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Geburtstag von W. H. Auden

Am 21. Februar 1907, heute vor 110 Jahren, wurde Wystan Hugh Auden im englischen York geboren. Auch wenn Auden heute dem durchschnittlich gymnasial Gebildeten kaum bis gar nichts sagt, sind sein Leben und Schaffen auch mit Deutschland verbunden. 1929 lebte er mit seinem Partner Christopher Isherwood in Berlin. Isherwood schrieb mit Goodbye to Berlin die Vorlage für Cabaret und später das traurige Alterswerk A Single Man, 2009 von Tom Ford mit Colin Firth in der Hauptrolle kongenial umgesetzt. W. H. Auden schrieb viele Libretti, u.a. für Benjamin Britten. Auch Leonard Bernstein ließ sich von Texten Audens inspirieren. 1948 erhielt er den Pulitzer-Preis für seinen Dialog in Versen: The Age of Anxiety.

1935 heiratete er Erika Mann, die älteste Tochter Thomas Manns, um ihr zur britischen Staatsbürgerschaft zu verhelfen. Die Mann-Familie war von den Nazis ausgebürgert worden. 1939 zog er nach New York; sieben Jahre später wurde er amerikanischer Staatsbürger. Seinen Lebensabend verbrachte Auden in Österreich. Er starb in Wien in meinem Geburtsjahr 1973.

Aus dem Jahre 1939 stammt der Refugee Blues, der noch vor Kriegsbeginn die Situation der aus Deutschland Geflüchteten beschreibt. Ob mit der Stadt der zehn Millionen Seelen noch London oder bereits New York gemeint ist, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Greater London hatte in den 30er Jahren bereits 8 Millionen Einwohner, New York City erst 7 Millionen. Einige Stellen beziehen sich sehr konkret auf die Situation Ende der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts. Erschreckend für mich ist jedoch, dass dieser Refugee Blues auch heute wieder gesungen werden kann. If we let them in, they will steal our daily bread … Lasst uns doch endlich menschlicher miteinander umgehen!

Refugee Blues

Say this city has ten million souls,
Some are living in mansions, some are living in holes:
Yet there’s no place for us, my dear, yet there’s no place for us.

Once we had a country and we thought it fair,
Look in the atlas and you’ll find it there:
We cannot go there now, my dear, we cannot go there now.

In the village churchyard there grows an old yew,
Every spring it blossoms anew;
Old passports can’t do that, my dear, old passports can’t do that.

The consul banged the table and said:
‚If you’ve got no passport, you’re officially dead‘;
But we are still alive, my dear, but we are still alive.

Went to a committee; they offered me a chair;
Asked me politely to return next year:
But where shall we go today, my dear, but where shall we go today?

Came to a public meeting; the speaker got up and said:
‚If we let them in, they will steal our daily bread‘;
He was talking of you and me, my dear, he was talking of you and me.

Thought I heard the thunder rumbling in the sky;
It was Hitler over Europe, saying: ‚They must die‘;
We were in his mind, my dear, we were in his mind.

Saw a poodle in a jacket fastened with a pin,
Saw a door opened and a cat let in:
But they weren’t German Jews, my dear, but they weren’t German Jews.

Went down the harbour and stood upon the quay,
Saw the fish swimming as if they were free:
Only ten feet away, my dear, only ten feet away.

Walked through a wood, saw the birds in the trees;
They had no politicians and sang at their ease:
They weren’t the human race, my dear, they weren’t the human race.

Dreamed I saw a building with a thousand floors,
A thousand windows and a thousand doors;
Not one of them was ours, my dear, not one of them was ours.

Stood on a great plain in the falling snow;
Ten thousand soldiers marched to and fro:
Looking for you and me, my dear, looking for you and me.

Der Text ist im Stil eines klassischen Blues geschrieben. Da liegt es natürlich nahe, den Text auch zur Gitarre zu singen. Ich habe es selbst gerade probiert, erspare euch aber eine Aufnahme davon. Auf YouTube findet man einige Versionen. Teilen möchte ich eine Dub-Version, die sich direkt auf die heutige Situation von Geflüchteten bezieht.

Aus aktuellem Anlass noch einmal der Link zu einem anderen Blog-Eintrag mit der Bitte um Beteiligung:
http://zweitgeborener.de/2016/12/keine-abschiebungen-nach-afghanistan/

Nikolaus Kopernikus, all die anderen und ich

Heute vor 544 Jahren, am 19. Februar 1473 wurde Nikolaus Kopernikus geboren. Das ist vielleicht kein besonders rundes Jubiläum, zeigt aber, dass der Mathematiker und Astronom genau 500 Jahre vor mir geboren wurde. Zur Zeit des lutherischen Thesenanschlags in Wittenberg war Kopernikus so alt, wie ich in vier Tagen werde – 44.

Nur im kleinen Kreise kirchlicher Würdenträger war sein bahnbrechendes Werk De hypothesibus motuum coelestium commentariolus aus dem Jahre 1514 bekannt. Die Bahnen der Planeten selbst auch noch kreis- und nicht ellipsenförmig gedacht. Die Lutherische Reformation war noch drei Jahre entfernt. Bekannter wurden die Ideen Kopernikus‘ durch den Druck seines Hauptwerkes De revolutionibus orbium coelestium libri VI in seinem Todesjahr 1543. Verantwortlich dafür zeichnet der Wittenberger Mathematiker Georg Joachim Rheticus, der am 16. Februar 1514 geboren wurde. Ebenfalls an einem 16. Februar, allerdings bereits 1497, wurde Philipp Melanchthon geboren, der nicht nur eine weitere Verbindung zu Wittenberg und Reformation darstellt. Er war auch ein scharfer Kritiker des kopernikanischen Weltbildes. Aus der Bibel zitierte er (Kohelet 1, 4–5):

Eine Generation geht, die andere kommt. Die Erde steht in Ewigkeit.
Die Sonne, die aufging und wieder unterging,
atemlos jagt sie zurück an den Ort, wo sie wieder aufgeht.

Und Martin Luther selbst bewies mit seiner Kritik ebenfalls, dass er alles nur kein Mathematiker oder Astronom war. Ein leerer Schwätzer war der am 18. Februar 1546 verstorbene Reformator aber nicht! Da ging Kopernikus mit seinem Vorwurf i Vorwort etwas weit, als er schrieb:

Sollten etwa leere Schwätzer, die allen mathematischen Wissens bar sind, sich dennoch ein Urteil anmaßen und durch absichtliche Verdrehung irgendeiner Stelle der Heiligen Schrift dieses mein Werk zu tadeln oder anzugreifen wagen, so werde ich mich nicht um sie kümmern, sondern ihr Urteil als unbesonnen missachten.

Verboten wurden die Schriften Nikolaus Kopernikus‘ erst 99 Jahre nach Luthers Thesenanschlag, nämlich 1616 im Zuge des Prozesses um den fest für die Idee der sich bewegenden Erde kämpfenden Galileo Galilei, der wiederum am 15. Februar 1564 in Pisa geboren wurde.

