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Menschen, mit denen ich keinen Tee mehr trinken kann

Gestern Abend war in der VILLA wieder die OpenStage, die ich in alter Verbundenheit immer noch den Gitarrenabend nenne. Und ein Lied habe ich gestern auch wieder gehört: Hotel California, dessen Co-Autor und Eagles-Mitglied Glenn Frey am gestrigen Tag in New York City im Alter von 67 verstorben ist. Nun bin ich kein ausgesprochener Eagles-Fan, aber Hotel California gehört doch zum internationalen All-Zeit-Repertoire von Klassikern.

Jeden Tag werden Menschen geboren und jeden Tag sterben welche. Sicherlich gibt es auch tragischere Schicksale als den Tod eines Rockstars, wie zum Beispiel im Mittelmeer ertrinkende Flüchtlinge. Doch Tode aufzuwiegen bringt ebenfalls nichts. Es bleibt zu bemerken, dass Menschen, die wie Glenn Frey im Lichte einer wohlwollenden Öffentlichkeit stehen, bequem von zuhause aus zu betrauern sind. Niemand wird als Reaktion auf seinen Tod eine Gesetzesänderung verlangen.

Aber ich schweife ab. In den letzten Tagen und Wochen, sind einige berühmte Menschen von uns gegangen, die mir durchaus viel bedeutet haben. In Momenten der Selbstüberschätzung stelle ich mir gerne vor, wie ich z.B. – nicht ein Konzert besuche, sondern – mit einer musikalsichen Berühmtheit gemeinsam ein Konzert gebe. Mehr noch gefiele es mir, mich bei einer Tasse Tee mit großen Künstlern in einem Gespräch auszutauschen oder ein gemeinsames Projekt zu planen. Solchen Träumen sind ja keine Grenzen gesetzt. Und bevor es in die Kommentare kommt: Mir selbst ist klar, wie unrealistisch solche Vorstellungen oft, fast immer sind.

Besonders fragwürdig werden solche Phantasien, wenn die Person des Verlangens verstorben ist. Das schreit nach einer neuen Top-Five-Liste der Personen, die ich leider nicht mehr zum Tee einladen kann. Ich nehme auf diese Liste nicht John Lennon, der erschossen wurde, als ich sieben Jahre alt war; denn als ich anfing Musik zu machen, war er bereits einige Jahre tot. Auch Thomas Mann kommt nicht mit auf die Liste. Der starb ja noch vor meiner Geburt. Bob Dylan, Leonard Cohen, Joni Mitchell und Yoko Ono sind ebenfalls nicht vertreten. Es ist zwar äußerst unwahrscheinlich, dass ich bald einen Status erreiche, der ein Treffen mit einer dieser Personen ermöglicht, aber es ist immerhin theoretisch möglich.

Hier nun die Top-Five-Liste der Menschen, mit denen ich leider keinen Tee mehr werde trinken können, in der aufsteigenden Reihenfolge ihrer Sterbedaten:

  1. Michael Ende († 28. August 1995) – Von Jim Knopf über Bastian B. Bux zu Momo hat er meine Kindheit nicht nur begleitet sondern ausgestaltet. Als Jugendlicher hat mich der Spiegel im Spiegel so fasziniert, dass er zu einem wichtigen Teil für den Wunsch verantwortlich ist, selbst solche Texte zu schreiben. Jetzt ist Michael Ende schon über 20 Jahre tot, aber an seine Qualität komme ich lange noch nicht heran.
  2. Lou Reed († 27. Oktober 2013) – The Velvet Underground haben mich früh begeistert. Und am Walk on the Wildside kommt man als Teenager in Verwirrung der Gefühle wohl auch kaum vorbei. Aber besonders hat mich sein 1973er Album Berlin umgehauen. Es war ein regelrechter Zufallskauf aus einem Ausflug nach Hannover. Die Melancholie diese Albums fiel bei mir auf fruchtbaren Boden.
  3. Will McBride († 29. Januar 2015) – Sein Tod ist für mich besonders tragisch. Will McBride habe ich tatsächlich bei einer Ausstellung seiner Fotos von Romy Schneider getroffen. Nach einem Gespräch gab er mir seine Telefonnummer. Ich habe mich nie getraut, ihn anzurufen.
  4. David Bowie († 10. Januar 2016) – Ziggy Stardust, Major Tom und überhaupt dieser Mann, der im Kleid wie im Anzug einfach umwerfend aussah. Time takes a cigarette, puts it in your mouth. Als ich das zum ersten Mal hörte, war ich selbst noch ein Raucher und verstand ihn sofort, fühlte mich verstanden. Ich hätte ihn gern gefragt, ob Wild-Eyed Boy from Freecloud tatsächlich, wie ich vermute, durch das Gedicht Mai von K. H. Macha inspiriert ist.
  5. Alan Rickman († 14. Januar 2016) – Eine Freundin hatte vor mir Robin Hood – Prince of Thieves mit Kevin Costner gesehen. Sie sagte zu mir, dass mir der Sheriff von Nottingham gefallen würde. Er sähe aus wie Cat Stevens. Das ist natürlich nicht alles, was es zu Alan Rickman zu sagen gäbe. Aber ich möchte es an dieser Stelle einfach mal so stehen lassen.

