksrepublik China, Indien, Irak, Iran, Israel, Kuba, Nordkorea, Pakistan, Russland, Syrien, Saudi-Arabien, Sudan, Türkei und die USA. Ich lasse diese Aufzählung mal unkommentiert.
  5. Walt Disney eröffnet sein erstes Disneyland – Nach den Erfolgen im Zeichentrick schuf Disney 1955 mit seinem ersten Disneyland in Anaheim, Kalinfornien einen weiteren Pfeiler seiner heutigen kommerziellen Macht. Bis heute wird dieses Disneyland weltweit in Sachen Besucherzahlen nur vom zweiten Disneyland in Oregon, Florida überflügelt. Die Idee des Vergnügungsparks war allerdings nicht neu. Der erste Park wurde 1583 [sic!] im dänischen Klampenbork gegründet. Er ist noch heute in Betrieb. Der Wiener Prater stammt aus dem Jahre 1766 und fällt wohl auch in diese Kategorie. Die Ansammlung mehrerer Vergnügungsparks, die Coney Island bilden, wächst und gedeiht seit Ende des 19. Jahrhunderts. Der russische Schriftsteller Maxim Gorki notiert 1906 über Coney Island: Das ist die Freiheit in der Hand des gelben Teufels, des Goldes. – Walt Disney hat später diese Herrschaft des Goldes über die – vermeintliche – Freiheit dann nur noch perver… äh … perfektioniert. Pervers ist die Situation ja bereits vorher gewesen.

Nicht als historische Ereignisse in diesem Sinne aufzuführen, aber auch nicht unerwähnt zu lassen sind folgende kurze Schlaglichter zum 17. Juli:

  1. Hinrichtung der Scilitanischen Märtyrer († 180) – Eine Gruppe von zwölf Männern und Frauen in Karthago wurden vom römischen Proconsul Publius Vigellius Saturninus hingerichtet. Sie sind nicht die ersten christlichen Märtyrer. Ihre Leidensgeschichte ist aber die älteste bekannte in lateinischer Sprache.
  2. Todestag von Adam Smith (1723–1790) – Der Aufklärer gilt als Begründer der Volkswirtschaftslehre. Vergessen dürfen wir aber nicht bei seiner Lektüre, dass ihm die globale Sicht noch nicht ganz vergönnt war. [Stichwort: Ausbeutung der Südhalbkugel durch die Länder der Nordhalbkugel.] Von ihm stammt die Idee der Unsichtbaren Hand, ein Konstrukt, das ich gern jedem Verschwörungstheoretiker entgegenschleudere.
  3. Geburtstag von Angela Merkel (* 1954) – Bundeskanzlerin ist sie nicht durch meine Stimme geworden. Aber gerade in den letzten Jahren der Krisen unterschiedlicher internationaler Ursache, wächst meine Achtung vor ihr.
  4. Todestag von Billie Holiday (1915–1959) und John Coltrane (1926–1967) – Ohne die beiden wäre der Jazz heute  nicht das, was er eben ist. Außerdem kann ich in dieser Liste ja nicht nur Politik und Religion stehen haben.
  5. Amtsantritt von Baschar al-Assad als Syrischer Staatspräsident (2000) – Der Amtsantritt des jungen, westlich gebildeten Augenarztes war noch mit hohen Hoffnungen verknüpft. Heute sieht es entschieden anders aus.

Todestag bedeutender Autoren

Heute ist vor allem der Geburtstag zweier für mich sehr wichtiger Menschen. Da aber deren Bedeutung – vorerst – nur persönlicher Natur ist und nicht kulturgeschichtlichen Rang besitzt, sollen sie hier nicht Gegenstand eines Blog-Eintrags werden. Stattdessen kümmere ich mich um Todestage bedeutender Autoren in einer Top-Five-Liste in zeitlicher Reihenfolge:

  1. Gottfried Keller (1819–1890) – Der gebürtige Züricher wurde erst Landschaftsmaler, dann politisch Bewegter Lyriker des Vormärz und schließlich einer der wichtigsten Vertreter des bürgerlichen Realismus. Der grüne Heinrich, Kleider machen Leute und Romeo und Julia auf dem Dorfe sind bis heute weit bekannt.
  2. Anton Pawlowitsch Tschechow (1860–1904) – Umfasst das Œuvre Tschechows auch hunderte von Novellen und Erzählungen, kennt man heute vor allem die letzten vier Theaterstücke des russischen Dramatikers, Autors und Arztes: Die Möwe, Onkel Wanja, Drei Schwestern, Der Kirschgarten. Und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich lediglich den Kirschgarten gesehen habe. Aber dafür habe ich außerdem den Roman Gletschertheater der isländischen Steinunn Sigurdardóttir gelesen, in dem eine Leienspielgruppe den Kirschgarten zur Aufführung bringt.
  3. Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) – Er ist ein wichtiger Protagonist der Wiener Moderne, Mitbegründer der Salzburger Festspiele, ein Freund Stefan Georges und der Librettist von Richard Strauß. Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes wird seit 1920 jedes Jahr in Salzburg aufgeführt. Seit 1922 in einer Mundartfassung auch in Mondsee. Dort habe ich es 1989 sehen können.
  4. Roberto Bolaño Ávalos (1953–2003) – Ich hätte diesen chilenischen Autoren wohl nie kennengelernt, hätte nicht Patti Smith bei ihrem Konzert von der Bühne herab seinen letzten und großen, postum veröffentlichten Roman 2666 zur Lektüre empfohlen. Ein aufmerksamer und guter Freund schenkte mir daraufhin ein Exemplar. Leider befindet es sich noch in dem Regal der zu lesenden Werke. Was ich über das Buch weiß, klingt aber vielversprechend.
  5. Otto Häuser (1924–2007) – Einen ganz anderen Ton bekommen wir mit dem Fünften in der Liste, der aus der erzählerischen Perspektive des 12-jährigen Ottokar Domma den DDR-Alltag beschrieb. Der Diplom-Pädagoge und Oberstudienrat bekam dafür noch 2006 das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Nicht mit in der Liste, aber heute im stolzen Alter von 105 Jahren gestorben ist der argentinische Autor Juan Filloy (1894–2000). Ich kenne ihn nicht. Bei meinen Recherchen bin ich auf ihn gestoßen. Und die Tatsache, dass er 14.000 Palindrome verfasste bzw. sammelte, lässt mich ihn doch noch erwähnen. Palindrome sind Wörter oder Sätze, die man Zeichen für Zeichen von vorne wie von hinten lesen kann. Kurt Schwitters rühmte seine Anna Blume dafür; Erich Fried zog seine Anna Emulb vor. Dazu kommt noch der Gag, dass die Angst vor Palindromen Eibohphobie genannt wird.

Musikergeburtstage

Es ist fast ein ganzer Monat verstrichen, seit ich etwas gepostet habe. Aber dazwischen war ich nicht untätig: viel Unterricht sowie eine Reise nach Baltrum für Lesung und eine Schreibwerkstatt. Außerdem arbeite ich gerade an so etwas wie einem Roman. Ups! Über solche Dinge soll man ja nicht reden, wenn sie noch nicht fertig sind … Na ja, jetzt ist es eben mal passiert.

Am heutigen Tage ist in der Geschichte schon wieder so viel passiert, dass es mir schwerfällt, ein oder zwei Ereignisse heraus zu picken. Der spätere Kaiser Heinrich II wurde am 9. Juli 1002 in Mainz zum König der Ostfranken gekrönt. Salbung und Krönung nahm dabei der Erzbischof Willigis vor. Das könnte man in einem Blog-Eintrag weiter ausführen. Gestorben ist Heinrich II. am 13. Juli 1024; dieser Tag ist auch sein Gedenktag seit seiner Heiligsprechung. Bestattet ist er mit seiner Frau Kunigunde im Dom zu Bamberg. Diese Stadt liebte der in Hildesheim geborene Ottone über alle Maßen. Er macht sie auch zum Sitz des von ihm begründeten Bistums. Aber über ihn und das Heilige Römische Reich deutscher Nation möchte ich heute gar nicht schreiben. Dafür ist der Tag zu sonnig und leicht.