Goethe, Papa Heuss und die Verfassung der Türkei

Vor genau 80 Jahren, am 5. Februar 1937 wurde die erst 14 Jahre alte Verfassung der Türkei geändert, um in Artikel 2 die sechs Pfeile genannten Grundsätze des Kemalismus aufzunehmen. Von Mustafa Kemal Pascha, genannt Atatürk (Vater der Türkei) gehen diese Pfeile aus. Der Artikel 2 der Türkischen Verfassung lautete nun:

Das Türkische Reich ist republikanisch, nationalistisch, volksverbunden, interventionistisch, laizistisch und revolutionär. Seine Amtssprache ist türkisch. Seine Hauptstadt ist die Stadt Ankara.

Die sechs Pfeile bedürfen wohl einer Erklärung:

  • Republikanisch – Cumhuriyetçi – Die Monarchie in Form von Sultanat oder Kalifat waren abgeschafft. Dies erste Wort der Auflistung ist den Staaten Europas allgemein vertraut.
  • Nationalistisch – Milliyetçi – Das Osmanische Reich war ein Vielvölkerstaat. Nun sollte mit einer neuen Schrift und einer Sprache ein Nationalstaat mit einem neuen Bewusstsein entstehen. „Glücklich derjenige, der sich als Türke bezeichnet“, sagt Atatürk und meint, dass jeder Türke werden könne, wenn er sich Türke nenne und an die türkischen Gesetze halte. Kurden und Armenier sehen diesen Punkt skeptisch.
  • Volksverbunden – Halkçı – Gern auch übersetzt mit populistisch, allerdings nicht im heutigen Sinne zu verstehen. Gemeint ist die Aufhebung von Klassenunterschieden und die Gleichstellung von Mann und Frau. Um diese zu gewährleisten, hatte die Türkei schon früh ein Kopftuchverbot. Das Wissen darüber ist heute in Europa nicht weit verbreitet.
  • Interventionistisch – Devletçi – Die Form des staatlichen Eingreifens in die Wirtschaft wird auch Etatismus genannt. Sie erinnert in manchen Zügen an die sozialistische Planwirtschaft. Es ging um das Bemühen, aus einem Agrarland einen modernen Industriestaat zu formen.
  • Laizistisch – Laik – Die Trennung von Staat und Kirche ist ein erklärtes Ideal der europäischen Staaten. Innerhalb der EU haben dies allerdings nur Frankreich, Tschechien und Portugal konsequent in ihrer Verfassung verankert. Auch in Deutschland gibt es Hintertürchen, welche die einen für bedenklich und die anderen für erfreulich halten. In der Türkei hat der Laizismus dazu geführt, dass die Moscheen nicht mehr den Staat mitlenken, sondern andersherum der Staat in die Moscheen hineinregiert, was auch nicht unbedingt das Ziel sein kann.
  • Revolutionär – Devrimcidir –Der Begriff zielt auf die Herausforderungen, die noch zu meistern waren bzw. bis noch sind. Die Türkei begriff sich seinerzeit als ein Land im Wandel. Diese Aufbruchstimmung kennt man sonst nur aus den sozialistischen Staaten.

Die Geschichte der Türkei ist wechselhaft. Zweimal griff das Militär nachhaltig ein. Heute lautet Artikel 2 der Türkischen Verfassung:

Die Republik Türkei ist ein im Geiste des Friedens der Gemeinschaft, der nationalen Solidarität und der Gerechtigkeit die Menschenrechte achtender, dem Nationalismus Atatürks verbundener und auf den in der Präambel verkündeten Grundprinzipien beruhender demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat.

Aber was geht uns die Türkei und ihre verschiedenen Verfassungen an, von denen die aktuelle wahrscheinlich bald wieder umgeschrieben sein wird? Immerhin verbindet Deutschland mit der Türkei eine ganze Menge. Deutsche Linguisten entwickelten die türkische Schriftsprache mit Lateinischen Buchstaben. Türkische Gastarbeiter leben seit Jahrzehnten in Deutschland und fühlen sich mal türkisch, mal deutsch, mal deutsch-türkisch und manchmal leider auch überall fremd. Der große Goethe nahm im Faust die Türkei als Bild für weit entferntes Leid, als zwei Bürger kurz vor dem berühmten Osterspaziergangsmonolog zueinander sprechen:

Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

Herr Nachbar, ja! so laß ich’s auch geschehn:
Sie mögen sich die Köpfe spalten,
Mag alles durcheinander gehn;
Doch nur zu Hause bleib’s beim alten.

Nun kann man in einem deutschen Text immer mal Goethe zitieren, auch ohne das weiter begründen zu müssen. Die Passage passt ja auch ausgezeichnet zum Jubiläum der Verfassungsänderung inkl. zukünftiger Veränderungen und dem Krieg dies- und jenseits der südöstlichen Grenzen der Türkei. Goethe passt hier besonders, weil man ihm nachsagt, selbst ein Produkt gelungener Integration zu sein. Überspitzt könnte man sagen: Goethe war vielleicht ein Deutsch-Türke.

Die Geschichte beginnt mit dem Soldaten Mehmet Sadık Selim Sultan (1270–1328), der sich 1305 in Brackenheim in der Johanniskirche taufen ließ, wo er auch bestattet wurde. Unter dem Namen Johann Soldan gilt als der erste türkisch-stämmige Deutsche. Nun liegen zwischen der Taufe Soldans und Goethes Geburt glatte 444 Jahre, aus denen überlieferte Aufzeichnungen lückenhaft sind. Daher wird es wohl nie Gewissheit darüber geben. Mir gefällt aber die Idee.

Vor allem in arabischen Ländern gibt es ein weiteres Bonmot über den Dichterfürsten. Heimlich ein Muslim soll er gewesen sein. Tatsächlich fast der Ehrenpräsident der Goethe-Gesellschaft Werner Keller 2013 zusammen: Die Kreuzessymbolik war für Goethe ein Ärgernis, die Lehre von der Erbsünde eine Entwürdigung der Schöpfung, Jesu Vergottung in der Trinität eine Blasphemie des einen Gottes. (Goethe-Jahrbuch, Band 130) Das hat Goethe mit der Mehrheit der Muslime gemeinsam. Doch gerade im West-Östlichen Diwan sagt er, Mohammed habe seinem Stamme eine düstere Religionshülle übergeworfen. Goethes Blick auf Wein, Weib und Gesang war kein muslimischer. Und dieser Dreiklang ist an eben dieser Stelle nicht trivial.

Aus Brackenheim stammt aber nicht nur der erste urkundlich gesicherte Deutsch-Türke und vermutete Goethe-Ahn. Ein wichtiger Sohn der Stadt ist Theodor Heuss, der als erster Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland das Väterliche seines Amtes in den Kosenamen gelegt bekommen hat: Papa Heuss. Damit schließt sich fast der Kreis zu Atatürks Verfassung und der heute vor 80 Jahren durchgeführten Verfassungsänderung.