Nachtrag
In der Tagesschau um 20:00 Uhr muss ich erfahren, dass gestern auch der französische Schriftsteller Michel Tournier gestorben ist. Sein bekanntestes Buch heißt Der Erlkönig aus dem Jahre 1970. Es ist 1996 von Volker Schlöndorff unter dem Titel Der Unhold mit John Malkovich verfilmt worden. Er erhält nun einen nicht nummerierten Ehrenplatz in meiner heutigen Top-Five-Liste.

Bücher die mein Leben beeinflussten

Ich möchte eine weitere Reihe für meinen Blog ins Leben rufen: Top-Five-Listen. (Ich habe tatsächlich gerade mindestens 10 Minuten darüber nachgedacht, ob es nicht Top-Five-Lists, Top-Fünf-Listen oder gar Liste-der-ersten-fünf-Plätze“ heißen sollte …)

Ich beginne mit einer Aufzählung der fünf Bücher, die zum Zeitpunkt der Lektüre den größten Einfluss auf mein Leben hatten (in Lesefolge).

  1. Die unendliche Geschichte, 1979 von Michael Ende
    Als Wolfgang Petersen den Roman 1984 verfilmte, war ich in der fünften und dann sechsten Klasse. Der Film hat mich zum Buch gebracht. Es ist der erste Roman, den ich tatsächlich von Anfang bis Ende gelesen habe. Meine Eltern hatten sich schon Sorgen gemacht, ob ich überhaupt lesen könne …
  2. Unterm Rad, 1906 von Hermann Hesse
    Schullektüre ist ja oft als Gegengewicht gewählt zu dem, was Schüler gerne lesen. Werte sollen vermittelt werden. Skeptisch ging ich in der neunten oder zehnten Klasse an dieses Buch heran. Doch letztendlich hatte ich das Gefühl, hier mein Leben aufgeschrieben zu sehen – natürlich nicht wortwörtlich. Ich lebe ja auch noch, und konnte so noch weitere Bücher von Hesse lesen.
  3. Das Buch der Unruhe, vor 1935 von Fernando Pessoa
    In meiner Abiturzeit 1992 brachte Fischer 40 Bücher heraus, um das 40-jährige Jubiläum der Taschenbücher bei Fischer zu feiern. Einige davon kaufte ich, weil ich die Autoren kannte, andere wurden mir empfohlen. Und das Buch der Unruhe kaufte ich des Covers wegen. Eine Brille lag auf einer Tischplatte. Ich war überhaupt nicht vorbereitet. Aber das Warten, das Grübeln, das Resignieren und Sinnieren des fiktiven Tagebuchautors traf mich mitten ins Herz.
  4. Die Entdeckung des Himmels, 1992 von Harry Mulisch
    2001 kam der Film heraus. Den fand ich gut. Doch nachdem ich das Buch gelesen habe, kann ich kaum zum Film zurück. Die Fülle an Themen, die Mulisch mit einem beeindruckenden Allgemein- und Fachwissen bearbeitet, macht sprachlos. Es ist wohl vermessen, sich inmitten einer Top-Five-Liste darüber zu äußern, aber: so möchte ich gern schreiben können!
  5. Fight Club, 1996 von Chuck Palahniuk
    Als David Finchers Film 1999 in die Kinos kam, ignorierte ich ihn. Mir klang das zu sehr nach Action. Aber ein Freund gab mir später die DVD und ich war begeistert. Mir war auch ziemlich schnell klar, dass dies eine Literaturverfilmung sein musste. Im Abspann las ich den Namen Chuck Palahniuk und bestellte sofort den Roman, der dann in eins meiner Langzeitprojekte einfloss.