Gerade komme ich von einem langen Spaziergang aus dem Rosental zurück. Mir ist eher musikalisch zumute. Deshalb ignoriere ich die Geburtstage von Schwergewichten wie Donald Rumsfeld und Wim Duisenberg, nenne keine Todestage und erwähne auch nur kurz, dass heute vor 463 Jahren die Schlacht bei Sievershausen zwischen Moritz von Sachsen und Albrecht II. Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach geschlagen wurde. Moritz gewann, erlag aber kurze Zeit später seinen Verwundungen.In der Folge der Schlacht kam es zum Augsburger Religionsfrieden.

Allgemein gilt die Schlacht bei Sievershausen als die blutigste auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsen. Möge das auf ewig so bleiben! Ich bin wenige einstellige Kilometer vom historischen Schlachtfeld aufgewachsen. 1979 begründete der Pastor Klaus Rauterberg das Antikriegshaus Sievershausen, das mir und meinem Schulfreund Hubertus Heil ein wichtiges Ausflugsziel wurde.

Mehr Leichtigkeit verspricht da schon die Erinnerung an das Finale der Fußball Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, das heute vor genau 10 Jahren stattfand – ohne deutsche Beteiligung, so wie morgen das EM-Finale in Frankreich. Frankreich war allerdings damals auch schon mit dabei, um schließlich im Elfmeterschießen den Italienern zu unterliegen, welche im diesjährigen Wettkampf von der deutschen Mannschaft heim geschickt wurden. Alle drei Länder haben ausreichend große Fußballtraditionen, um auch mal eine Niederlage einstecken zu können.

Die Überschrift verspricht Geburtstage von Musikern. Das mache ich ja gern in einer Top-Five-Liste. Heute wird es aber eine Top-Ten-Liste, weil es einfach zu viele sind. Und da habe ich schon Geburtstagskinder wie den Schlager-Hampelmann Ross Antony, die Kurt-Cobain-Witwe Courtney Love sowie den Hannah-Montana-Sidekick Mitchell Musso weggelassen. Also, die zehn für mich wichtigsten musikalischen Geburtstagskinder des 9. Juli in zeitlicher Reihenfolge:

  1. Lee Hazlewood (1929–2007) – An seiner Seite wurde die junge Nancy Sinatra zum Star. Aus seiner Feder stammen die großen Hits: These boots are made for walking und Summer Wine.
  2. Mercedes Sosa (1935–2009) – Der politischer Protestsong im Gewand südamerikanischer Folklore. Über Joan Baez bin ich zu Mercedes Sosa gekommen. Der größte Hit ist wohl: Gracias a la vida.
  3. Mighty Sparrow (*1935) – Ich muss gestehen, dass ich diesen Mann nicht kenne. Wenn er aber der Calypso King of the World genannt wird, kann ich ihn wohl kaum unterschlagen.
  4. Bon Scott (1946–1980) – Während manche streiten, ob Axel Rose nun wirklich zu AC/DC passt, war für andere Brian Johnson bereits der Sündenfall. Scott soll an seinem Erbrochenen erstickt sein und somit zum ersten Mal den Sängerwechsel nötig gemacht haben.
  5. Mitch Mitchell (1947–2008) – Der ehemalige englischer Kinderdarsteller war außerdem Schlagzeuger, der sich als Autodidakt vor allem dem Jazz näherte. Und plötzlich war er der Drummer der Jimi Hendrix Experience.
  6. Marc Almond (*1957) – Seine Band Soft Cell ist legendär. Tainted Love, ihr größter Hit, wird heute noch in Diskotheken gespielt. Aus seinem Schaffen als Solokünstler habe ich Anfang der 90er A Woman’s Story mit meiner Punkband gecovert. Ich glaube, ich muss den mal wieder rauskramen.
  7. James Kerr (*1959) – Zwischendurch mit Chrissie Hynde von den Pretenders verheiratet und mit musikalischen wie außermusikalischen Soloprojekten beschäftigt (z.B: ein Hotel in Taormina), ist er vor allem seit 30 Jahren Sänger und Komponist der schottischen Band Simple Minds. Den wohl größten Hit der Band Don’t You (Forget About Me) zum Film The Breakfast Club schrieb er allerdings nicht.
  8. Vicki Vomit (*1963) – Das Enfant terrible des deutschen Punkrock stammt aus Erfurt. Er ist sich für nichts zu schade und zu fast allem bereit. Songs wie Durchfall im Weltall oder Kleine Meerjungfrau sind einfach herrlich. Vielleicht ist meine Begründung für die Aufnahme Vicki Vomits in diese List etwas schwach; aber darauf scheißen wir beide.
  9. Eric Melvin (*1966) – Er ist der Gitarrist der (Skate-/Ska-/Street-)Punk(-Rock)-Band NoFX. Der Name ist eine Verbeugung vor der StraightEdge geprägten Punkbandlegende Negative FX. Es weist auf die Ursprünglichkeit des musikalischen Prozesses: No Effects.
  10. Jack White (*1975) – Der jüngste in meiner Liste ist wohl heute bei Menschen unter 30 der bekannteste Name. Seine Band The White Stripes hat mit dem Megahit Seven Nation Army nicht nur Musik- sondern auch Fußballgeschichte geschrieben. Oder kann sich noch irgendjemand eine Spiel (z.B. morgen) vorstellen, ohne das notorische Oh-ah-ah-ah-Oh-Oh?