Papa Heuss sagte 1956 in seiner Rede an die Jugend: Das Wesen des Abendlandes lässt sich bildhaft damit beschreiben, dass es auf drei Hügeln ruht: Akropolis, Kapitol und Golgatha. In Deutschland herrscht Religionsfreiheit. Aber in der Präambel des Grundgesetzes gibt es den Gottesbezug. Laizistisch ist die Bundesrepublik Deutschland nicht.

Links
http://www.verfassungen.eu/tr/tuerkei24-index.htm – deutsche Übersetzung der Verfassung um 1937
http://www.verfassungen.eu/tr/tuerkei82.htm – deutsche Übersetzung der aktuellen Verfassung
http://gutenberg.spiegel.de/buch/faust-eine-tragodie-3664/1 – Faust I im Projekt Gutenberg

Vom Neandertaler bis heute

Vor genau 160 Jahren, am 4. Februar 1857 stellte der Mediziner und Anthropologe Hermann Schaaffhausen (1816–1893) den Herren der niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Bonn seinen Knochenfund aus dem von der Düssel durchflossenen Neandertal vor. An einen voreiszeitlichen Menschen hatte er dabei nicht gedacht. Auch andere Größen seiner Zeit wie Rudolf Virchow sahen in den Knochen eher die Überreste eines Rachitis-Kranken. Die Spekulationen über den Neandertaler reichten von einem berittenen russischen Kosaken im Kampf gegen Napoleon bis hin zu einem Hunnen aus dem Heerbann Attilas. Charles Darwins Werk On the Origin of Species erschien erst am 24. November 1859.

Aber haben wir uns seit den Zeiten des Neandertalers, der vor 30.000 Jahren ausstarb, wirklich weiterentwickelt? Von Menschenkennern wie Erich Kästner wird dies stark bezweifelt. Heute wissen wir sogar, dass Gene des Neandertalers in uns weiterleben. Kästner hat übrigens genau einen Tag vor mir Geburtstag. Hier nun sein Gedicht: Die Entwicklung der Menschheit.

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
bis zur dreißigsten Etage.

Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.

Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.

Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.

Was ihre Verdauung übriglässt,
das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
daß Cäsar Plattfüße hatte.

So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.

Das Ende der Tulpenhysterie

Aus dem südöstlichen Mittelmeerraum stammt die Tulpe. Von Afghanistan bis zur Türkei reicht die Heimat dieses Liliengewächses. Der Name stammt aus dem Persischen und bezeichnet den bunten Stoff , aus dem ein Turban gewickelt wird. Die etymologische Nähe von Tulpe zu Turban ist heute noch ersichtlich. Mitte des 16. Jahrhunderts kam die Tulpe aus der Türkei nach Mitteleuropa. Schnell wurde sie eine beliebte Blume in den Kreisen des Adels und wohlhabender Händler. Besonders in den Niederlanden wurden die Tulpenzwiebeln zu einem begehrten Spekulationsobjekt.

Am 3. Februar 1637 erzielten bei einer Auktion im niederländischen Alkmaar keine der angebotenen Tulpenzwiebeln ihren vorher erwarteten Verkaufspreis. Das war der Anfang vom Ende der Tulpenhysterie, der legendären ersten Spekulationsblase in der Geschichte des Börsenhandels. Das Ende der Krise war erreicht, als in den Städten der Niederlande gesetzliche Regelungen getroffen wurden für die Annullierung der Kaufverträge. Für Amsterdam war das am 24. Februar 1637.

Im Jahre 1841 schrieb Charles Mackay (1814–1889) seine Memoirs of Extraordinary Popular Delusions and the Madness of Crowds. Mackays Beschreibung der Tulpenhysterie wird heute kritisch gesehen. Sicherlich kann man die Tulpenhysterie nicht isoliert betrachten, ereignete sie sich doch mitten im Dreißigjährigen Krieg. Zur Finanzkrise von 2007 wurden Berichte über die Tulpenhysterie wieder beliebt. In Oliver Stones Film Wall Street: Geld schläft nicht von 2010 wird sie für eine bildhafte Erklärung herangezogen.

Der englische Dichter Abraham Cowley (1618–1667) war ein Zeitgenosse der Tulpenhysterie. Wenn er auch kein Spekulant war, kann man seinen Werken die Faszination an der persischen Blume entnehmen.

The Tulip next appear’d, all over gay,
But wanton, full of pride, and full of play;
The world can’t shew a Dye, but here has place,
Nay by new mixtures she can change her face.
Purple and Gold are both beneath her care,
The richest Needlework she loves to wear;
Her onely study is to please the Eye,
And to outshine the rest in Finery.
Oft of a Mode or Colour weary grown
By which their Family had long been known,
They’ll change their fashion strait, I know not how,
And with much pain in other Colours go;
As if Medea’s Furnace they had past;
(She without Plants old Æson ne’r new-cast)
And though they know this change will mortal prove
They’ll venture yet — to change so much they love.
Such love to Beauty, such the thirst of praise,
That welcome Death before inglorious days!
The cause by all was to the white assign’d,
Whether because the rarest of the kind,
Or else because every Petitioner
In antient times, for Office, white did wear.
SOmewhere in Horace, if I don’t forget,
(Flowers are no foes to Poetry and Wit;
For us that Tribe the like affection bear,
And of all Men the greatest Florists are)
We find a wealthy man
Whose Ward-robe did five thousand Suits contain;
He counted that a vast prodigious store,
But I that number have twice told and more.
Whate’r in Spring the teeming Earth commands;
What Colours e’r the painted pride of Birds,
Or various Lights the glistering Gem affords
Cut by the artful Lapidary’s hands;
Whate’r the Curtains of the Heavens can show,
Or Light lays Dyes upon the varnish’d Bow,
Rob’d in as many Vests I shine,
In every thing bearing a Princely Mien.
Pity I must the Lily and the Rose
(And the last blushes at her threadbare Clothes)
Who think themselves so highly blest,
Yet have but one poor tatter’d Vest.
These studious, unambitious things, in brief,
Wou’d fit extreamly well a College-life,
And when the God of Flowers a Charter grants
Admission shall be given to these Plants;
Kings shou’d have plenty, and superfluous store,
Whilst thriftiness becomes the poor.
Hence Spring himself does chiefly me regard:
Will any Flower refuse to stand to his award?
Me for whole Months he does retain
And keeps me by him all his Reign;
Caress’d by Spring, the season of the year,
Which before all to Love is dear.
Besides; the God of Love himself’s my friend,
Not for my Face alone; but for another end.
Lov’d by the God upon a private score,
I know for what — but say no more;
But why shou’d I,
Become so silent or so shy?
We Flow’rs were by no peevish Sire begot,
Nor from that frigid, sullen Tree did sprout,
So famed in Ceres sacred Rites;
Nor in moroseness Flora’s self delights.

Links
http://cowley.lib.virginia.edu/works/Bk3.htm – Of Plants, Book III von Abraham Cowley bei University of Virginia
http://www.gutenberg.org/ebooks/24518Memoirs of Extraordinary Popular Delusions and the Madness of Crowds von Charles Mackay als E-Book bei Gutenberg

Namenstag des Basilius und Top-Five-Liste von Geburtstagen

Ein neues Jahr hat begonnen. Die letzten Monate war ich deutlich weniger Aktiv auf diesem Blog. Aber das kann man ja als guten Vorsatz nehmen, wieder etwas häufiger zu schreiben. Mit dem Schreiben ist es wohl wie mit dem Sport. Man geht nicht einfach als Teilnehmer zu den Olympischen Spielen. Man muss jeden Tag ein bisschen machen (oder auch etwas mehr), um letztendlich – sprachliches Bild – den ganz großen Wurf zu landen. Begonnen hatte ich den Blog mit Namenstagen von Heiligen und mit Top-Five-Listen. Diese Traditionen möchte ich fortführen.

Der Heilige Basilius der Große wurde um 330 in Caesarea, Kappadokien (im Herzen der heutigen Türkei) geboren und starb 379 eben dort. Die 49 Jahre seines Lebens reichten aus, um ihn zu einem der wichtigsten Kirchenväter werden zu lassen. Die von ihm verfasste ausführliche Mönchsregel hat in der orthodoxen Kirche bis heute bestand. Seine Abkehr von der Welt und Hinwendung zu Gott ließ ihn aber nicht die Barmherzigkeit vergessen. In Armenküchen versorgte er Not leidende Christen wie Juden, mit dem Hinweis, sie hätten alle die gleichen Eingeweide. Aus einer Predigt an die Reichen stammt folgender Absatz:

Wenn ich in das Haus eines Luxus liebenden Neureichen komme und es mit allerlei Schmuck geziert sehe, so weiß ich, dass ihm die sichtbaren Dinge über alles gehen, ja dass er das Unbeseelte schmückt, die Seele aber ohne Schmuck lässt. Dann sag’ mir, wozu die silbernen Bettstellen, die silbernen Tische, elfenbeinernen Sänften und Sessel, derentwegen der Reichtum den Armen nicht zugute kommen kann, die zu Tausenden vor der Türe stehen und alle Jammertöne hören lassen? Du aber versagst die Gabe mit der Ausrede, es sei dir unmöglich, ihrer Bitte zu willfahren. Du beschwörst mit der Zunge, was deine Hand Lügen straft mit dem funkelnden Diamantringe am Finger. Wie viele könnte dieser eine Ring von den Schulden befreien! Wie viele baufällige Häuser könnte er aufrichten! Ein einziger deiner Kleiderkästen könnte ein ganzes frierendes Volk kleiden, und dennoch bringst du es über dich, den Armen hilflos zu entlassen, ohne die gerechte Vergeltung des Richters zu fürchten! Du hast dich nicht erbarmt; du wirst auch kein Erbarmen finden. Du hast dein Haus nicht geöffnet; du wirst im Himmel nicht Einlass finden. Du hast kein Brot gegeben; du wirst auch das ewige Leben nicht erlangen.

Ich glaube, in unserem Diskurs zum Thema Flüchtlinge und Grenzkontrollen, fremdes Leid und eigene Sicherheitsgefühle muss ich diesen Prediktauszug nicht weiter kommentieren. Der Hl. Basilius wird bis heute verehrt als ein Schutzpatron der Armen und Kranken und ein Kämpfer für den Frieden.


Aber eine Geburtstagsliste wollte ich noch ergänzen, in zeitlicher Reihenfolge:

  • Karl Friedrich Louis Dobermann (1834–1894) – Der Justizangestellte aus dem thüringischen Apolda beschäftigte sich von berufswegen mit der Hundesteuer und im Privaten mit der Zucht des nach ihm benannten Dobermann. Diese Rasse gilt vielen als Kampfhund, wird aber auch in Therapien und als Blindenhund eingesetzt.
  • Ernst Barlach (1870–1938) – Als Bildhauer ist der früh-expressionistische Künstler aus Norddeutschland bekannt. Er verfasste aber auch eine Reihe von Dramen. Ich lernte ihn durch die Lektüre des Romans Sansibar oder der letzte Grund von Alfred Andersch kennen. Dort spielt die Plastik Lesender Klosterschüler eine wichtige Rolle.
  • Carl-Heinrich Rudolf Wilhelm von Stülpnagel (1886–1944) – Der bereits im ersten Weltkrieg dekorierte General war Teil des Kreises, der das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 verübte. Stülpnagel ließ im besetzten Frankreich die Obersten von SS und Gestapo festsetzen. Er wurde letztendlich in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
    Um bei der Zahl fünf zu bleiben, ergänze ich hier noch den Medizinstudenten Willi Graf (1918–1943), der als Mitglied der Widerstandsgruppe Weiße Rose in München-Stadelheim hingerichtet wurde. Auch er hat heute Geburtstag.
  • Isaac Asimov (1920–1992) – Er war Biochemiker und steht als Science-Fiction-Autor für die Wissenschaftlichkeit der Visionen. In dieser Funktion half er bei der Produktion des ersten Star-Trek-Kinofilms. Außerdem war er Mitglied von Mensa; das verbindet.
  • Todd Haynes (*1961) – Regisseur, Drehbuchautor und Produzent und ein wichtiger Vertreter des New Queer Cinema. Zwei Filme von ihm sind absolute Empfehlungen: Velvet Goldmine (1998) und I’m not there (2007).

Link
https://www.unifr.ch/bkv/index.htm – Bibliothek der Kirchenväter (Universität Freiburg, Schweiz)

Top-Five-Geburtstagsliste am Ursulatag

Der 21. Oktober ist der Ursulatag. Die Hl. Ursula ist höchstwahrscheinlich keine historische Gestalt. Als Köln von den Hunnen belagert wird, bietet ein hunnischer Prinz ihr die Verschonung ihres Lebens im Gegenzug zu einer Ehe mit ihm. Sie lehnt ab und erleidet lieber das Martyrium.

Der Ursulatag gilt als letzter Erntetag. Was ein Landwirt bis heute nicht eingeholt hat, wird wohl eher verderben als geerntet werden. Eine andere Bauernweisheit sieht diesen Tag eher als ausblick auf den bevorstehenden Winter: Wie der Ursulatag anfängt, so soll der Winter beschaffen sein.

In diesem Spannungsfeld von Ernte und Aussaat soll auch das eigentliche Thema meines Blogeintrags stehen, eine Top-Five-Liste von Geburtstagen. Die Jubilare meiner Liste gaben ihren Namen für Dinge, die wir heute noch kennen und nutzen. Nur in kontrapunktischer Funktion nenne ich hier Kim Kardashian, die – außer bekannt zu sein – wohl keinen anderen Grund für ihre Bekanntheit ernsthaft nennen könnte. Vielleicht wird ihr Name später mal für den endgültigen Niedergang der Unterhaltungsindustrie stehen.