Todestag von Adolph Frank

Heute ist der 100. Todestag des deutschen Chemikers Adolph Frank. Er ist ein Paradebeispiel dafür, dass die Chemie unser aller Leben prägt, auch wenn wir das meist nicht so mitkriegen.

Geboren wurde Frank 1834 in Klötze, was heute in Sachsen-Anhalt liegt. Er brach eine kaufmännische Ausbildung ab wendete sich dann erst dem universitären Studium in Berlin zu, wurde erst Apotheker, um dann seine weitere Zeit an der Universität Göttingen durch Nachtdienste in Apotheken zu finanzieren.

Nachdem er sich in seiner Dissertation mit der Zuckergewinnung aus der Zuckerrübe beschäftigte, wendete er sich der Düngung von Pflanzen zu. Er ist der Begründer des Kali-Industrie. Kalisalze werden bis heute in der Pflanzendüngung verwendet. Meine Heimat ist durch Abraumhalden geprägt.

Wer sich dafür nicht so interessiert, dem sei von einem anderen wichtigen Verdienst berichtet. Adolph Frank veranlasste die Braunfärbung von Bierflaschen, um das kostbare Getränk vor dem Sonnenlicht zu schützen.

Ein Prosit auf Adolph Frank!

Todestag von Klaus Mann

Heute ist der Todestag eines meiner absoluten Lieblingsschriftsteller: Klaus Mann. An meinem Schreibtisch sitzend habe ich immer seine Werke im Regal gegenüber im Blick. Ich habe sie demütig unter die Werke seines Vaters und Nobelpreisträgers Thomas und seines Onkels Heinrich gestellt. Das sagt schon viel über seine schwierige Position.

Geboren wurde Klaus Mann am 18. November 1906 in München als zweites Kind von Thomas und Katia Mann. Sein vollständiger Name lautet Klaus Heinrich Thomas Mann. Das ist so platt wie beschreibend. Drei äußerst schwierige Startbedingungen prägen sein Literarisches Schaffen wie sein selbst verkürztes Leben: Der berühmte Vater, die zur vollständigen Auslebung drängende Homosexualität und sein Kampf gegen den Faschismus und für ein geeintes Europa. Am 21. Mai 1949 nahm sich Klaus Mann in Cannes das Leben.

Klaus Mann hätte sicherlich einen ganz langen und ausführlichen Artikel verdient. Aber ich fühle mich heute nicht danach. Aber ein paar Empfehlungen möchte ich aussprechen in Form einer Top-Five-Liste der für mich wichtigsten Bücher von Klaus Mann.