  • Gustav Langenscheidt (1832–1895) – Langenscheidt entwickelte Unterrichtsbriefe zum Erlernen der französischen Sprache und kann somit als Vater des Fernunterrichts gelten. Kein Verlag interessierte sich dafür. Deshalb gab er sie schließlich selbst heraus, so wie ein deutsch-französisches und später noch ein deutsch-englisches Wörterbuch. Heute kennt wohl jeder deutsche Sprachschüler den Namen Langenscheidt.
  • Alfred Bernhard Nobel (1833–1896) – Insgesamt 355 Patente meldete der schwedische Chemiker Nobel an. Seine Erfindungen brachten vor allem die Rüstungsindustrie voran und brachten in der Folge unendliches Leid über die Menschheit. Seinen Nachlass vermachte er für die Zukunft jährlich denjenigen, die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben.
  • Georg von Siemens (1839–1901) – Er ist nicht der berühmteste Spross seiner Familie. Der in Torgau geborene Bankier ist lediglich ein Neffe zweiten Grades der großen Erfinder. Aber sein Vater stellte einen großen Teil des Gründungskapitals der späteren Siemens AG. Unser Geburtstagskind selbst wurde einer der Gründungsdirektoren der Deutschen Bank.
  • Hermann Müller (1850–1927) – Der Rebzüchter aus dem Kanton Thurgau hat der Welt den Müller-Thurgau hinterlassen, eine Rebsorte, die er selbst als Mischung von Riesling und Silvaner verstand und sie daher Rivaner nannte. Erst durch die Gentechnik kam 1996 heraus, dass nicht der SIlvaner beteiligt war, sondern die Rebe Madeleine Royale (wiederum vom Gutedel). Der Bekömmlichkeit des Müller-Thurgau tut das keinen Abbruch.
  • Leo Kirch (1926–2011) – Vom Filmverleih zum Medienmogul und schließlich zu einem der berühmtesten Bankrotteure der Bundesrepublik, woran Mitarbeiter der Deutschen Bank nicht ganz unschuldig sein sollen. Sein erster Film war La Strada von Federico Fellini. Das filmische Niveau sank dann allerdings mit seiner wachsenden wirtschaftlichen Macht. Die Kirch-Gruppe versorgte das ZDF mit Hollywoodfilmen, bis Kirch einer der wichtigsten Vorreiter im Privatfernsehen wurde. Sat1 und ProSieben sowie DF1 (heute Sky) gehörten ebenfalls zu seinem Wirtschaftsimperium.

Geburtstag der Heiligen Edith Stein

Heute ist der 125. Geburtstag von Edith Stein. Sie wurde am 12. Oktober 1891 in Breslau als jüngstes von elf Kindern in eine jüdische Kaufmannsfamilie hinein geboren. Breslau gehört ja in den Kreis meiner Lieblingsstädte. Ihr Geburtshaus habe ich vor zehn Jahren bei meinem ersten Aufenthalt besucht. Doch zurück zur Hauptperson meines Blogeintrags.

Edith Stein studierte Psychologie, Philosophie, Geschichte und Germanistik an den bekannten Universitäten: Breslau, Göttingen und Freiburg im Breisgau. Unter ihrem Doktorvater Edmund Husserl promovierte sie Zum Problem der Einfühlung. Eine Habilitation wurde ihr trotz hervorragender Leistungen wiederholt verwehrt. Das mag am frauenfeindlichen Klima gelegen haben oder am schwelenden Antisemitismus.

1922 ließ sich Stein taufen. Ab 1932 arbeitete sie am Institut für wissenschaftliche Pädagogik in Münster, aus dem sie aber durch Druck des Naziregimes gedrängt wurde. Im Herbst 1933 trat sie in den Orden der Karmelitinnen ein. 1938 wechselte sie in den Karmel im niederländischen Echt. Dort wurde sie am 2. August 1942 von den Nazis gefangen genommen und schließlich eine Woche später in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau ermordet.

Ein Ausspruch von ihr ist bereits zu einem geflügelten Wort geworden, vielleicht weil es sich so gut eignet, um Atheisten zu ärgern:

Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott,
ob es ihm klar ist oder nicht.

Papst Johannes Paul II. sprach Edith Stein 1987 selig und 1998 heilig. Sie ist eine der sechs Patrone des Kontinents Europas. Die anderen sind Benedikt, Kyrill, Methodius, Katharina von Siena und Birgitta von Schweden. Es gab durchaus Kritik an ihrer Kanonisierung. In ihrem Testament von 1939 steht eine Formulierung, die manchen aufstößt: Ich bitte den Herrn, daß Er mein Leben und Sterben annehmen möchte zu seiner Ehre und Verherrlichung […] zur Sühne für den Unglauben des jüdischen Volkes und damit der Herr von den Seinen aufgenommen werde […]. Ich bin mir sicher, dass dies dem inneren Eifer einer Konvertitin zuzuschreiben ist. Edith Stein wird damit nicht vom Opfer zum Täter.

Erst fünf Jahre nach ihrer Heiligsprechung veröffentlichte der Vatikan einen Brief, den Edith Stein 1933 – fünf Jahre vor den Novemberpogromen – an Papst Pius XI. richtete. Ich möchte ihn hier im Wortlaut wieder geben:

Heiliger Vater!

Als ein Kind des jüdischen Volkes, das durch Gottes Gnade seit elf Jahren ein Kind der katholischen Kirche ist, wage ich es, vor dem Vater der Christenheit auszusprechen, was Millionen von Deutschen bedrückt.

Seit Wochen sehen wir in Deutschland Taten geschehen, die jeder Gerechtigkeit und Menschlichkeit – von Nächstenliebe gar nicht zu reden – Hohn sprechen. Jahre hindurch haben die nationalsozialistischen Führer den Judenhass gepredigt. Nachdem sie jetzt die Regierungsgewalt in ihre Hände gebracht und ihre Anhängerschaft – darunter nachweislich verbrecherische Elemente – bewaffnet hatten, ist diese Saat des Hasses aufgegangen. Dass Ausschreitungen vorgekommen sind, wurde noch vor kurzem von der Regierung zugegeben. In welchem Umfang, davon können wir uns kein Bild machen, weil die öffentliche Meinung geknebelt ist. Aber nach dem zu urteilen, was mir durch persönliche Beziehungen bekannt geworden ist, handelt es sich keineswegs um vereinzelte Ausnahmefälle. Unter dem Druck der Auslandsstimmen ist die Regierung zu „milderen“ Methoden übergegangen. Sie hat die Parole ausgegeben, es solle „keinem Juden ein Haar gekrümmt werden“. Aber sie treibt durch ihre Boykotterklärung – dadurch, dass sie den Menschen wirtschaftliche Existenz, bürgerliche Ehre und ihr Vaterland nimmt – viele zur Verzweiflung: es sind mir in der letzten Woche durch private Nachrichten 5 Fälle von Selbstmord infolge dieser Anfeindungen bekannt geworden. Ich bin überzeugt, dass es sich um eine allgemeine Erscheinung handelt, die noch viele Opfer fordern wird. Man mag bedauern, dass die Unglücklichen nicht mehr inneren Halt haben, um ihr Schicksal zu tragen. Aber die Verantwortung fällt doch zum großen Teil auf die, die sie so weit brachten. Und sie fällt auch auf die, die dazu schweigen.

Alles, was geschehen ist und noch täglich geschieht, geht von einer Regierung aus, die sich „christlich“ nennt. Seit Wochen warten und hoffen nicht nur die Juden, sondern Tausende treuer Katholiken in Deutschland – und ich denke, in der ganzen Welt – darauf, dass die Kirche Christi ihre Stimme erhebe, um diesem Missbrauch des Namens Christi Einhalt zu tun. Ist nicht diese Vergötzung der Rasse und der Staatsgewalt, die täglich durch Rundfunk den Massen eingehämmert wird, eine offene Häresie? Ist nicht der Vernichtungskampf gegen das jüdische Blut eine Schmähung der allerheiligsten Menschheit unseres Erlösers, der allerseligsten Jungfrau und der Apostel? Steht nicht dies alles im äußersten Gegensatz zum Verhalten unseres Herrn und Heilands, der noch am Kreuz für seine Verfolger betete? Und ist es nicht ein schwarzer Flecken in der Chronik dieses Heiligen Jahres, das ein Jahr des Friedens und der Versöhnung werden sollte?

Wir alle, die wir treue Kinder der Kirche sind und die Verhältnisse in Deutschland mit offenen Augen betrachten, fürchten das Schlimmste für das Ansehen der Kirche, wenn das Schweigen noch länger anhält. Wir sind der Überzeugung, dass dieses Schweigen nicht imstande sein wird, auf die Dauer den Frieden mit der gegenwärtigen deutschen Regierung zu erkaufen. Der Kampf gegen den Katholizismus wird vorläufig noch in der Stille und in weniger brutalen Formen geführt wie gegen das Judentum, aber nicht weniger systematisch. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird in Deutschland kein Katholik mehr ein Amt haben, wenn er sich nicht dem neuen Kurs bedingungslos verschreibt.

Zu Füssen Eurer Heiligkeit, um den Apostolischen Segen bittend

Dr. Editha Stein
Dozentin am Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik
Münster i.W. Collegium Marianum

aus: Edith Stein Jahrbuch 2004, Internationales Edith Stein Institut Würzburg
http://www.karmelocd.de/angebote/literatur-und-publikationen/edith-stein-jahrbuch.html

Geburtstag von John Lennon et al.

Der 9. Oktober ist mal wieder so ein Tag, an dem man nicht weiß, worauf man sich konzentrieren soll. In Leipzig wird mit dem Lichtfest dem eigentlichen Scheitelpunkt der Friedlichen Revolution von 1989 gedacht. Die katholische Kirche ehrt gemeinsam mit den orthodoxen Kirchen heute den Stammvater der drei großen Buchreligionen Abraham. Schon diese zwei Punkte reichten aus, um mich nach langer Schreibabstinenz wieder richtig auszutoben.

In der westlichen Populärkultur verwurzelt, möchte ich diesen Eintrag aber vor allem John Lennon widmen. Heute vor 76 Jahren wurde er in Liverpool geboren. 40 Jahre später, am 8. Dezember 1980, wurde er in New York erschossen. Seine Lebensleistung ist bis heute unbestritten. Ich bin bereits 3 Jahre älter als John Lennon jemals wurde. Aber solche vergleiche machen immer unglücklich. Mich beeindruckt John Lennon – kurz formuliert – auf drei Feldern:

  1. The Beatles – Ich bin wohl nicht der einzige, der diese Band als die unangefochten beste Band ansieht, die es jemals auf diesem Planeten gegeben hat. Sollte ich kurz einmal daran zweifeln, muss ich nur wieder ein Album von ihnen hören. Schon bin ich wieder davon überzeugt. Auf ordentliche Argumente sowie Hörbeispiele verzichte ich an dieser Stelle mal.
  2. Autobiografisches Schaffen – Während andere Musiker noch immer fleißig Nummern einstudierten, erforschte John Lennon sein Inneres und ließ uns hören, was er über sich herausgefunden hatte. Er litt außerordentlich an seiner Biografie: die Abwesenheit des Vaters, der frühe Tod der Mutter. Das etwas weinerliche Julia auf dem White Album ist ein gutes Beispiel dafür. Von Arthur Janov mit dessen Urschrei-Ttherapie vertraut gemacht, schrie Lennon seinen Verlust in Mother minutenlang heraus.
  3. Aktionskunst – Die Begegnung mit Yoko Ono war nicht nur der Beginn einer großen Liebe, deren skeptische Beurteilung in der Popkultur viel über noch immer bestehende rassistische und sexistische Ressentiments der westlichen Jugend verrät. Es war auch ein Befreiungsschlag für Lennon, dem nun weitere Kunstformen zur Verfügung standen. Denn Ono war kein Beatles-Fangirl. Sie ist eine wichtige Konzeptkünstlerin und Vertreterin der Fluxus-Bewegung. Die Begriffe Aktionskunst und Happening wurden von ihr deutlich mitgeprägt. Gemeinsam riefen sie der Welt zu: War is over (if you want it)

Die Philosophin Hannah Arendt, deren 110. Geburtstag wir in fünf Tagen begehen, prägte nach Beobachtung des Eichmann-Prozesses 1961 den Begriff der Banalität des Bösen. Das Böse sei nicht ein eher singuläres Monster, das es zu besiegen gelte, wie etwa der Hl. Georg einen Drachen niederrang. Jeder Mensch habe in seiner Freiheit tagtäglich und mannigfaltig die Möglichkeit, sich für das Gute oder für das Böse zu entscheiden.

Das gibt uns eine große Verantwortung mit auf den Weg. Jeder Supermarkteinkauf ist eine Entscheidung für oder gegen die Massentierhaltung, für die Ausbeutung oder die Unterstützung der Menschen in der Dritten Welt. Manchmal spüren wir das. Manchmal gehen wir in der Banalität selbst unter und tun Böses.

Es kann aber auch eine große Chance sein. Denn wenn das Böse in jeder Entscheidung, in jedem Tun lauert, ist doch auch sein Gegenteil, das Gute nicht so weit entfernt. Wir müssen uns nur dafür entscheiden. Wir können uns dafür entscheiden. Dann können auch sehr schnell alle Kriege beendet werden, wenn wir es denn nur wollen. Frieden ist aus dieser Sicht ganz einfach.

An dieser Stelle möchte ich den Deutschlehrern dieser Welt ein Aufsatzthema vorschlagen: Vergleiche folgende zwei Aussprüche unter dem Gesichtspunkt der Banalität des Bösen.

Das Gute – dieser Satz steht fest –
ist stets das Böse, was man läßt.

[aus: Die Fromme Helene (Heidelberg, 1872), Wilhelm Busch]

Es gibt nichts Gutes
außer: Man tut es.

[Moral, aus: Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke (Zürich, 1936) Erich Kästner]

Link zu einem Beitrag im Deutschlandfunk über Hannah Arendt.