  1. Mephisto (1936) – Viele kennen von ihm nur dieses Werk. Und es ist auf jeden Fall eines seiner besten Bücher. Überdeckt wird es immer wieder von der einfachen Gleichung: Hendrik Höfgen im Roman = Gustaf Gründgens im Leben. Doch Klaus selbst wies immer wieder darauf hin, dass Mephisto nicht als Schlüsselroman zu lesen sei. Wir machen es uns mit dieser Lesart auch wirklich zu einfach; denn solche Typen wie Hendrik Höfgen gibt es viele. Die sind nicht alle mit Gründgens gestorben.
  2. Alexander. Roman einer Utopie (1929) – Die Geschichte Alexander des Großen. Mir kommt es vor, als hätte Klaus sich hier ein wenig am Verständnis eines Stefan Zweig orientiert. Natürlich ist aus dem Autor nicht schnell ein fundierter Historiker geworden. Trotzdem ist dieses Buch für an der griechischen Antike Interessierten wie auch träumenden Weltbürgern immer noch lesenswert.
  3. Symphonie Pathétique (1935) – Es geht um Tschaikowsky, wie er seine 6. Symphonie komponiert und die unglückliche Liebe zu seinem Neffen Wladimir. Klaus setzt diesem großen Komponisten aus dem Reigen homosexueller Künstler eine sehr empfindsames Denkmal.
  4. Der fromme Tanz. Das Abenteuerbuch einer Jugend (1926) – Mit 19 Jahren schrieb Klaus Mann das Buch, was einer (wenn nicht der) der erste Homosexuellen-Romane in deutscher Sprache. Davon ausgenommen sind wilhelminische Schoßbüchlein und andere Schundliteratur. Hier wurde das Thema Homosexualität auf die Agenda des Feuilletons gehoben. Schon dafür gebührt Klaus Ruhm und Ehre.
  5. Der Wendepunkt. Ein Lebensbericht (1942, 1952) – Bereits 1932 als 26-Jähriger veröffentlichte Klaus Mann eine Autobiografie heraus. Das brachte ihm viel Häme ein, er litte doch wohl entschieden an Selbstüberschätzung. Heute liefern seine drei Autobiografien – The Turning Point erschien 1942 in den USA, Der Wendepunkt, von ihm überarbeitet, postum 1952 – ein gutes Bild das Lebens eines denkenden und fühlenden deutschen junge Mannes zu Zeiten der Weimarer Republik, des Faschismus und der frühes Nachkriegszeit.

Geburtstag von Jakob van Hoddis

Mit dem Namen Jakob van Hoddis verbindet sich deutschunterrichtswirksam die Geburtsstunde des literarischen Expressionismus. Sein Gedicht Weltende traf den Puls seiner Zeit und hat, das wollen wir gleich durch die Wiedergabe des Textes zeigen, in unserer internetgestützten Nachrichtenwelt nicht an Aktualität verloren:

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei,
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Am 16. Mai 1887 wurde Jakob van Hoddis in Berlin als Hans Davidsohn geboren. 1911 erschien Weltende erstmalig in der Berliner Zeitschrift Der Demokrat. Seit 1912 ist sein Lebensweg geprägt durch seelische Krisen bis hin zur geistigen Umnachtung. In einem anderen Gedicht von 1911 schreibt er prophetisch: All meine Pfade rangen mit der Nacht. Nach vielen Klinikaufenthalten und Vormundschaft kam er 1933 in die Israelitischen Heil- und Pflegeanstalten in Bendorf-Sayn. 1942 wurden die Patienten mit dem Pflegepersonal verschleppt und ermordet. Wahrscheinlich starb van Hoddis im Vernichtungslager Sobibor an der heutigen polnisch-ukrainischen Grenze. Er wurde 55 Jahre alt.

55 Jahre nach der Veröffentlichung von Weltende und genau am Geburtstag dieses ersten Expressionisten erschien mit Pet Sounds nicht nur das wohl beste Album der Beach Boys sondern ein unverrückbarer Meilenstein der Rock- und Popmusik. Ewiger Konkurrent Paul McCartney sagte über das Album: Ich glaube, niemand weiß wirklich was über Musik, solange er dieses Album nicht gehört hat. Die Frustration über die folgende Beatles-Veröffentlichung (Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band), der steigende Drogenkonsum, Probleme bei der Kommunikation seiner Vision gegenüber seinen Mitmusikern und nicht zuletzt eine psychische Erkrankung verhinderten die weitere Karriere des Brian Wilson. Was wir bis heute von ihm hören, ist ein Wundenlecken. Auch darin ist er noch groß, aber nicht mehr olympisch.