 

Weil ich es nun einmal nicht lassen kann, kommt hier auch noch eine ganz schnelle Top-Five-Liste von Geburtstagen des 9. Oktober (in aufsteigender Reihenfolge). Ich denke, es ist ersichtlich, welche Geburtstage ich hier ausgewählt habe, also aus welchen Gründen:

  • Werner Karl von Haeften (1908–1944) – Er war der Adjutant des Claus Schenk Graf von Stauffenberg und am Attentat vom 20. Juli 1944 beteiligt. Als bei der Hinrichtung der Attentäter im Hof des Bendlerblocks von Stauffenberg an der Reihe war, warf sich von Haeften vor seinen Vorgesetzten. Nach der Bestattung auf dem alten Matthäi-Friedhof in Berlin ließ Heinrich Himmler die Attentäter exhumieren, verbrennen und deren Asche verstreuen. Reinhild Gräfin von Hardenberg, die Verlobte von Haeftens starb übrigens am 23. Juni diesen Jahres.
  • Horst Ludwig Wessel (1907–1930) – Das SA-Mitglied aus Bielefeld war eigentlich ein kleines Licht. Da er von KPD-Mitgliedern getötet wurde, machten die Nazis ihn zum großen Märtyrer. Das von Wessel geschriebene Gedicht Die Fahne hoch! wurde als Horst-Wessel-Lied zum quasi zweiten Teil der Nationalhymne Nazideutschlands.
  • Heinrich George (1893–1946) – Er war ein großartiger Schauspieler und Pionier des deutschen Films. Er hatte eine Rolle in Metropolis, aber er verfing sich später in der Propagandamaschine der Nazis. Viele seiner Filme sind nur unter Vorbehalt zu sehen. Ich denke an den Hitlerjungen Quex oder Jud Süß. Sein Sohn Götz George ist in diesem Jahr am 19. Juni verstorben.
  • Victor Klemperer (1881–1960) – Der Romanist und Politiker ist mir vor allem vertraut durch seine Analyse der LTI (Lingua Tertii Imperii = Sprache des Dritten Reiches). Gerade heute, da sich der Mann auf der Straße und nach ihm so mancher Politiker über die Wortwahl im Diskurs nicht mehr so sicher ist, sollte man sich dieses Werk noch einmal vornehmen.
  • Max von Laue (1879–1960) – Diese Liste ist keine naturwissenschaftliche. Der Nobelpreisträger für Physik setzte sich in Nazideutschland für Albert Einstein ein und wurde vorzeitig emeritiert. Er hat aber vor allem einen Platz auf dieser Liste gefunden, weil seine Nobelpreis-Medaille gemeinsam mit der von James Franck in Königswasser gelöst wurde, damit sie nicht den Nazis in die Hände fiele. Nach dem Krieg wurde das Gold aus dem Gemisch von Salz- und Salpetersäure wieder extrahiert und zu neuen Medaillen gegossen.

Heute ist auch der Geburtstag von Julius Maggi (1846–1912), dem Erfinder der nach ihm benannten Würze. Der hat mit dem Nationalsozialismus nicht so viel zu tun. Er dient mir nur als Grundlage für meine Abschlusspointe, dass aus einer einheitlich braunen Soße keine feine Küche zu machen ist.

175 Jahre Lied der Deutschen

Heute vor 175 Jahren dichtete August Heinrich Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland Das Lied der Deutschen, dessen dritte Strophe die Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland ist. Die Geschichte beginnt allerdings in Österreich mit einer Hymne auf den Kaiser Franz II., dem letzten Kaiser der Heiligen Römischen Reiches und dem Begründer Kaisertums Österreich. Lorenz Leopold Haschka (1749–1827) hat sie 1796 geschrieben und noch im gleichen Jahr begann Joseph Haydn (1732–1809) die Komposition eines Streichquartetts, wahrscheinlich von einem kroatischen Volkslied inspiriert, das bis heute die Melodie der deutschen Nationalhymne werden sollte. Die erste Strophe des Textes von Haschka lautet:

Gott erhalte Franz, den Kaiser,
Unsern guten Kaiser Franz!
Lange lebe Franz, der Kaiser,
In des Glückes hellstem Glanz!
Ihm erblühen Lorbeerreiser,
Wo er geht, zum Ehrenkranz!
Gott erhalte Franz, den Kaiser,
Unsern guten Kaiser Franz!

Der mit dem Liedgut Mitteleuropas tief vertraute Sprachwissenschaftler und Vormärz-Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben arbeitete sich an der Kaiserhymne immer wieder ab. 1841 veröffentlicht er im zweiten Teil seiner Unpolitischen Lieder unter dem Titel Syrakusaise ein Gedicht, was sich nicht nur auf die gleiche Melodie singen lässt. Es hat mit auch das Herrscherlob zum Thema. Den Tyrannen Dionys kennt der deutsche Schüler bereits aus Schillers Bürgschaft.

Gott erhalte den Tyrannen,
Den Tyrannen Dionys!
Wenn er uns des Heils auch wenig
Und des Unheils viel erwies,
Wünsch’ ich doch, er lebe lange,
Flehe brünstig überdies:
Gott erhalte den Tyrannen,
Den Tyrannen Dionys!

Eine Alte sprach im Tempel
Eines Tages dies Gebet.
Der Tyrann kam just vorüber,
Wüßte gerne, was sie tät:
Sag mir doch, du liebe Alte,
Sag, was war denn dein Gebet?
Ach, ich habe nur gebetet,
Nur für Eure Majestät.

Als ich war ein junges Mädchen,
Fleht’ ich oftmals himmelan:
Lieber Gott, gib einen Bessern!
Und ein Schlecht’rer kam heran;
Und so kam ein zweiter, dritter
Immer schlechterer Tyrann;
Darum fleh ich heute nur noch:
Gott erhalt’ uns dich fortan!

Im Jahre 1844 veröffentlichte Hoffmann von Fallersleben, der mittlerweile aufgrund seiner Unpolitischen Lieder seinen Lehrauftrag in Breslau verloren hatte, in Paris das Büchlein Maitrank, in dem der folgende Text Kriech Du und der Teufel ebenfalls auf die Haydn-Melodie gesungen werden kann. Als Hinweis steht dem Gedicht voran, man könne die Melodie von O Berlin, ich muß dich lassen verwenden, einem zeitgenössischen Lied.

Ja, verzeihlich ist der Großen
Übermut und Tyrannei,
Denn zu groß und niederträchtig
Ist des Deutschen Kriecherei.
Sieht ein Deutscher seines Fürsten
Höchsterbärmlich schlechten Hund,
Tut er gleich in schönen Worten
Seine Viehbewundrung kund.

Sieht ein Deutscher seines Fürsten
Altersschwaches steifes Pferd,
Ist er freudig doch ergriffen
Von des Gaules früherm Wert.
Sieht ein Deutscher seines Fürsten
Allerältstes Hoffräulein,
Denkt er eine Bürgerstochter
Könne doch so schön nicht sein.

Sieht ein Deutscher seines Fürsten
Jämmerlichsten Kammerherrn,
Steht er still und grüßt in Ehrfurcht,
Und er sieht ihm nach von fern.
Sieht er nun den Fürsten selber,
O, wie ist er dann entzückt!
Wenn Durchlauchet ihn wieder grüßet,
Nun, dann ist er fast verrückt.

Er erzählt es allen Menschen,
Welche Gnad ihm widerfuhr,
Daß Durchlaucht ihn hat gewürdigt
Mehr als eines Blickes nur.
Er erzählet Kindeskindern:
Ja, ich habe ihn gesehen!
Und bei Gott! nun kann ich ruhig,
Ruhig in die Grube gehn.

Im gleichen Jahr wie der zweite Teil der Unpolitischen Lieder schrieb er im britischen Exil und veröffentlichte im vergleichsweise liberalen Hamburg Hoffmann von Fallersleben das Lied der Deutschen. Die drei Strophen sollten von da an das Schicksal der deutschen Nation begleiten.

Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt,
Wenn es stets zu Schutz und Trutze
Brüderlich zusammenhält,
Von der Maas bis an die Memel,
Von der Etsch bis an den Belt –
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt!

Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten
Ihren alten schönen Klang,
Uns zu edler Tat begeistern
Unser ganzes Leben lang –
Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang!

Einigkeit und Recht und Freiheit
Für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben
Brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
Sind des Glückes Unterpfand –
Blüh im Glanze dieses Glückes,
Blühe, deutsches Vaterland!

Das gesamte Lied der Deutschen ist kein Kampflied. Auch die erste Strophe ist nicht der Besitzanspruch eines Nationalstaates auf heute zu anderen Nationen gehörenden Territorien. Es ist der schwärmerische Ausruf eines Exilierten. Die Maas (frz. Meuse) fließt durch Frankreich und Belgien und die Etsch (ital. Adige) in Italien. Der Belt gehört zu Dänemark und die Memel ist heute ein Fluss in Litauen. Die zweite Strophe ist aus heutiger Sicht fast ein wenig seicht. Politisch findet man in ihr nicht viel; man sieht aber, dass der Text doch in der Zeit des Dichters verhaftet ist. Heute würde es wohl nicht als politisch korrekt betrachtet werden, Frauen mit Wein und Gesang zu vergleichen. Immerhin kommt da wenigstens noch die Treue hinzu. Die dritte Strophe ist doch wohl die gekonnteste. Die Vision von Einigkeit, Recht und Freiheit. Dem Text lässt sich nicht widersprechen. Ein solches Land möchte ich auch, heute noch, vielleicht mehr denn je.

Am 11. August 1922 erhob die erste sozialdemokratische Regierung das Lied der Deutschen zur Nationalhymne. In einer Ansprache sagte er: Einigkeit und Recht und Freiheit! Dieser Dreiklang aus dem Liede des Dichters gab in Zeiten innerer Zersplitterung und Unterdrückung der Sehnsucht aller Deutschen Ausdruck; es soll auch jetzt unseren harten Weg zu einer besseren Zukunft begleiten…
Die Nazis sangen nur die erste Strophe, verbaten sogar die zwei weiteren und ließen dann das Horst-Wessel-Lied folgen. Mit Ende des Faschismus schien auch das Lied der Deutschen verbraucht, mit dem Makel behaftet, ein Nazilied zu sein. Doch ist es nicht. Das ist es nie gewesen. Tatsächlich kenne ich keine andere Hymne, die so wenig blutrünstig ist wie die bundesdeutsche. In anderen Ländern wird entweder der Monarch verehrt (Vereinigtes Königreich) oder von den Schlachten der Revolution erzählt (Frankreich).

Die 1950 auf der Suche nach einer neuen Hymne von Bert Brecht geschriebene Kinderhymne wurde noch im gleichen Jahr von Hanns Eisler mit einer eigenen Melodie versehen. Sie ist aber auch gut zur Melodie Haydns zu singen.

Anmut sparet nicht noch Mühe,
Leidenschaft nicht noch Verstand,
daß ein gutes Deutschland blühe,
wie ein andres gutes Land.

Daß die Völker nicht erbleichen
wie vor einer Räuberin,
sondern ihre Hände reichen
uns wie andern Völkern hin.

Und nicht über und nicht unter
andern Völkern wolln wir sein,
von der See bis zu den Alpen,
von der Oder bis zum Rhein.

Und weil wir dies Land verbessern,
lieben und beschirmen wir’s.
Und das liebste mag’s uns scheinen
so wie andern Völkern ihrs.

Links
http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/ – Digitalisierung des Deutschlandliedes von 1841
http://www.deutschestextarchiv.de/api/pnd/118552589 – Digitalisierung der Unpolitischen Lieder von 1840 und 1841


Heute ist außerdem der Namenstag von Wulfila (311–383), dem ersten Bischof der Terwingen, einem ostgotischen Stamm. Seine Gotenbibel (oder auch Wulfilabibel) ist wohl die erste Übersetzung von biblischen Texten in eine deutsche bzw. germanische Sprache. Er übersetzte dabei aus dem Griechischen. Für die Übersetzung entwickelte Wulfila, angelehnt an das griechische Alphabet in Kombination mit lateinischen Buchstaben und Runen, die gotische Schrift. Das Vaterunser sei an dieser Stelle mit lateinischer Schrift zitiert. [Der Buchstabe þ spricht sich wie das englische th.]

atta unsar
þu ïn himinam
weihnai namo þein
qimai þiudinassus þeins
wairþai wilja þeins
swe ïn himina jah ana airþai
hlaif unsarana þana sinteinan gif uns himma daga
jah aflet uns þatei skulans sijaima
swaswe jah weis afletam þaim skulam unsaraim
jah ni briggais uns ïn fraistubnjai
ak lausei uns af þamma ubilin
unte þeina ïst þiudangardi
jah mahts jah wulþus ïn aiwins
amen

Bischof Wulfila ist auch eine Gedenktafel in der Walhalla in Donaustauf bei Regensburg gewidmet. Hoffmann von Fallersleben schrieb in seinen Unpolitischen Liedern über die vom 18. Oktober 1830 bis zum 18. Oktober 1842 im Bau befindlichen Ruhmestempel für die bedeutenden Persönlichkeiten teutscher Zunge:

Sei gegrüßt, du hehre Halle
Deutscher Größ‘ und Herrlichkeit!
Seid gegrüßt, ihr Helden alle
Aus der alt‘ und neuen Zeit!

O ihr Helden in der Halle,
Könntet ihr lebendig sein!
Nein, ein König hat euch alle
Lieber doch in Erz und Stein.

Links
http://www.wulfila.be/ – Das Wulfila-Projekt der Universität Antwerpen
http://www.wulfila.be/gothic/browse/ – Zeilenweise Darstellung der Gotenbibel mit griechischer und englischer Entsprechung (innerhalb des Wulfila-Projekts)
http://www.gotica.de/ – Übersicht von Gotisch-Projekten
http://www.schloesser.bayern.de/ – Die Walhalla in Donaustauf bei Regensburg